Porsche 911 Carrera 2.7 RS: Das Gute und das Bessere

Seite 3: Alte Autos fahren

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Zum 50. Geburtstag durften die alten Schätzchen eine Runde um den Schwarzwald joggen. Ich steige also ein in die Geschichte in Form eines weißen RS "Sport". Plumps, Schalensitz mit moosgummidünner Polsterung, wie ich es mag. Der bestimmende Aspekt beim Fahren eines alten Autos liegt bei mir stets darin, wie gut das alles damals schon funktionierte. Nicht besser als heute, aber viel besser, als der Laie das vermuten möchte. Immerhin ist dieses Auto schon 50 Jahre alt, obwohl Porsche es natürlich so gepflegt hat, dass es fährt wie vorgestern aus dem Händlerschaufenster genommen.

Ein harter Arbeitstag beginnt. Die müssen jetzt alle gefahren werden.

(Bild: Porsche)

Der Hauptunterschied zu moderneren Autos: Statt einer Kaltstartautomatik musst du dem Einspritzmotor beim Starten etwas Gas geben, entweder mit dem Fußpedal oder mit dem Hebelchen neben dem Sitz, das ebenfalls die Drosselklappen etwas öffnet zur Kaltstart-Drehzahlanhebung. Diese Lösung sah man bei Motorrädern noch bis in die Gegend der Jahrtausendwende. Wenn der Boxer dann läuft, lässt er sich kaum aus der Ruhe bringen, nicht vom Gezuckel durch Ortschaften und erst recht nicht davon, wenn er Richtung Rot auf dem Drehzahlmesser singen muss, um dort herauszubeschleunigen.

Die Freude des Sauger-Drehzahlmotors werde ich kommenden Autofahrergenerationen kaum textlich vermitteln können. "Ich muss also in den oberen, lauten Drehzahlbereich hoch, um voranzukommen? Und unten geht wenig? Ich weiß nicht. Mein Elektrohybriddiesel kann das besser." Für mich schafft so ein Motor die Kompromissschere zwischen sparsam (12-Liter-ish im RS) und brav beim Bummeln und feurig, wenn es drauf ankommt (16 bis 20+ Liter) so klar wie ein Mensch mit gespaltener Persönlichkeit und kaum weniger interessant.

Porsche 911 Carrera RS 3.8 Clubsport (4 Bilder)

Tolles Auto, dieser 2.7 RS. Betrachtet durch die Pommestheke des RS 3.8 Clubsport immer noch toll, aber das schnellere Auto ist das blaue.
(Bild: Porsche)

Klar sind im RS vor allem die Rückmeldungen aus der Umwelt, da nur durch dünnes Blech gedämmt. Bei alten Porsches siehst du, wo die Vorderräder laufen: unter den zwei Kanonenrohren, die im Sichtfeld hängen, das bei idealer Sitzhöhe die abfallende Motorhaube gerade so verschwinden lässt. Im RS hörst du die Reifen jedoch zusätzlich. Und das Getriebe. Und das damals optionale Sperrdifferenzial, das sich der Käufer 1973 gönnte. Der Wagen wiegt wenig genug, dass eine Servolenkung entfallen kann. Das werden die Jungen ebenfalls nie mehr erleben: Ohne Servos spürst du zehnmal so viel Straßen-Feedback von der Vorderachse.

"PENG!" macht es unter dem Auto, als hätte jemand einen Kanonenschlag darunter geworfen. Was heute per elektronischer Spielerei eingespielt wird wie eine alte Sampling-Leier, war damals ein Nebeneffekt der Gemischabstimmung. Der Sport-RS läuft etwas fetter als der gelbe Touring, sagt die Porsche-Technik über ihre Museumsstücke. Vielleicht angesichts der Größenordnung der Explosionen etwas zu fett für die Landstraße, aber ich habe keinen Zweifel, dass dieses Ding noch sehr nahe an seine fabrikneu-Rundenzeiten herankommt, wenn von kundiger Hand geführt.

