Test Mercedes-Benz EQV: Ist der Elektro-Kleinbus für Reisen geeignet?

Es hat lange gedauert, aber mittlerweile gibt es elektrische Kleinbusse mit reisetauglichen Reichweiten. Der Mercedes EQV zeigt, was geht – und was das kostet.

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Mercedes EQV

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Elektrische Busse kämpfen mit ihrem hohen Energiebedarf aus der großen Frontfläche. Viele Modelle empfehlen sich daher nur für die letzte Meile im Liefer- oder Handwerkereinsatz. Mercedes bringt mit dem EQV einen Elektro-Kleinbus, der erfreulich reisetauglich auch mehrere hundert Kilometer am Tag fährt.

Gleich vorab: Wer auf die schöne Pkw-Kabine des EQV verzichten kann, findet im Mercedes eVito Tourer Pro denselben Antrieb mit einer typischen Van-Kabine mit Plastik und Minimalradioanlage statt Leder, Wurzelholz und MBUX-Mittelkonsole. Das kostet dann mindestens 64.248 Euro statt die 71.388 Euro des EQV, liegt dann also obendrein noch im förderfähigen Bereich. Preisvergleich: Eine V-Klasse "Edition" in der Langversion oder die Reisemobil-Variante Marco Polo "Activity Edition" (beide mit Hinterradantrieb) gibt es ab unter 52.000 Euro.

Die elektrischen Varianten der Busplattform kommen bisher nur mit Frontantrieb. Der funktioniert gut, wenngleich ihm natürlich auch die Steigfähigkeit eines Hinterachsantriebs fehlt, vor allem mit Ladung. Wie beim Ford Transit PHEV fällt die schwierigere Fahrpedaldosierung beim Rangieren auf. Verdacht: Vielleicht liegt das an der zur Masse nötigen anderen Ansteuerung des E-Motors im Vergleich zu Mercedes-Pkws. Nachgefragt: Ja, ist so. Ob das noch jemand im Van-Bereich elektrisch besser hinbekommt, müssen wir abwarten. Technisch spräche nichts dagegen, geringes Anfahrdrehmoment fürs Rangieren in der Ebene und erhöhtes Drehmoment für den ganzen Rest zu implementieren.

Mit 150 kW Boost-Leistung fühlt sich der Wagen ausreichend motorisiert an. Damit fährt der EQV auf Wunsch bis 160 km/h. Diese Höchstgeschwindigkeit kostet 181 Euro Aufpreis für ein Bit umschubsen. Serie sind 140 km/h Topspeed mit unumgeschubsten Bit. Die Hardware ist bei beiden Geschwindigkeitsvarianten identisch. Die Dauerleistung liegt bei 70 kW.

Der EQV fährt wie ein Bus. Es schaukelt ein bisschen. Die Bremse regelt früh und gibt wenig Feedback: tendenziell etwas früher und ruhiger bremsen. Es gibt beim EQV auch keinen merklichen Elektrobonus mit "tiefer Schwerpunkt blafasel". Er fährt ein bisschen wie eine mit Latten beladene V-Klasse: nicht schlecht, aber auch nicht so, dass man jetzt von "Spaß" sprechen möchte. Der E-Motor ist natürlich toll: kein Schalten, kein kalter Dieselgeruch, kein schepperndes Röhren unter Volllast.

Mercedes-Benz EQV außen (16 Bilder)

Der EQV fährt okay. Er ist eben trotz allem ein Bus.
(Bild: Clemens Gleich)

Auch das gesetzlich vorgeschriebene Langsamfahrgeräusch gefiel beiden Testern sehr gut. Zunächst denkt man, es gebe gar keinen Soundgenerator. Er ist aber vorhanden, in mehr als der vorgeschriebenen Mindestlautstärke. Daimler sagte auf Nachfrage, die zwei Lautsprecher vorne und hinten erzeugen ein Geräusch sehr ähnlich des Reifengeräuschs, sodass man es nicht mehr gesondert wahrnimmt. Selbst wenn man es weiß, fällt es nur direkt daneben auf, nur bei Konzentration darauf. Sonst kaum.

Daimler baut das so, damit der EQV vor allem in Ballungsräumen den Leuten nicht mit Gedudel auf die Nerven geht, was ich für den richtigen Weg halte. Wir haben aktuell Gesetze, die BEV und PHEV vorschreiben, dass sie lauter sein müssen als eine ganze Reihe gut gedämmter Verbrennerautos bei Schrittgeschwindigkeit. Der EQV zeigt, dass ihr Geräusch wenigstens nicht nerviger sein muss.