Der wortwörtliche Volkswagen: Die Marke Škoda im Portrait

Die Automarke Škoda entstand 1925, nachdem Laurin & Klement, Autohersteller seit 1905, vom Industriekonzern Škoda geschluckt worden war.

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Die Geschichte der heutigen Marke beginnt 1894 im tschechischen Mladá Boleslav, zunächst als Manufaktur für Edel-Bikes. Bis heute blieb sie diesem Ort treu.

(Bild: Škoda)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Eine Geschichte der Automarke Škoda gibt es nicht. Es sind die Erzählungen zweier Firmen, die durch Kriege und Kommunismus miteinander verwoben werden. Laurin & Klement einerseits, der Industriekonzern Škoda – noch gänzlich autofrei – andererseits.

Mit der Geschichte einer Messe kann mehr über Škoda erzählt werden als mit dem Wälzen der Archive. Es war Februar 1939, als sich Škoda auf dem Berliner Autosalon präsentierte. Adolf Hitler und Joseph Goebbels nähern sich dem Stand. Ein Ingenieur der Marke bahnt sich einen Weg durch die Menschen, stellt sich vor die zukünftigen Kriegsverbrecher und macht den Hitlergruß. Die Nazis fühlen sich pudelwohl und lassen sich etwa 15 Minuten lang die Fahrzeuge zeigen und erklären.

Dabei entsteht eine Fotografie, die Hitler, Goebbels und Karel Hrdlicka, den damaligen General-Direktor von Škoda, zeigt. Das Bild ziert fortan die Wohnung des stolzen Firmenchefs. Doch noch im gleichen Jahr ging der in Pilsen beheimatete Škoda-Konzern in den "Reichswerken Hermann Göring" auf. Die Gestapo ließ Hrdlicka deswegen auf freiem Fuß – und vermutlich am Leben – weil sie bei einer Hausdurchsuchung das Foto entdeckten. Seinen Posten war er allerdings trotzdem los.

Doch wie hatte sich ein tschechischer Konzern in der Gunst des Regimes überhaupt so hocharbeiten können? Die Geschichte des Aufstiegs beginnt 1894 in Mladá Boleslav – also in dem Ort, der heute Synonym für die Marke Škoda ist. Václav Klement ist begeisterter Radfahrer. Das Sortiment seines Buchladens hat er sogar um Fahrradschläuche, -lampen und -zubehör erweitert. Er kauft sich ein Germania IV von "Seidel & Naumann" aus Dresden. Damals absolute Oberklasse.

Ärgerlich: Die Kette springt immer wieder raus. Also bittet er um Reparatur. Schließlich hat er noch einen Garantieschein. Seinen Brief verfasst der glühende Patriot in seiner Muttersprache – Tschechisch. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: "Wenn Sie von uns Antwort haben wollen, verlangen wir Ihre Mitteilung in einer uns verständlichen Sprache."

Kurzerhand gründet er mit seinem Freund Václav Laurin eine eigene Fahrradmarke. Laurin & Klement ist geboren. Ihr Rad heißt "Slavia". Ein Seitenhieb gegen das in ihren Augen mangelhafte Germania. Gleichzeitig veröffentlicht Klement ein Buch für "Radfahrer und solche, die es werden wollen" und schreibt darin: "Jeder, der sein Geld ins Ausland schickt für etwas, was er auch im eigenen Land bekommt, begeht eine Sünde gegen die Ökonomie seiner Nation." Eine europäische Version der Einstellung "America first", die zu zwei Weltkriegen führen wird.

Doch noch ist es nicht so weit. Zunächst einmal reüssieren Laurin & Klement auf dem Fahrradmarkt. Bis Klement das erste Motorrad seines Lebens sieht und ab 1898 beginnt eigene zu bauen. 1901 engagiert das Duo den Fahrer Narcis Podsedníček, der für sie an dem Rennen Paris-Berlin teilnehmen soll. Die tschechischen Geschäftsleute sind im Vergleich zur Konkurrenz bettelarm. Klement muss sich mit dem Fahrer ein Einbettzimmer teilen und sich bei dessen Nutzung abwechseln.

