Tech2go: 123 Mittelzentren nicht per Bahn zu erreichen

Um die Frage, wie sich stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren und elektrifizieren lassen, geht es in der neuen Podcast-Folge von Technology Review.

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(Bild: Wikipedia/Marrrci)

Lesezeit: 3 Min.

238 für den Personenverkehr stillgelegte Bahnstrecken mit einer Gesamtlänge von mehr als 4000 Kilometern hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zur Reaktivierung vorgeschlagen. Im Podcast „Tech2go“ des Magazins Technology Review berichtet Martin Henke, VDV-Geschäftsführer für den Bereich Eisenbahn, über die „immense“ Resonanz auf diesen Vorschlag.

„Ich bin jetzt mehr als 20 Jahre Geschäftsführer beim VDV, aber so eine Reaktion hat es noch nie gegeben“, sagte er im Podcast. „Eine sofortige Reaktion der Politik war, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz mit erheblich besseren Voraussetzungen für die Reaktivierung und Elektrifizierung von Bahnstrecken auszustatten.“ Der Bund übernehme nun 90 Prozent der Kosten.

Doch warum sollte sich eine Strecke heute eher tragen als zu der Zeit, als sie stillgelegt wurde? Eine Grund dafür ist laut Henke ein gestiegenes Umweltbewusstsein. Vor allem aber habe sich die Finanzierung geändert. „Zu Zeiten der alten Bundesbahn sind teilweise Strecken stillgelegt worden, gerade weil sie viele Nutzer hatten – die DB hat mit jeder Fahrkarte Verlust gemacht. Dementsprechend schnell wollte sie sich aus dem Nahverkehr zurückziehen.“

Dies habe sich erst Mitte der Neunziger durch das Regionalisierungsgesetz geändert, das eine zusätzliche Finanzierung brachte. „Erst seitdem lohnt sich für Verkehrsunternehmen der Eisenbahnpersonenverkehr“, sagt Henke. In den 1990er und 2000er Jahren habe es viele erfolgreiche Reaktivierungen gegeben, zum Beispiel die Verbindungen von Düsseldorf nach Mettmann und Kaarst. In den letzten Jahren seien es aber wieder „etwas weniger“ geworden. Der neue Anlauf habe nun aber zu einer „Vielzahl von Initiativen“ bei „Bürgermeistern, Kreisdirektoren, Landräten, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, Industrie- und Handelskammern“ geführt, berichtet Henke.

Bei vielen Strecken sei der Aufwand zur Reaktivierung relativ gering – etwa, weil das Gleis noch für den Güterverkehr genutzt werde. Aber unter passenden Umständen lohne sich auch ein größerer Aufwand, bis hin zum kompletten Neubau einer Strecke. „Wir sind im Gespräch mit dem Bundesinnenministerium“, sagt Henke im TR-Podcast. „Es legt großen Wert darauf, dass alle deutschen Mittelzentren per Schiene erreichbar sind.“ Von den rund tausend deutschen Mittelzentren seien 123 derzeit nicht ans Schienennetz angeschlossen – darunter Städte wie Würselen, Niederkassel, Geesthacht oder Taunusstein mit immerhin 30.000 bis 40.000 Einwohnern.

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Auch der Aufwand zur Elektrifizierung sei heute geringer als früher. Für etwa 2000 der 4000 zur Reaktivierung vorgeschlagenen Kilometer sei der Bau einer Oberleitung relativ einfach möglich. Weitere 1400 Kilometer seien für Batterie-Oberleitungs-Hybridzüge geeignet. „Es gibt auf dem Markt schon Fahrzeuge, die bis zu 80 Kilometer ohne Fahrdraht schaffen“, sagt Henke. Der Einsatzradius solcher Züge ließe sich weiter ausweiten, indem man zur „Stützelektrisierung“ etwa regelmäßig ein paar Kilometer Oberleitung installiere, um die Batterien zu laden. „Das ist relativ preiswert“, so Henke. „Ich bin zuversichtlich, dass es ganz ohne Diesel oder Wasserstoff geht.“

Bis die ersten Nebenstrecken aber tatsächlich wiederbelebt werden, dürfte es noch etwas dauern. Henke: „Das ist ein zeitaufwendiger Entscheidungsprozess mit Kommunen, Ländern und Bund, der bestenfalls zwei Jahre braucht.“

Die ganze Folge als Audio-Stream (RSS-Feed) zum Anhören und Herunterladen:

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Eine Übersicht über die zu reaktivierenden Bahnstrecken sowie weitere Hintergründe finden Sie auch in der aktuellen TR-Ausgabe 1/2021 (jetzt am Kiosk oder hier zu bestellen). Alle bisherigen Folgen des TR-Podcasts finden Sie im Archiv. (grh)