Das Gegenteil von Diesel: Volvo V60 Diesel-Plug-In-Hybrid

Dieses Diesel-PHEV sollte zeigen, was Volvos neuer Eigner Geely alles konnte. Sparsam bewältigte der V60 immerhin den statistisch durchschnittlichen Arbeitstag.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen

(Bild: Volvo)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Serie, in der es um spannende automobile Vorkämpfer geht, die drohen in Vergessenheit zu geraten. Denn meist war ihr Mut nicht von Erfolg gekrönt.

Teil 1: Der Blitz, den niemand wollte: Audi duo, erster Hybrid auf dem Markt

Teil 2: Nichts war Roger: General Motors erstes Elektroauto EV1

Der Volvo V60 Diesel-Plug-in-Hybrid war ein Schaulaufen der Marke. Es ging darum zu zeigen, was unter chinesischer Führung möglich ist. Plötzlich ist das Jahr 2020 und in jedem Volvo steckt ein Elektromotor.

Eine Vorgeschichte wie ein Armutszeugnis. In den 90ern sind die Kassen von Volvo chronisch leer. Pehr Gyllenhammar, Geschäftsführer der Schweden, glaubte damals zu Recht, dass eine kleine Marke wie Volvo im internationalen Automarkt langfristig keine Chance haben wird. Eine Kooperation soll her. Es folgt eine enge Zusammenarbeit mit Renault. Eine Übernahme durch die Franzosen wird 1993 aber abgeblasen, weil Investoren und Angestellte erhebliche Zweifel an deren Nutzen haben.

Sechs Jahre lang hält Volvo noch durch, dann übernimmt Ford die Autoabteilung. Kostenpunkt: 6,45 Milliarden Dollar. Auch die Amerikaner schaffen es nicht, die Schweden auf eigene Beine zu stellen. Es folgt eine weltweite Finanzkrise und im Jahr 2010 schlägt der chinesische Autohersteller Geely zu. Für 1,8 Milliarden Dollar. Ford hatte es geschafft, allein beim Verkaufspreis 4,65 Milliarden Dollar zu vernichten.

Für viele ist damit das Kapitel Volvo beendet. Ein chinesischer Investor würde es niemals schaffen, den Flair dieser schwedischen Nischenmarke zu erhalten. Doch Geely hat mit Volvo große Pläne. Die SUV-Welle kann Volvo dank chinesischem Geld – das während des Van-Trends in den 90ern fehlte – voll absurfen. Außerdem wird China quasi über Nacht zum wichtigsten Absatzmarkt der Schweden.

Volvo V60 Diesel-Plug-In-Hybrid (4 Bilder)

Einen Diesel-Plug-in-Hybrid hatte es seit dem Audi duo nicht mehr auf dem deutschen Markt gegeben.

Zusätzlich verkündet das Unternehmen die "Vision 2020". Darin heißt es, dass ab dem Jahr 2020 kein Mensch mehr in einem Volvo ernsthaft verletzt oder gar sterben soll. Und in Sachen Antrieb: "Ende 2020 wird kein neues Volvo Modell mehr ohne einen Elektromotor ausgeliefert. Das gesamte Volvo Portfolio ist dann elektrifiziert, entweder mit einem Mild-Hybrid, einem Plug-in-Hybrid oder mit einem vollelektrischen Antriebsstrang."

Im Dezember 2020 ist festzuhalten, dass Volvo dieses Ziel erreicht hat. Es gibt kein Modell mehr, das ohne Elektromotor zu haben ist. Auch wenn der bei einem "Mild Hybrid" das Auto nicht antreibt, sondern lediglich den Motor entlastet.

Ein Seitenweg zu diesem Ziel – der sich als (prestigeträchtige) Sackgasse entpuppen sollte – war der Volvo V60 mit einem Diesel-Plug-in-Hybridantrieb. Dabei handelte es sich um nicht weniger als den Albtraum aller Pfennigfuchser, der im Jahr 2012 Wirklichkeit werden sollte. Werden damit doch die teuersten und schwersten Technologien zu einem Antriebsstrang vereint. Dem ohnehin schweren 2,4-Liter-Diesel tüftelten die schwedischen Ingenieure einen Elektromotor und eine Lithium-Ionen-Batterie an die Seite.

Weil letztere, satte 150 Kilogramm schwer, unter dem Kofferraum untergebracht ist, schrumpft dessen Fassungsvermögen um 126 Liter auf 304 Liter. In einem 4,6 Meter langen Kombi wohlgemerkt. Das Leergewicht schnellt außerdem auf 2060 Kilogramm hoch. Zukunft klingt anders. Wohl wissend, baute Volvo lediglich eine Kleinserie von gerade einmal 1000 Stück.

Trotz des ambitionierten Preises – ab 56.900 Euro war der Mittelklasse (!) Kombi zu haben – gingen die Fahrzeuge weg. Das lag auch am geschmeidigen Elektromodus. Das Dickschiff schaffte mit einer Akkuladung eine Strecke von etwa fünfzig Kilometern. In der Wirklichkeit, nicht nur auf dem Papier. Leise, bei Bedarf mit sportlicher Beschleunigung und ohne nennenswerte Vibrationen. Könnte man klassischen Diesel-Verkehr mit seinem Genagel fotografieren, der Elektroantrieb im Volvo V60 wäre die Negativ-Aufnahme davon.

Auf dem Papier wirkte sich der Elektroantrieb folgendermaßen aus: Weil der Verbrauchszyklus davon ausgeht, dass der Wagen mit voller Batterie gestartet und mit leerer wieder abgestellt wird, ergibt sich ein Durchschnittsverbrauch von 1,8 Litern auf 100 Kilometern (48 Gramm CO2 je Kilometer). Beeindruckend. Das schraubt die theoretische CO2-Bilanz von Volvo nach unten.

Das mag realitätsfern klingen, macht aber deutlich, für wen dieses Fahrzeug Sinn ergibt. Für Kunden, die den Wagen auch tatsächlich über Nacht laden können. Im Schnitt legen Deutsche Autofahrer 39 Kilometer pro Tag zurück. Der Großteil davon entfällt auf den Arbeitsweg (hin und zurück insgesamt 32 Kilometer). Ein statistisch durchschnittlicher Arbeitstag ließe sich mit Volvo V60 Diesel-Plug-in also elektrisch erledigen lassen.

(fpi)