Um zu gewinnen, müssen sie schlauer sein. Und Podsedníček ist es. Er entdeckt eine Schneiderei, in der er einen speziellen Schlauch nähen lässt, mit der er seinen Reifen präpariert. Die gesamte Rennstrecke über 1200 Kilometer kann er so pannenfrei fahren und gewinnt. Es folgte weitere Rennsiege – mal mit kleineren, mal mit größeren Heldensagen – und die Marke Laurin & Klement boomt. Sogar "Seidel & Naumann" bitten um eine Lizenz – das Unternehmen, deren Kundenservice Klement überhaupt erst so verprellt hatte.

Nach eigener Aussage sind Laurin & Klement auf dem Zenit angekommen, weswegen sie beschließen, fortan auch Autos zu bauen. 1906 zeigen sie der Öffentlichkeit ihren ersten Wurf. Die Voiturette hat sieben PS, ist deutlich günstiger als Modelle von Benz und macht ab 1908 als B-Voiturette die Konkurrenz im Rennsport nass. Doch um nennenswerte Stückzahlen zu erzielen, braucht das immer noch junge Unternehmen Geld.

Laurin & Klement wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Diverse Aristokraten, die österreichische Länderbank und die tschechische Zivnobanka werden die Eigentümer, die beiden Václavs sind ab sofort die Direktoren ihrer selbstgegründeten Firma. Es geht steil bergauf. Von Beginn an wird auf Serienproduktion nach amerikanischem Vorbild gesetzt. Ein gewisser Graf Alexander Joseph Kolowrat-Krakowsky sorgt am Steuer der Rennwagen für stetigen Erfolg, Rekorde und Schlagzeilen.

Die Marke Škoda im Portrait (17 Bilder)

Der Škoda Favorit war eines der wenigen Modelle, das während der sozialistischen Planwirtschaft mit den Modellen der West-Konkurrenz mithalten konnte.

(Bild: Škoda (alle))

Dann schlägt der erste Weltkrieg einen Pfropfen in die Geschichte und eine Autoproduktion gibt es erstmal nicht mehr. In der Belegschaft von Laurin & Klement tun sich außerdem Gräben auf. Die einen stehen auf der Seite von Österreich-Ungarn, die anderen schließen sich den Alliierten an. Die Fabrik muss ab sofort der Rüstung dienen.

Nach dem ersten Weltkrieg steht die Fabrik von Laurin & Klement plötzlich in der Tschechoslowakei. Eine Nachfrage nach Autos gibt es zwar, doch müssten die Fahrzeuge billig sein und das schafft die Firma nicht. Es fehlt an Material und Werkzeug. Der Konkurrenz nicht. Praga und Tatra schrauben bereits in den 1920er-Jahren wieder fröhlich Autos zusammen. Kein Wunder. Im Grunde sind sie zu diesem Zeitpunkt fast vergessene Anhängsel von Ringhoffer bzw. Ceskomoravska-Kolben. Zwei Maschinenbau-Konzerne.

Also gehen auch Laurin & Klement auf die Suche. Die Wahl fällt auf die Škoda-Werke im tschechischen Pilsen. Sie schlucken den kleinen Autobauer einfach. Ein Vorgang, der auch der Staatspolitik geschuldet ist und "Konzentrationsprozess" heißt. Am Ende kontrollieren 25 Unternehmer etwa 80 Prozent der Industrie des Landes.

Entsprechend geht Škoda weiter auf Einkaufstour und verleibt sich diverse Maschinen-, Stahl-, Kraftwerks- und Lokomotivbauer ein. Sie alle arbeiten zukünftig unter dem Logo mit dem geflügelten Pfeil. Ein Entwurf, den der Namensgeber und Firmengründer Emil Škoda höchst selbst aus den USA mitgebracht haben soll. Der Federschmuck eines Ureinwohners soll ihn dazu inspiriert haben.

Die Firma von Emil Škoda prosperierte vom Tag ihrer Gründung 1869 an. Der Ingenieur hatte sich in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zum Abgeordneten hochgearbeitet und profitierte im aufkeimenden Faschismus samt Kriegstreiberei davon, ein zentraler Waffenproduzent zu sein. Emil Škoda starb zwar im Jahr 1900, doch seine Fabrik lief weiter auf Hochtouren. Während des ersten Weltkrieges standen fortan 30.000 Mitarbeiter in Lohn und Brot. Nach dem Krieg übernahm der Rüstungskonzern Schneider-Creusot aus Frankreich die Aktienmehrheit. Anschließend folgte die erwähnte große Einkaufstour im industriellen Nachkriegselend.