Test Mercedes-Benz EQV: Ist der Elektro-Kleinbus für Reisen geeignet?

Seite 2: Verbräuche

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Die Fahrhilfen im EQV liegen nicht auf dem aktuellen Niveau der Mercedes-Limousinen, aber es gibt dennoch keinen Bus, der hier mehr oder Besseres zu bieten hätte. Am besten gefiel mir die automatische elektrische Bremse: Vor Ortschaften, vor Kurven, bergab, bei Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Autobahnausfahrten rekuperiert der EQV meistens rechtzeitig auf Zielgeschwindigkeit. Daran gewöhnt man sich sehr schnell und lässt sich dann vom Auto zu einem runden, effizienten Fahrstil helfen.

Nun war der jedoch nicht der Hauptfaktor bei der Verbrauchsmessung. Nein, der Hauptfaktor waren Temperaturen von 14 bis 18° C, bei denen der EQV praktisch keine Heizung brauchte. Die Messwerte entstanden also unter idealen Bedingungen, gehen Sie abseits von diesen mit Heizung im Kurzstreckenbetrieb lieber von 20 bis 30 Prozent mehr aus.

Auf der Landstraße maß ich 33,8 kWh/100 km brutto bezahlt an der Ladesäule. Das interne Netto-Schätzeisen zeigte dabei 29 kWh/100 km an. Die Fahrt enthielt einige Fahrpedaltritte des Fotofahrers, sodass Sie auf der Landstraße bei entsprechend optimalen Temperaturen bessere Werte erreichen können. Auf der Autobahn mit VMax 130 km/h nach Tempomat maß ich 36,0 kWh/100 km brutto (32 kWh/100 km netto laut Schätzeisen).

Anhand der großen Frontfläche ist das a) ein ganz guter Wert und b) bedeutet er, dass (bei deutscher Richtgeschwindigkeit) Autobahnetappen von über 200 km realistisch sind. Das tolle Navi hilft bei der Ladeplanung. Bonus: Das MBUX kann die Ladesäule freischalten. Malus: Es rechnet nur nach Mercedes "Me Charge" ab, das nur für Ionity feste Preise (29 ct/kWh) bietet und sonst wo gern 70 Cent/kWh und mehr kostet (siehe Bilder an der EnBW-Ladesäule). Immer aufs Preis-Popup achten!

Mercedes-Benz EQV innen (16 Bilder)

Die tolle Kabine lässt sich Mercedes gut bezahlen. Wem Van-Ambiente reicht, schaut sich den eVito mit gleichem Antrieb an.

(Bild: Clemens Gleich)

Am Schnelllader zieht der EQV bis 110 kW netto in die Batterie, auf der Anzeige der Säule steht dann der Bruttowert inklusive Ladeverluste von (bei mir) bis 119 kW. Das klingt zwar angesichts der großen Batterie nicht viel, dafür hält der EQV die hohe Ladeleistung lange, für einen brauchbaren Durchschnittswert. Zusammen mit MBUX, Schalldämmung und Kuschelkabine empfand ich den EQV als tolles Reiseauto. Wie so oft bietet Mercedes für den EQV zusätzliche Schalldämmung ab Werk an: Das "Akustikpaket" kostet 317 Euro Aufpreis.

Für die Kabine vorne kauft niemand einen Bus. Es geht um hintere Werte, von denen der EQV einige hat. Der Laderaum ist mit dem Mercedes-Schienensystem ausgestattet, auf dem Stühle oder Sitzbänke nicht nur verschoben, sondern auch umgedreht werden können. Beliebt hier: die sogenannte "Konferenzbestuhlung", bei der sich die Passagiere hinten ansehen können. Mercedes verwendet diese immer beim Shuttle-Betrieb der V-Klassen ihrer Veranstaltungen, innerhalb derer ich mehr V-Klassen-Kilometer als Passagier als als Fahrer gefahren bin. Hinten ist es super. Getränkehalter, Stromstecker (12 Volt KFZ-Stecker) und LED-Lichter runden den Sitzraum ab.

Dazu gibt es in der Aufpreisliste einen Tisch mit Getränkehaltern und Stiftmulde (830 Euro), eine zur Liege umlegbare Sitzbank (1073 Euro), eine zweite Schiebetür auf der linken Seite (926 Euro), Panorama-Schiebedach (3368 Euro), Dachreling (476 Euro), drehbare Sitze vorne (839 Euro für beide), Mittelkonsole mit Kühlfach (2542 Euro) und viele andere Dinge, die den EQV zum perfekten Picknicker machen. Dritthersteller bieten weiteres Campingzeug für die Schienen an, zum Beispiel herausnehm- oder -fahrbare Kompaktküchenmodule. Leider fehlt ein bidirektionales Ladegerät à la Hyundai Ioniq 5. 230-V-Schuko-Stecker mit bis zu 16 Ampere wären am EQV perfekt.

Im Testwagen verbaut: plüschiger Teppichboden. Wenn man den einmal schief anschaut, ist er schon unrettbar dreckig. Vertrauen Sie einem erfahrenen Van-Piloten und wählen Sie den glatten Plastikboden. Den kann man abwaschen und er kostet keinen Aufpreis. Es reicht im Freizeitbetrieb schon der Problemkreis "Schienensystem & Sand".

... ist es eine Preisfrage. Anhand der Eckdaten, anhand der Art, wie der EQV Kilometer frisst, die Passagiere hinten beherbergt, da müssten viele E-Bus-Interessierte keine Sekunde nachdenken, ob sie so etwas haben wollen würden: Her damit! Aber ach: Der Preis! Dieses Auto muss seine Nischen finden, und anhand seiner zahlreichen Qualitäten bin ich mir sicher, dass es dort Kunden gibt. Die Van-Gemeinde hofft indes auf VWs kleineren ID.Buzz und dort wohl auf eine für Volkswagen eher untypische Preisgestaltung.