Porsche 911 Carrera 2.7 RS (8 Bilder)

Der RS begründete eine Dynastie rennsportorientierter 911er. Hinter ihm in der Reihe zwei prominente RSR-Renn-Porsches.
(Bild: Porsche)

Der Touring kann im Grunde das Gleiche wie der Sport, nur alles gedämpfter, hinter mehr Polsterung, weniger Schalldruck, mehr Gewicht und es patscht (in diesem konkreten Vergleich) sogar deutlich weniger. Es bleibt mir persönlich ein Rätsel, wieso so viel mehr Touring- als Sport-Pakete verkauft wurden und werden. Wieso kaufe ich mir eine Flasche Château Lafite, wenn ich den Wein mit Wasser verdünnen will? Des Rätsels Lösung wird in der menschlichen Natur liegen: Man will das Prestige des RS, aber eigentlich den normalen 911 fahren. Das Touring-Paket erlaubt seit den Siebzigern so einen Spagat.

Auf die Frage "Welcher ist dein liebster Porsche?" pflegte Ferry Porsche stets zu sagen: "Der, der gerade in Weissach entwickelt wird." Denn das Bessere ist des Guten Feind. Daran musste ich denken, als ich erst in den 964er Carrera RS mit dem automatisch ein-/ausfahrenden Spoiler und schließlich in den 993er Carrera RS 3.8 Clubsport stiegt. Vergessen wir den 964 einmal, denn das ist ein gutes Auto, aber es verblasst neben dem babyblauen 3.8 wie ein Fernsehbild mit abrupt gezogenem Stecker. Der Clubsport war meine Art von Auto: Blechboden, weil selbst Teppiche ja etwas wiegen.

Der RS war ein Wendepunkt für den 911 und seine Tradition führt das Werk im GT3 fort. Der schnellste ist immer der nächste.

(Bild: Porsche)

Ein Schalensitz, der dich festhält wie ein Affe mit Panikattacke. Käfig, damit er an Rennen teilnehmen darf. Gigantische, knotige Pommestheke hinten drauf, die das Heck andrückt. Alles vom Feinsten, aber vom Feinsten nur das Nötige. Der Clubsport fährt wenig verwunderlich Kreise um den ersten RS, das merkt man selbst den Museumsautos nach all dieser Zeit sofort an. "Natürlich schwärmen alle davon, wie schön schmal alte Porsches sind", sagt Tilman Brodbeck später. "Aber bei der Fahrdynamik fahren ihnen die neueren Modelle zügig davon. Und gerade der 993 markierte das Ende vieler konstruktiver Schwächen des 911. Er war sehr gesund."

Die Gesundheit des Oldies (ja, in ein paar Jahren erhält der Clubsport sein H-Kennzeichen) zeigt sich, als bei etwa 200 km/h auf der Autobahn ein Handy-Blinder direkt vor mir mit etwa halber Geschwindigkeit in meine Spur zieht. Die von der Presse damals hochgelobten Bremsen des Clubsport beißen sofort hart zu, die Räder blockieren schnell in lautem Quietschen. Die Bremsen nebst sportlich spät regelndem ABS wurden damals zu Recht von der Fachpresse gelobt. Mein Hintermann hupt den Handyblinden beim Vorbeifahren an.

Porsches erster GT3 RS fuhr natürlich noch besser als der Clubsport.

(Bild: Porsche)

Ich dagegen bin tiefenentspannt. Für den blauen Porsche war da noch massig Raum für eventuelle Notfallmanöver – Raum für mehr Bremsung, Raum für einen Schlenker, mit 300 PS sogar Raum für eine Flucht nach rechts vorne. Was für ein tolles Auto! Und doch weiß ich aus direkter Erfahrung, dass Herr Porsche immer Recht behielt: Das nächste Modell fährt noch besser. Dafür wurde es schließlich gebaut.

(cgl)