Biotechnologie: Wie eine Pionierin eine Organ-Fabrik Realität werden lassen will

Martine Rothblatt möchte transplantierbare und 3D-gedruckte Organe leicht verfügbar machen und unzählige Leben retten – auch das ihrer Tochter.

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(Bild: Michael Byers)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Martine Rothblatt war eine erfolgreiche Unternehmerin im Satellitengeschäft, als bei ihrer Tochter eine tödliche Lungenkrankheit diagnostiziert wurde. Daraufhin stieg sie in die Biotech-Branche ein, gründete die Pharmafirma United Therapeutics und ließ dort Medikamente entwickeln, die ihrer Tochter halfen zu überleben. Heute profitieren auch viele andere Patienten von dieser Entscheidung.

Doch die neue Therapie ist nur eine Lösung auf Zeit. Eines Tages könnte durchaus eine Lungentransplantation nötig sein. Deshalb hat sich Rothblatt vorgenommen, auch dieses Problem zu lösen. Sie investiert in "Organ-Fabriken": in Farmen mit Schweinen als Organspender und in Laboratorien, wo Organe im 3D-Druck produziert werden.

Ob Niere, Leber, Herz oder Lunge: Der Bedarf an Organen ist groß. Auf der Warteliste für Transplantationen stehen allein in den USA üblicherweise etwa 100.000 Menschen. Jedes Jahr sterben Tausende, weil das Warten schlicht zu lange dauert. In Deutschland hoffen laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation rund 8.500 Menschen auf ein neues Organ.

MIT Technology Review 3/2023

Rothblatts erste Vision war nun eine Farm, auf der Schweine als Organlieferanten für Menschen gezüchtet werden. Das Vorhaben bekam einen Schub, als 2021 die erste Xenotransplantation einer Schweineniere auf einen hirntoten Menschen stattfand. Sechs weitere Transplantationen dieser Art folgten. Ein Jahr später wurde einem lebenden Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ein Schweinherz eingepflanzt. Der Mann starb allerdings zwei Monaten nach der Operation ­ mutmaßlich nicht wegen einer Abstoßungsreaktion des Organs, sondern wegen einer Infektion. Eine neue, keimfreie Schweinefarm, die Organe für klinischen Studie im nächsten Jahr liefern soll, befindet sich derzeit im Bau.

Allerdings werden auch diese Schweine vermutlich nie eine transplantierfähige Lunge liefern, die Rothblatts Tochter eigentlich bräuchte. Denn Lungen sind besonders anfällig für Immunangriffe, wie Versuche mit Affen gezeigt haben. Die Unternehmerin setzt deshalb parallel auf einen zweiten Ansatz: auf Organe, die im 3D-Druck produziert werden. Gerade drucken Forschende in einer ehemaligen Textilfabrik detaillierte Lungenmodelle aus Biopolymeren. Diese Strukturen könnten – so die Idee – mit Zellen aus dem Gewebe von Patienten besiedelt werden, um das Risiko einer Immunabstoßung zu minimieren.

Vor einem Jahr stellte Rothblatt nun erste gedruckte Lungen vor. Die Organe sind etwa so groß wie ein Fußball und haben eine schwammartige Struktur. Rund 4000 Kilometer Kapillaren bilden die Lungenbläschen nach. Zwar dauert das Drucken von so detaillierten Strukturen wie einer Lunge bis zu drei Wochen. Doch die Methode erlaubt die Herstellung jeder beliebigen Form, bis hinunter zur Größe einzelner Zellen. "Ich glaube, dass es keinen Teil des Körpers gibt, der nicht in 3D gedruckt werden kann, einschließlich Dickdarm und Hirngewebe", sagt Rothblatt.

Es gibt aber auch Kritik. "Bis zu einer Lunge ist es noch ein weiter Weg", sagt etwa Jennifer Lewis, die sich an der Harvard University mit Bioprinting beschäftigt. "Es wurden erhebliche Investitionen getätigt, in denen schlaue Köpfe eine Chance sehen. Aber das Ganze wurde ziemlich aufgebauscht. Es ist ein Gerüst, eine schöne Form, aber es ist keine Lunge."

Die Unternehmerin Rothblatt hingegen lässt keine Zweifel erkennen. Sie sieht lediglich Herausforderungen und geht davon aus, dass die ersten gedruckten Lungen noch in diesem Jahrzehnt in den Brustkorb eines Menschen eingepflanzt werden.

(jle)