Missing Link: Der Herr der Routen – vom funktionierenden Netz und den Grundlagen

Seite 6: Zuckerbergs Goldberge

Inhaltsverzeichnis

(Bild: Frederic Legrand - COMEO/Shutterstock.com)

Peerings mit Facebook etc..

Rüdiger Volk: Man muss sich klarmachen, dass es da um Terabits zwischen den jeweiligen Partnern geht. Wenn man in solchen Größenordnungen Bandbreite versorgen will, dann ist es völlig klar, die Kosten für eine extra Switching Fabric, zusätzlich zum direkten Peering, sind erheblich und bringen nichts. Ich kriege bloß noch eine dritte Partei dazwischen, die auch noch Fehler machen kann.

Du kennst Internet- und Telco-Philosophie, werden die Telcos als "arme Infrastruktur enden" während die Content-Riesen die Gewinne einfahren?

Rüdiger Volk: Der Spielraum für die klassischen Carrier geht, man braucht nur die Geschäftsberichten anzusehen, drastisch nach unten, während die Googles, Facebooks und Akamais im Geld schwimmen. Meist ist den Leuten nicht klar, dass der eigentliche Kostenfresser nicht Backbone und Peering Router sind. Das Teure sind Investitionen, die man braucht, um den Zugang in der Fläche zu sichern. Das ist immens. Der Contentprovider sagt dabei einfach, ich brauche riesige Bandbreiten. Das Spannungsverhältnis besteht darin, dass der Contentprovider für sein Geschäft die Riesen Bandbreite braucht und potentiell argumentiert, die habe der Endabnehmer schon bezahlt. Doch für den Endabnehmer gibt es zu erklecklichen Teilen einen regulierten Markt, in dem Margen eben eher verschwinden, nicht zuletzt weil dieser regulierte Markt Preiserhöhungen für die geforderten Kapazitätssteigerungen nur sehr zögerlich hergibt.

Wo siehst du die Zukunft für die Telcos, wenn man mal berücksichtigt, dass die Content Betreiber vermehrt in eigene Infrastruktur investieren?

Rüdiger Volk: Der Versuch von Google, selbst die letzte Meile zu betreiben, ist nach meiner Kenntnis abgebrochen worden. Endkundenanschlüsse in der Fläche zu betreiben, sind nach allem was man sieht, kein wirklich super attraktives Geschäftsfeld. Also ist nicht wirklich zu erwarten, dass Content Provider sich da versuchen. Die Philosophie, wie sie früher mal bei AOL vorgeherrscht hat, und wie man sie bei Mister Zuckerberg erwarten darf, nicht das offene Internet ist das Interessante, sondern wir liefern die eine immersive Welt für den Endanwender. Für eine derartige Perspektive könnte man sich vorstellen, dass die exklusive Beziehung zum Endkunden gesucht wird.

Wie wäre es, wenn Zuckerberg die Telcos kaufen würde?

Rüdiger Volk: Die Margen, die er dabei erzielen kann, scheinen für ihn nicht attraktiv genug zu sein. Also die Zuckerberg Goldberge mögen dafür ausreichen NTT, AT&T und DT zu kaufen. Ob sie dazu reichen, tatsächlich die gesamte Kundenbasis zu kaufen, die er adressieren möchte, sieht schon schwieriger aus. Einfacher ist es, wenn man irgendjemand die Arbeit überlässt, Funktionsbereiche mit den schlechteren Margen zu liefern. Könnte ein eigenes Netz bis zum Endanwender noch irgendwo auf einer grünen Wiese aufgebaut werden? Ich fürchte einfach, solche grünen Wiesen gibt es nicht mehr, oder zumindest da nicht mehr, wo es finanziell interessant sein könnte. Die Beobachtung, dass Backbone und Unterseeglasfaser Kapazitäten mehr von der fortschrittlichen OTT Business Gesellschaft veranstaltet wird, ist wenig überraschend. Die haben das Geld und allein für ihre interne Vernetzung einen wachsenden riesigen Bedarf.

Kurze Frage zum Ausblick, war das Internet der 80er, 90eger Wilder Westen und heute ist es eine schöne – durchregulierte – Welt?

