Fahrbericht Honda CRF 300 Rally: Micro-Adventure

Die größte Fahrfreude bieten die leichtesten Fahrzeuge. Das gilt ganz besonders für Geländemotorräder wie die kleine CRF, die Honda immer weiter perfektioniert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 24 Kommentare lesen
Honda CRF 300 Rally

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Adventure Bikes sind immer noch schwer angesagt, wobei die Betonung auf "schwer" liegt. Viele Reiseenduros verfügen zwar heute über riesige Hubräume und die Top-Motorisierungen leisten bis zu 170 PS, aber die Geräte bringen auch über fünf Zentner auf die Waage. Da besteht das Abenteuer eher darin, das Schwergewicht durch den Dreck zu wuchten, ohne darunter begraben zu werden.

Honda bietet als Gegenentwurf mit der CRF 300 Rally eine sympathische Alternative an. Sie ist leicht, handlich und bemerkenswert geländetauglich, aber eben auch alles andere als ein Kraftprotz.

Ich kann mich noch gut an den Test der Honda CRF 250 Rally vor fünf Jahren erinnern. Die im schicken Rally-Stil gehaltene Enduro mit Windschild und vergrößertem Tank stellte die reisetaugliche Variante der Enduro CRF 250 L dar. Schon damals machte die Rally ihre Sache ausgesprochen gut, surfte gelassen über kurvige Landstraßen und bereitete vor allem auf Schotter einen Mörderspaß. Doch das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind und Honda überarbeitete sein kleines Adventure Bike akribisch.

Die CRF 300 Rally bekam mit 286 cm3 etwas mehr Hubraum und die Höchstleistung stieg um zwei PS auf 27 bei 8500/min. Klingt jetzt erst einmal nicht berauschend, doch liegt die Honda bei nur 153 Kilogramm Leergewicht. Das sind vier Kilogramm weniger als die 250er, obwohl der Tank der 300er um 2,7 auf 12,8 Liter wuchs. Möglich wurde die Gewichtsreduzierung unter anderem durch eine leichtere Aluminiumschwinge und einen überarbeiteten Stahlrahmen.

Bereits das Aufsitzen gestaltet sich nun einfacher, da Honda die Sitzhöhe um zehn auf 885 mm reduziert hat. Das wäre immer noch ziemlich hoch, doch sackt die CRF 300 Rally aufgrund ihrer sehr weichen Federn durch das Gewicht des Fahrers deutlich ein. Selbst Piloten um die 1,75 m kommen so mit beiden Füßen auf den Boden. Auch wenn die Sitzbank auf den ersten Blick eher schmal wirkt, ist sie tatsächlich bequemer als sie aussieht.

Honda CRF 300 Rally (7 Bilder)

Honda hat sein kleines Adventure Bike sinnvoll überarbeitet. Die CRF 300 Rally hat nun etwas mehr Hubraum und zwei PS mehr Leistung bei weniger Gewicht.
(Bild: Ingo Gach)

Das LC-Display hat Honda bei der 300er etwas vergrößert und die Aufteilung neu gestaltet für eine bessere Ablesbarkeit, außerdem erfolgt die Bedienung nun über zwei Tasten links vom Display. Der Lenker mit Querstrebe ist neu gekröpft, der Fahrer sitzt damit etwas aufrechter. Die Handhebel sind leider nicht einstellbar, dafür hat die Honda serienmäßig Handprotektoren an Bord. Der Kniewinkel ist angenehm und gezackten Fußrasten bieten den Stiefeln sicheren Halt, die Gummieinlagen dienen der Vibrationsunterdrückung, können aber für den Offroad-Einsatz rasch entnommen werden.

