Missing Link: Der Herr der Routen – vom funktionierenden Netz und den Grundlagen

Seite 3: Transatlantische Fühler

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(Bild: Christoph Burgstedt/Shutterstock.com)

Ist heute die IETF soweit, dass sie ebenso versucht, einen Haufen Optionen zuzulassen, immer noch einmal einen Schnörkel dran zu machen….Macht das Internet heute die selben Fehler wie OSI in den 80ern….

Rüdiger Volk: Jon Postel hatte sich mal zum Verlust des Einfachheitsprinzip geäußert und wenn ich mir die IETF Aktivitäten heute anschaue, gibt es sicherlich eine Menge, was mit diesem Postel Zitat bedient werden sollte. Allerdings kann man Newcomern und neuen Wettbewerbern kaum sagen, was ihr da an neuen komplizierten Ideen mitbringt, entspricht unseren Dogmen nicht. Lest das Buch, erwerbt die Religion, und dann können wir weiter verhandeln. Das geht nicht mehr.

Von Jon Postel hast du auch die ersten IP Adressen geholt?

Rüdiger Volk: Nein, ich habe die Adressen vom SRI-NIC (Stanford Research Institute) bekommen. Im Sommer 89 bin ich das erste Mal zur IETF, nach Stanford gefahren, es war die 14. IETF, und anschließend auch beim SRI-NIC vorbeigegangen. Das war um die Ecke, Ravenswood Avenue 333. Im darauf folgenden Sommer gab es bei der IETF in Vancouver, der ersten außerhalb der USA, zwei entscheidende Überlegungen. Vint Cerf zeigte mir den entsprechenden – ganz frischen – RFC 1174, der einerseits die Dezentralisierung der Adressvergabe vorgeschlagen hat. Das hatten wir auf europäischer Seite bereits diskutiert und den Namen NCC (Network Coordination Center), operativer Arm des RIPE (Réseaux IP Européens, d. Red.), hatte ich soweit ich mich erinnere schon erfunden. Zweitens, sollte der so genannte 'connected-Status‘ abgeschafft werden, den man damals zwingend haben musste, um zu dokumentieren, dass die eigene Nutzung der Adressen den Anforderungen der National Science Foundation (NSFnet), und das heißt der US Regierung, entsprach.

Da gab es dann schon interkontinentales Internet?

Rüdiger Volk: 89 haben wir damit angefangen, globales Internet richtig auszurollen. Es gab davor schon ein paar dünne gesponserte IP-Leitungen, zum Beispiel zu Peter Kirstein beim University College of London. Bei allen Verdiensten von Peter würde ich es so beschreiben: er hat dafür gesorgt, dass das Internet das Vereinigte Königreich erreicht und dann hat er mit seinen Gateways sicher gestellt, dass dort die Coloured Books Protokolle in OSI Orientierung in Reinkultur laufen konnten. Vielleicht bin ich ungerecht, aber für viele Jahre ist das der Status der Dinge gewiesen…..

Und die deutschen Transatlantik-Schaltungen?

Rüdiger Volk: Die Karlsruher haben mit CSNet kooperiert. Zunächst haben in den USA nur Institute, die zum militärisch-industriellen Komplex gehörten oder in diesem Dunstkreis Projekte hatten, Zugang über das ARPAnet bekommen. Csnet, später NSFnet, sollte darüber hinaus normalen Informatik Departments einen Anschluss bieten. Das war so organisiert, dass dafür nicht zwingend eine IP-basierte Standleitung gebraucht wurde, sondern das konnte auch gewählt werden. Und die Karlsruher haben mit CSNet kooperiert und haben die Interkonnektion über so eine Wählverbindung gemacht.
Wir in Dortmund haben dagegen das UUCP Networking für den verkauften Dienst verwendet, und das über unser hausinternes Internet angeschlossen. Unsere Nord-Rhein-Westfälische Landesregierung hatte irgendwann den Universitäten Standleitungen geschenkt. Um politisch korrekt zu bleiben, hatten wir auf diesen geschenkten Leitungen das Hochschulnetz NRW laufen lassen und X.25-Leitungen zwischen den Universitäten geschaltet. Aber mit einigen Kollegen haben wir auch einen IP-Betrieb darüber organisiert. Das haben wir übrigens auch auf den vom DFN teilweise gesponserten öffentlichen X.25 Verbindungen gemacht, mit den Instituten, die interessiert waren.

Ihr wart praktisch Piraten….

Rüdiger Volk: Naja, auf jeden Fall wurde der X.25 Verkehr zur Europäischen EUnet Zentrale in Amsterdam irgendwann ein interessanter Kostenfaktor. Da haben wir tatsächlich eine analoge Standleitung von Dortmund nach Amsterdam aufgebaut. Ich bin immer noch begeistert, dass mir irgendeine Postdienststelle damals empfohlen hat, die neue Option "für besondere Qualität" für meine Leitung anzufordern – und zu bezahlen. Außerdem riet er zu einem bestimmten Modemtyp und hat versprochen, dass ich auf einer solchen Standleitung dann 19,2 Kilobit fahren kann.

Was hat die analoge Standleitung denn gekostet?

Rüdiger Volk: Ich weiß es nicht mehr genau, aber sicher etliche Tausend Mark im Monat. Wir haben auf diese Leitung dann aber auch Verkehr verlagert, der vorher Volumen-tarifiert war, und aus den Erlösen des EUnet Betriebs haben wir dann den ersten Cisco Router beschafft, so wie die Amsterdamer Kollegen einen hatten. Dann konnten wir auf der Standleitung in X.25 eingetütet im Multiplex zu UUCP IP auf europäischer Ebene veranstalten. Von Amsterdam aus ging es im Lauf von 89 über eine 64 Kilobit-Leitung, die Rick Adams von Uunet hatte, über den Atlantik und dann hatten wir IP bis dort, über eine Standleitung. Ich hatte zwar keinen Connected Status, aber ich hatte von Stanford, beziehungsweise von Cisco Labs im Sommer 89 tatsächlich das erste mal Pakete ausgetauscht.