Geheimsache Realverbrauch: Daten der Autohersteller bleiben unter Verschluss

Hersteller müssen seit 2021 den realen Verbrauch im Auto erfassen. Nun wurden erstmals Daten an die EU übermittelt, doch Verbraucher erfahren davon nichts.

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Seat Arona TGI

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
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Fuel consumption monitoring, abgekürzt FCM: Hinter diesem Begriff steckt die Erfassung von realen Verbrauchswerten in jedem aktuellen Auto. Die Art der Überwachung wurde mit der Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM eingeführt, die für alle erstmals zugelassenen Fahrzeuge in der EU seit dem vergangenen Jahr Pflicht ist. Hersteller haben nun erstmals diese Daten an die Europäische Union übermittelt. Welche Erkenntnisse diese daraus konkret ziehen wollen, ist derzeit unklar. Fest steht bislang nur: Verbraucher bekommen die Werte zumindest vorerst nicht zu sehen.

Mit dem FCM sollte alles besser werden: Die Behörden hätten endlich reale Daten aus dem laufenden Betrieb. So ließe sich ablesen, was ein Modell in der Hand des Nutzers im Schnitt verbraucht. Schließlich ist es mehr als nur eine vage Vermutung, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Werte bestenfalls im Ausnahmefall etwas mit der Praxis zu tun haben. Besonders drastisch sind die Abweichungen bei den Plug-in-Hybriden. Sie werden nach bisherigen Studien vergleichsweise selten so genutzt, wie es in der Idealvorstellung von Politikern ursprünglich gedacht war. Mit den übermittelten Daten ließe sich das belegen.

Dann käme die Verteidigung von hohen PHEV-Subventionen ins Wanken. Denn das über Plug-in-Hybride so reichlich verteilte Steuergeld bringt der Umwelt selten einen Vorteil. Das liegt nicht nur daran, dass diese Autos nicht häufig genug aufgeladen werden, sondern auch, dass der Verbrauch von Strom und Kraftstoff zu hoch ist. Der tatsächliche Stromverbrauch, gemessen ab dem Stromzähler, liegt im Jahresmittel oftmals über 30 kWh/100 km.

Mit der Offenlegung der realen Verhältnisse dürfte vor allem die Autoindustrie ein Problem haben. Denn das Geschäft mit den Plug-in-Hybriden läuft prächtig, Zuschüssen für Kauf und Unterhalt sei Dank. 325.449 PHEV wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, und ohne den Chipmangel wären es wohl nochmals deutlich mehr geworden. Die Nachfrage nach einigen Modellen ist derart hoch, dass einige Hersteller keine Bestellungen mehr annehmen. Ein Ende des Booms hierzulande zeichnet sich mit der Neuregelung der Förderung ab.

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Abweichungen von den auf dem Prüfstand ermittelten Werten gibt es natürlich auch bei anderen Antrieben, doch die Differenzen sind nicht ganz so heftig. Beispiel VW Tiguan: VW verspricht für den eHybrid im WLTP 1,5 Liter, im Test waren es ohne Aufladung ab 5,7 Liter/100 km oder, rein elektrisch, ab 30 kWh/100 km aufwärts. Für den 110-kW-Diesel werden im Zyklus 4,5 bis 5,1 Liter signalisiert, bei Spritmonitor kommen die meisten Nutzer auf etwas mehr als 6 Liter.

Die spannende Frage bleibt, was die Politik für Schlüsse aus den nun vorliegenden Erkenntnissen zieht. Noch steht nicht fest, in welche Richtung sich beispielsweise die Subventionen für Plug-in-Hybride ab dem kommenden Jahr entwickeln. Ziemlich sicher ist derzeit nur, dass es nicht mit den bisherigen Summen weitergehen dürfte, sosehr die Autoindustrie hinter den Kulissen bemüht sein wird, sich das einträgliche Geschäft nicht vorzeitig stilllegen zu lassen. Jutta Paulus, Mitglied der Grünen-Fraktion im Europaparlament, nennt PHEV eine "klimaschädliche Sackgasse". Sie sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich erwarte, dass die Kommission auf Grundlage ihrer Auswertung schnellstmöglich gesetzgeberische Maßnahmen einleiten wird, die mit der Erreichung des Klimaziels bis 2030 übereinstimmen."

Plug-in-Hybride werden mit reichlich Steuergeld gefördert. In den meisten Fällen ist ihr Vorteil gegenüber einem vergleichbaren Modell mit alleinigem Verbrenner allerdings überschaubar. Im Bild: Skoda Octavia Combi 1.4 iV (Test)

(Bild: Pillau)

Unterstützung bekommt sie von der Umweltorganisation BUND und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des BUND, meint, dass von den Autoherstellern erwartet werden könne, die Realwerte zu veröffentlichen, um Kunden besser zu informieren. Auch Jürgen Resch von der DUH plädiert für eine Veröffentlichung der Erkenntnisse, damit die Menschen sehen könnten, welcher Autohersteller mit seinen Angaben ehrlich sei.

Die Chancen darauf, dass sich in der Industrie freiwillig jemand dazu entschließt, dürften recht übersichtlich sein. Eine gut ausgestattete Lobby wird darauf verweisen, dass es mit dem WLTP Werte gibt, die unter vergleichbaren Bedingungen entstanden sind. Die Politik gerät mit den Realverbräuchen allerdings in doppelten Zugzwang: Sie kann die Ergebnisse weder folgenlos verschwinden lassen noch dauerhaft geheim halten. Für die Verbraucher wird ersteres fraglos interessanter als letzteres, denn dass der Verbrauch ihrer Autos mehr oder weniger von dem abweicht, was der Prospekt verspricht, dürfte kaum jemanden ernsthaft überraschen.

(mfz)