Missing Link: Der Herr der Routen – vom funktionierenden Netz und den Grundlagen

Das Internet in Deutschland wird zum Mittdreißiger und die, die es mal aufgebaut haben, verabschieden sich aus dem Berufsleben. Ein Gespräch mit Rüdiger Volk.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 101 Kommentare lesen

(Bild: Graphics Master/Shutterstock.com)

Lesezeit: 34 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Rüdiger Volk

Auf Twitter, Facebook oder sonstwelchen Social Media Plattformen wird man ihn vergeblich suchen. "Warum die Datenkraken bedienen", fragt Rüdiger Volk. Dabei hat er dem Netz in Deutschland den Weg bereitet. Er hat der Telekom das Internet beigebracht, da hatte er schon IP-Adressen für die ersten deutschen Netzwerker besorgt, eine Standleitung über den großen Teich geschaltet und als DE-NIC Verwalter die ersten de-Adressen ausgegeben. Wie konnte der Interne Nerd der ersten Stunde es 25 Jahre beim ehemaligen Staatsmonopolisten aushalten. Wir haben ihn gefragt.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Wie kam es eigentlich zu deiner Taufe als "Herr der Routen", von wem stammt der Titel?

Rüdiger Volk: Also, ich kannte diesen Titel nicht, bevor ich zu diesem Interview eingeladen wurde.

Er bezieht sich auf deine Tätigkeit als Routing Chef bei der Deutschen Telekom seit den 90er Jahren, oder?

Rüdiger Volk: Davon gehe ich aus.

Aber bis dahin hast du eigentlich auf der "Gegenseite" der Telcos gearbeitet, bei denen die das Internetprotokoll erst einmal in Deutschland heimisch gemacht haben…..

Rüdiger Volk: Ich habe mein Diplom in Informatik im Sommer 81 in Dortmund gemacht und habe dann erst einmal meinen Zivildienst angetreten. Ich hatte mir das Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke ausgesucht, genauso wie zufällig auch Axel Pawlik (EUnet/DE-Mitbegründer und später RIPE NCC Geschäftsführer, d. Red.) und Daniel Karrenberg (RIPE Mitbegründer). Wir sind uns dort nie über den Weg gelaufen, und haben erst hinterher festgestellt, dass es diese Koinzidenz gab.

Beide hast du dann an der Uni Dortmund wieder getroffen…

Rüdiger Volk: Ich hatte zeitweise daran gedacht, dass die neue Universität Witten-Herdecke auch ein Rechenzentrum braucht. Aber mein fachlicher Ratschlag stieß im Gemeinschaftskrankenhaus auf taube Ohren und vielleicht hat der Informatiker ja wirklich zu viel und zu teures Spielzeug verlangt. Daher bin ich 85 an meine Alma Mater zurückgegangen und da sah mich da in der Situation, dass drei Studenten, inklusive Daniel Karrenberg, ein Projekt gestartet hatten, Computer Networking unter dem Label EUnet auf der Basis von UUCP zu veranstalten.

UUCP - Unix to Unix Copy Protocol, es waren also Studenten, und gar nicht Professoren, die dem Internet Leben eingehaucht haben….

Rüdiger Volk: In Dortmund ganz bestimmt. Wenn Karrenberg und seine Kollegen zu dem Zeitpunkt, als ich an die Uni Dortmund zurück gekommen bin, nicht all diese Dinge aufgesetzt hätten, wäre mein Leben vielleicht auch gänzlich anders verlaufen. In dem Monat, in dem ich zurück gekommen bin, haben die das erste Mal Rechnungen an ihre EUnet Kunden geschrieben. Sie hatten ein Dutzend Kunden und das war alles noch ziemlich klein, aber die Idee, dass eine Universität für Kunden Rechnungen schreibt, war für den Chef und die Verwaltung….

..revolutionär..

Rüdiger Volk: Absolut. Meine eigentliche Aufgabe an der UniDO war der Aufbau des lokalen Informatik-Fachbereichsnetzes. Ich erinnere mich schwach an Papiere, die vorgelegen haben und in denen offensichtlich Leute auch entlang der Kampflinien der sogenannten "Protocol Wars" alles mögliche philosophiert haben. Die Weichen waren aber klar für ein pragmatische Vorgehen gestellt.

Der Protokollkrieg zwischen ISO/OSI und TCP/IP….

Rüdiger Volk: Ja. Praktisch haben aber einfach 15 Meter dickes gelbes Kabel – das physikalische Medium des ersten Ethernet-Standards 10 Mbit – zwei Unix Maschinen der Universität verbunden. Auch die Planung für das Netz der Informatik Rechner Betriebsgruppe (IRB) war weitgehend fertig, und bestand darin, einen Kilometer gelbes Kabel in den zweieinhalb Gebäuden, die wir hatten, zu verlegen – und das war TCP/IP.

Das war schon Internet?

Rüdiger Volk: Also, es war TCP/IP. Auf der Vax des Fachbereichs lief ein vorab gepatchtes 4.2 BSD. Das war Ausgangspunkt für die TCP Implementierung und hat praktisch alles geliefert, was für die spätere globale TCIP/IP Implementierung notwendig war. Die "Protocol Wars" hab ich im ersten Anlauf nicht wirklich verstanden, weder technisch noch politisch. Das Deutsche Forschungsnetz, das DFN, lief natürlich auf politisch vollständig korrekter Schiene…