Bundestag: Heftiger Schlagabtausch über Klimaschutz, CO2- und Spritpreise

Die Grünen warfen der Großen Koalition bei einer Debatte zur Klimaschutzgesetz-Reform ein "unverantwortliches Handeln" und das Schüren von Ressentiments vor.

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(Bild: Halfpoint/Shutterstock.com)

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Im Bundestag prallten am Donnerstag Redner der Regierungsfraktionen und der Opposition im Streit über die Klimapolitik rhetorisch frontal aufeinander. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete Klimaneutralität als das wichtigste Projekt unserer Zeit, das im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig sei. Die Große Koalition habe hier aber nicht nur "wahnsinnig viel Zeit verloren", sondern schüre auch jetzt noch für eine Boulevard-Schlagzeile Ressentiments und handele daher unverantwortlich.

Stein des Anstoßes: Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warnte jüngst vor einer "Spritpreisschraube", nachdem die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, dafür eingetreten war, die Kosten für Benzin und Diesel um insgesamt 16 Cent zu erhöhen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unterstützte Scholz. Damit versucht die Große Koalition laut Hofreiter, die gesellschaftlichen Mehrheiten, die es momentan für die erforderlichen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel gebe, zu untergraben.

Eine "ganz Große Koalition der Heuchelei", witterte die Grüne Sylvia Kotting-Uhl in den jüngsten Äußerungen aus dem Regierungslager: Der Preisansatz von Baerbock sei realistisch. Für Hofreiter steht außer Frage, dass "die gigantische Aufgabe" nicht mit Poesiealbum-Sprüchen und Verkürzungen erreicht werden könne. Es brauche eine angemessene CO2-Bepreisung und eine offensive Förderpolitik. "Wir müssen Bahn, Bus und Fahrrad ausbauen und möglichst schnell raus aus dem Verbrennungsmotor", betonte Hofreiter. "Wir können keine Wunschliste machen", was einem gerade wahlkampfstrategisch in den Kram passe. Es sei dringend nötig, mit allen Instrumenten zu handeln.

Die Beschäftigten der Autoindustrie sorgten sich um Arbeitsplätze, Menschen auf dem Land um ihre Mobilität, erkannte Hofreiter an. Die Grünen wollten daher einen Fonds für besonders Betroffene auflegen. Mit Klimazuschüssen müssten Geringverdiener beim Anschaffen von Elektroautos oder Wärmepumpen unterstützt werden. Vermieter sollten zudem die vollen CO2-Kosten für die Heizung übernehmen.

Anlass für die Aussprache war die 1. Lesung des Entwurfs der Bundesregierung zur Reform des Klimaschutzgesetzes. Er sieht vor, dass Deutschland in den kommenden Jahren deutlich mehr CO2 und andere klimaschädliche Gase einsparen muss als zunächst geplant. Die Bundesrepublik muss demnach bis 2045 klimaneutral werden. Bislang sollten die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf netto null sinken. Das Zwischenziel für 2030 wird laut dem Entwurf von derzeit 55 auf 65 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht.

Das Vorhaben, das noch weiter gehen könnte, sei erzwungen vom Bundesverfassungsgericht, monierte Hofreiter. Die Koalition habe es aber versäumt, für die höheren Ziele die dafür notwendigen und ausreichenden Maßnahmen mitzuliefern. CDU/CSU blockierten weiterhin einen Ausbau der erneuerbaren Energien und einen vernünftigen sozialen Ausgleich. Dieses Versagen sei von der Öffentlichkeit aber längst eingepreist gewesen.

Schwarz-Rot habe "viel zu lange die Augen zugekniffen", beklagte auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Jetzt werde die Klimapolitik zu einem Schnellschuss. Ohne die vielen jungen Leute, die auf den Straßen gegangen seien, und die Karlsruher Richter wäre die Koalition nicht weitergegangen. Nun sei es absurd, "vor allem an der Preisschraube zu drehen" und parallel wenig für die Bahn sowie die Langlebigkeit und die regionale Herstellung von Produkten: "An den Strukturen ändern Sie so gut wie nichts."

Dies sei eine Politik "auf Kosten der Pendler, der Familien und der ganz normalen Leute", bescheinigte Bartsch der Regierung. Seit Jahresbeginn zahlten die Menschen bereits "für Sprit und Heizung einen satten Aufpreis". Dank Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sei Deutschland "Europameister bei den Strompreisen". So werde Klimaschutz zur "Abzocke".

Die geplante Novelle zeige keinen Pfad auf, "wie wir die Freiheit der kommenden Generationen schützen", kritisierte Lukas Köhler (FDP). Sie enthalte nur jährliche Ziele, die wie gewürfelt erschienen. Das rieche nach Planwirtschaft. Zudem gebe es keine europäisch eingebundene Strategie. Dazu komme ein Etikettenschwindel, da etwa im Verkehrssektor ohnehin bereits mit der alten Vorgabe ein Minus von 65 Prozent nötig gewesen wäre. Die Koalition verschweige auch, dass Negativemissionen gebraucht würden und habe so "gar nichts erreicht."

Die Regierung doktere nur an den Symptomen herum, wetterte Rainer Kraft (AfD). Die Koalition nehme die Abholzung von Wäldern und die Industrialisierung von Flächen in Kauf. Dies sei ein Verstoß gegen die Nachhaltigkeitsziele. Dazu kämen "sozialistische Hammermethoden", die Bürger bekämen "Steuern und Abgaben übergebraten".

Das Bundesverfassungsgericht wolle mehr Klimaschutz und mehr Generationengerechtigkeit genauso wie eine "breite Mehrheit in der Gesellschaft", unterstrich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Wir setzen dieses Urteil sehr gerne um." Dabei werde auch der "soziale Ausgleich organisiert". So sei es nur gerecht, den CO2-Aufschlag für Heizungen zumindest hälftig zwischen Vermietern und Mietern aufzuteilen. So gebe es einen Anreiz, "die alte Ölheizung endlich rauszuschmeißen".

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"Wir wollen eine moderate Bepreisung" von CO2 und den Strompreis senken", erklärte Anja Weisgerber (CSU): "Wir machen Politik mit Augenmaß." Die Koalition betrachte auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft und setze auf die Akzeptanz der Menschen: "Wir wollen Begeisterung, nicht Askese." Wichtig sei es etwa, auf Wasserstoff zu setzen, um die Dekarbonisierung in der Industrie zu fördern. Nötig sei es zudem, "die Entwicklungs- und Schwellenländer dazu bringen", ihre Wirtschaft klimaneutral aufzubauen.

(olb)