Rüdiger Volk: Es kann sein, dass in den 90ern die Sicht von Telco Leuten durchaus war, das ist alles wilder Westen und Hippies in Sandalen. Altgediente Telekom Kollegen haben sich durchaus über die Sandalenträger beschwert – und ich denke, sie haben Jon Postel auch in Sandalen gesehen. In den ganz frühen Jahren hat es aus meiner Sicht ein sehr, sehr starkes Community Feeling gegeben und das war schick. Missbrauch im Netz ist nahezu nicht aufgetreten. Zwar gab es, zum Beispiel in der IETF extrem rhetorisch verschärfte Diskussionen. Wir sind heute viel, viel zivilisierter. Viele Dinge sind zugleich eher schlechter unter Kontrolle. In der Frühzeit ist das alles sehr schön gewesen, weil man so gut wie null Beeinflussung seitens kommerzieller Interessen gehabt hat.

Und politische Beeinflussung….

Rüdiger Volk: Es gab zwar Förderung für die technische Entwicklung, vor allem in den USA. Die hat aber typischerweise keine Vorgaben gemacht. Während die europäische Förderung sagte, du sollst dies oder das tun. Die jeweiligen Direktiven basierten auf Illusionen über wirtschaftliche Kräfteverhältnisse. Ich denke man kann problemlos Papier ausgraben, in denen Brüssel oder Bonn die Förderung von OSI dahingehend kommentiert, dass es darum geht, einen Vorsprung der europäischen Industrie zu sichern. Den hat es allerdings nie gegeben.
Bei TCP/IP blieben über geraume Zeit störende Einflussnahmen aus. Entweder, weil politische Zwänge einfach nicht wirklich angewandt worden sind. Oder man hat gesagt, also der politische Zwang, den wir einsetzen, richtet sich auf den Einsatz von OSI. Dieses andere Zeug verdammen wir, und was da in der Hölle passiert, braucht uns nicht zu interessieren. Für eine Weile hat auch der wirtschaftliche Druck nicht so stark aufgetragen, weil man die längerfristige fundamentale Bedeutung des Internet noch nicht erkannt hat.
Ich weiß, dass ich 95 auf bestimmte Fragen innerhalb der Telekom, geantwortet haben, nein, das macht keinen Sinn, denn was wir mit dem IP haben, wird demnächst die Basis für alles sein, was hier gemacht wird. Aus meiner Sicht ist das 95 klar absehbar gewesen. Trotzdem hat es genug Leute gegeben, die alten Geschäftsmodellen und alten Paradigmen nachgehangen haben. Oder die sagten, wir sind super schlau und wir springen über IP drüber, dieses Legacy Protokoll wird von uns ATMlern noch untergebuttert.

Das heißt, man ist mit der Regulierung gar nicht, wie immer beklagt, der Technik hinterhergelaufen. Man hat nur aufs falsche Pferd gesetzt, das dann das Rennen, vielleicht wegen der regulatorischen Zügel aber verloren hat. Wird heute das Netz überreguliert?

Rüdiger Volk: Da kommen wir aktuell natürlich zur ewigen Frage nach der Nutzung von Kryptographie. Wir hatten in den 90ern Sachen, die ganz gefährlich ausgesehen haben, Clipperchip und der gleichen. Die haben wir Gottseidank unbeschadet umrundet. Die aktuellen Papiere der Ratspräsidentschaft sehen irre aus: wir unterstützen starke Kryptographie und wir verlangen, dass man sie aushebeln kann. Das ganze erheben wir zu einem Prinzip. Wenn man irgendwie mit einem mathematischen und logischen Blick auf die Welt kommt, sagt man, inhärenten Widerspruch kann man nicht zum Prinzip erheben. Wenn ich außerdem noch sehe, dass am Ende des ersten Kapitels des Ratspapiers auch noch heißt, wir wollen auch noch Quantenkryptographie fördern, frage ich mich schon, wen wir dann bemühen müssen, um diese Kryptographie auszuhöhlen. Vielleicht Max Planck?! Soweit ich das überschaue haben wir mindestens zwei Zyklen Angriff und Abwehr erfolgreich hinter uns. Wie viele Zyklen wir am Ende brauchen, weiß man nicht. Die Erfahrung, dass in früheren Zyklen das Unheil abgewendet worden ist, lässt einen mindestens hoffen, dass es auch das nächste Mal gelingen kann.

Und wenn die Abwehr verliert…..

Rüdiger Volk: Das Ergebnis wäre, dass die wirklich starke und nicht hintergehbare Kryptographie für die wirklich bösen Buben reserviert bleibt. Das ist nach meiner Einschätzung ein unheimlich starkes Argument, um nicht zu verlieren. Aber, wollen wir mal so sagen, das ist politischer Kampf. Mein Verdacht ist, strikte mathematische Logik ist nicht alles, was da zählt.

Rüdiger, vielen Dank für das Gespräch!

(bme)