Ein kurzer Druck auf den E-Starter und der Einzylinder bollert im erstaunlich tiefen Bass vor sich hin. Hört sich nach mehr Hubraum an als wirklich vorhanden ist. Honda betrieb viel Feinarbeit am Motor, der Lufteinlass wurde neu geformt ebenso wie die Einlassnocken und die Auspuffanlage. Auch das Sechsganggetriebe wurde überarbeitet, die ersten fünf Gänge sind kürzer übersetzt für eine bessere Beschleunigung, der sechste ist hingegen länger übersetzt, um die Drehzahlen bei hohen Geschwindigkeiten zu senken.

Zudem verfügt die Honda über eine Anti-Hopping-Kupplung, die beim schnellen Runterschalten für Ruhe im Hinterrad sorgt. Die Kupplung lässt sich mit einem Finger bedienen und die Honda setzt sich ruckfrei in Bewegung. Schon auf den ersten Metern legt die CRF 300 Rally eine erstaunliche Dynamik an den Tag, sie beschleunigen flotter als man es den 27 PS zutrauen würde. In der Stadt gefällt die Honda mit Agilität und spielerischem Handling. Vom Straßenrand registriere ich neugierige Blicke, einige halten die 300er offensichtlich für ein echtes Rally-Gerät. Ich lasse die Menschen gerne in dem Glauben, danke den Honda-Designern.

Aber der Hersteller hat der CRF 300 Rally nicht aus Spaß einen großen Tank mitgegeben, sie will sich ernsthaft für Touren anbieten. Wie etwa über Landstraßen. Bis Tempo 100 muss ich natürlich ein paar Mal schalten, aber das ist bei dem leichtgängigen Getriebe eher ein Vergnügen. Immerhin erreicht die Honda die maximal erlaubte Landstraßengeschwindigkeit in knapp unter neun Sekunden. Wer jetzt eine nervöse Zicke erwartet, sieht sich angenehm enttäuscht, die CRF 300 Rally liegt ruhig in den Kurven. Mit 1455 mm Radstand, einem Nachlauf von 109 mm und 62,5 Grad Lenkkopfwinkel hat Honda offensichtlich einen guten Kompromiss getroffen.

Früher waren schwache Bremsen ein häufiger Kritikpunkt an kleinen Enduros, doch das konnte Honda für seine CRF 300 Rally vermeiden: Die einzelne Doppelkolben-Bremszange von Nissin mit schwimmender 296-mm-Bremsscheibe verzögert gut. Allerdings taucht die 43 mm dicke Upside-down-Gabel von Showa bei Gewaltbremsungen wegen der erwähnten weichen Federn sehr weit ein. Einstellbar ist sie nicht, das hintere Federbein immerhin in der Vorspannung.

Wer die Eigenheit im Hinterkopf behält und beherzt am Gasgriff dreht, kann mit der Honda ungeahnt viel Spaß auf kurvigen Landstraße erleben. Hier spielt die CRF 300 Rally ihren Gewichtsvorteil und den drehfreudigen Motor voll aus. Allerdings neigt das grobe Stollenprofil der japanischen IRC-Reifen bei heftiger Beanspruchung zum Wegschmieren im Grenzbereich und beim Abrollkomfort muss der Fahrer natürlich auch Abstriche machen.

Doch das eigentliche Metier der CRF 300 Rally soll ja im Offroad liegen. Honda hat sie konzipiert, damit ihr Fahrer sie über endlose Schotterpisten und Dschungelpfade scheuchen kann – und dafür werden ihre einfacheren Ableger in einigen Ländern auch vorwiegend gebraucht. 260 mm Federweg vorne und 265 mm hinten sprechen da eine deutliche Sprache, außerdem erhöhte Honda die Bodenfreiheit im Vergleich zur Vorgängerin auf 275 mm.

Bevor ich ins Gelände abbiege, drücke ich etwa drei Sekunden lang einen kleinen Knopf im Cockpit, bis im Display die Warnanzeige für das deaktivierte ABS aufleuchtet. Leider wird das ABS nur am Hinterrad lahmgelegt, eine komplette Abschaltung wäre mir auf losem Untergrund lieber.