Porsche 911 Carrera 2.7 RS: Das Gute und das Bessere

Alte Porsches. "Hach", sagt der mittelalte Autofreund. Doch die beliebte Form sorgte für bedenkliche Aerodynamik. Der RS brachte 1972 bahnbrechende Lösungen.

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Porsche 911 2.7 RS

(Bild: Porsche)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

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Wir unterbrechen unser Programm über Energiepreise, die Rolle des PKW in der Gesellschaft und dessen elektrische Antriebe für einen Rückblick in die Gute Alte Zeit (tm), in der Männer noch richtige Männer waren, Frauen noch richtige Frauen und kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri noch richtige kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri. Liegen Sie bitte Ihre rosa getönte Brille bereit, denn es wird Szenen mit einem sehr gelben Porsche 911 Carrera 2.7 RS "Touring" geben.

Doch zunächst muss die Brille unten bleiben. Wir brauchen den ungetrübten Blick durch das klare Glas, denn der zeigt: Der Porsche 911 war in den Siebzigern eine Konstruktion voller Probleme. Mit der heutigen funktionalen Reife der Konstruktion hatten alte Porsches nichts zu tun. Ihre Gewichtsverteilung zusammen mit ihrem eigenwilligen Achsen-Lastwechselverhalten brachten ihnen den Ruf von "Heckschleudern" ein, weil sie genau das ganz gern taten: mit dem ausbrechenden Heck schleudern.

Am ärgsten war jedoch die Aerodynamik. Es wurde schon damals viel über die elegant runden Linien geschrieben, doch der Physiker sieht sogleich: Der 911 sieht aus wie eine Tragfläche. Damit generierte er Auftrieb wie eine Tragfläche. Die elegante Nase ließ zudem viel Luft unter die ohnehin leichte Front (unter 40 Prozent Achslast vorn), sodass Porsche in den Sechzigern zur Verzweiflungstat geschritten war, Bleiklötze in die vordere Stoßstange des 911 zu montieren.

1970 war Tilmann Brodbeck zu Porsche gestoßen. Er hatte Maschinenbau und Aerodynamik studiert, und er wollte damit entweder zu Porsche oder in den Flugzeugbau gehen. Der erste Wunsch ging in Erfüllung. "Ich erinnere mich mit Grauen, wie die alten Hasen mich als Neuling einweihten", erzählt Brodbeck. "Wir fuhren in 911ern mit über 200 km/h durch die Kasseler Berge. Der Autobahnabschnitt war damals komplett unbeschränkt. Wie das Auto dort unter mir bockte, das war schon arg. Aber ich habe mich als Neuling nicht getraut, abreißen zu lassen."

Schon diese frühe Erfahrung seiner Porsche-Karriere verriet Brodbeck, welche großen Baustellen es konstruktiv-funktional am 911 gab. Die zeigten sich zudem bald im Feld, als Mitbewerber begannen, die 911er beim Kundensport auf der Rennstrecke im Geläuf zu überholen. Da schrillten die Alarmglocken in Zuffenhausen und Weissach.

August Achleitner (l) und Tilman Brodbeck (r) erklären am Playmobil-RS, wie das damals war.

(Bild: Porsche)

"Auf den Geraden konnte der 911 mit Motorleistung punkten", sagt Brodbeck, "aber schnelle Kurven fuhren sich in manchen Konkurrenzmodellen schneller. Dass da ein Ford Capri den teuren Porsche überholt, das ging natürlich gar nicht. Ich meine: Der Ford Capri war ein tolles Auto, aber das ging trotzdem gar nicht." Die Firmenleitung befahl der Technik: "Macht was!". Die Tür ging zu, und Tilman Brodbecks Vorgesetzter sagte dem Neuen: "Du hast es gehört: Mach was!" Und damit ließ er ihn stehen.

Damit die Aufgabe nicht zu einfach wurde, lautete die Vorgabe zudem: Die Lösung musste nachrüstbar sein für die Bestandskunden. Brodbeck begann mit der Front. Im Windtunnel experimentierte er mit Stiften, Seilen und Fingern, um Luft zu den Seiten umzuleiten, damit weniger davon unter das Auto flog. Aus den Erkenntnissen fertigte das Team einen Frontspoiler aus GfK, der schon allein den Auftrieb um ein Drittel reduzierte. Ein Serienteil aus Stahl hätte jedoch ein Jahr Werkzeugvorlauf gebraucht.

Mit Spoilerkit nachgerüsteter 911 auf einer Winter-Rallye. Nachrüstbarkeit für die Bestandskunden war ein Muss.

(Bild: Porsche)

Bei GfK dagegen gab es die Sorge, dass die Unfalleigenschaften zu schlecht würden. Ein Parkrempler würde das Bauteil bereits zerstören. Hier traf Ferdinand Piëch eine seiner markanten Entscheidungen: "Das ist doch super. Dann verkaufen wir mehr Ersatzteile." Und genau so war es dann, als das Teil für den 911 S Premiere hatte. Kein Kunde beschwerte sich darüber, wenn er aufgrund eines eigenen Fehlers den Frontspoiler nachbestellen musste.