Wechselakku vor dem Comeback – aber nicht in Elektroautos

Für größere Fahrzeuge gilt das Konzept austauschbarer Batterien als gescheitert. Bei E-Zweirädern und Leichtfahrzeugen bekommt es nun aber neuen Auftrieb.

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(Bild: Swobbee)

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Austausch-Akkus klingen nach einer bestechenden Idee: Statt langem Laden einfach eine frische Batterie aus einer Ladestation ziehen und weiterfahren. Doch halt: Ist diese Idee nicht mindestens schon einmal gescheitert?

Vor gut zehn Jahren wollte das US-Unternehmen "Better Place" gemeinsam mit Nissan und Renault schon einmal ein flächendeckendes Netz aus Wechselstationen für E-Autos aufbauen. Zeitweise wurde es als die Zukunft der Elektromobilität schlechthin gehandelt. 2013 aber ging es pleite. Das lag vor allem an zwei Problemen: Erstens lohnt sich das Ganze nur, wenn sich möglichst viele Autohersteller dazu bereit erklären, einheitliche Akkus zu benutzen. Zweitens braucht es mehr Akkus als Fahrzeuge, was Ressourcenverbrauch und Kosten in die Höhe treibt.

Also doch keine so gute Idee? Bei den Autos ist die Entscheidung tatsächlich längst Richtung Schnellladesäulen gefallen. Doch bei Leichtfahrzeugen und Zweirädern tut sich etwas: Honda, Yamaha, KTM und Piaggio haben angekündigt, gemeinsam austauschbare Batterien für Motorräder, Quads und Trikes zu entwickeln. Hinter den vier Herstellern verbergen sich noch die Marken Husqvarna, GasGas, Vespa, Moto Guzzi und Aprilia. Das Konsortium will seine Aktivitäten im Mai 2021 aufnehmen, interessierte Interessengruppen sind aufgerufen, sich der Unternehmung anzuschließen.

In Taiwan existiert bereits ein Netz mit mehr als 2000 Wechselstationen, betrieben vom taiwanesischen Roller-Hersteller Gogoro – nach dessen Angaben das "größte Batterietauschnetz der Welt". Doch außerhalb Taiwans konnte Gogoro nie richtig Fuß fassen. Die Roller selbst waren hierzulande zwar zeitweise unter der Flagge der mittlerweile eingestellten Bosch-Tochter Coup (die in Berlin von Tier übernommen wurde) unterwegs, aber ohne Wechselstationen.

Verglichen mit den Zahlen aus Taiwan klingen die 37 Wechselstationen, die das 2016 gegründete Berliner Start-up Swobbee derzeit in Deutschland und den Niederlanden betreibt, ziemlich bescheiden. Aber die Berliner wachsen schneller, als sie ihre eigene Homepage aktualisieren können: Auf der Presseseite ist noch von 16 Stationen die Rede, auf der Übersichtskarte von 25.

Zielgruppe sind Flottenbetreiber wie Sharing-Dienste oder Logistik-Unternehmen, die viele Lastenräder betreiben. Und Swobbee hat das, wozu sich die großen Motorradhersteller jetzt zusammengerauft haben, längst realisiert: Ein herstellerübergreifendes Tauschsystem von Akkus. Die Webseite verzeichnet noch Akkus von vier verschiedenen Herstellern: Greenpack, Kumpan, Torrot und Okai. Mittlerweile sei aber noch Segway Ninebot dazugekommen, ergänzt CEO Thomas Duscha am Telefon. Gemeinsam decken diese Akkus einen Fuhrpark von mehr als zwanzig Fahrzeugen ab: vom Scootern über Elektromopeds bis hin zu einer großen Vielfalt an Lasten-Zwei-, Drei- und Vierrädern.

Für diese Vereinheitlichung waren keine Gremien und keine Konsortien nötig, sondern schlichte betriebswirtschaftliche Logik: Gerade kleinere Hersteller profitierten doppelt davon, ihre Fahrzeuge um bereits existierende Akkus herum zu bauen, erklärte Duscha: Sie sparen Entwicklungskosten und bekommen günstigere Preise dank größerer Stückzahlen. "Der Greenpack kommt zum Beispiel gut in der Lastenradszene an", meinte Duscha. Darüber hinaus lassen sich die grünen Koffer auch als mobile Stromquelle für Camping, Baustellen oder Veranstaltungen nutzen.

Das Verhältnis von Akkus zu Fahrzeugen beziffert Duscha auf 1,25 – auf hundert Lastenräder kommen also rund 125 Akkus. "Wenn man in Schichten lädt und nicht immer nur zu Spitzenzeiten, braucht man nicht so viele zusätzliche Batterien", erklärt Duscha.

Die Kooperation von Honda, Yamaha und Konsorten begrüßt Duscha ausdrücklich. Die weiteren Pläne: Künftige Ladestationen sollen rückspeisefähig werden, damit sie als Netzpuffer dienen können. "Und wir wollen uns dem Consumer-Markt öffnen", kündigte Duscha an. Details dürfe er aber noch nicht nennen. Wenn vier der größten Motorradhersteller tatsächlich irgendwann einheitliche Akkus haben sollten, dürfte eine wesentliche Hürde in dieser Richtung jedenfalls wegfallen. (grh)