Mini-Aus für Verbrenner-Aus: Bundesregierung und EU-Kommission einig bei E-Fuels

Laut dem Kompromiss soll eine neue Fahrzeugkategorie geschaffen werden für reine E-Fuels-Verbrenner. Benzin oder Diesel darf in diese nicht getankt werden.

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(Bild: Fahroni/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Stefan Krempl
Inhaltsverzeichnis

Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben sich am späten Freitagabend auf eine Ausnahme von dem prinzipiell bereits beschlossenen Aus für den Verbrennermotor von 2035 an verständigt. Der Kompromiss sieht vor, dass in einem ersten Schritt eine neue Fahrzeugkategorie "E-Fuels only" geschaffen wird. Entsprechende Autos sollen also nur synthetische Kraftstoffe verbrennen dürfen. Die Hersteller müssen technisch sicherstellen, dass solche Fahrzeuge gar nicht mehr anspringen, wenn sie nach 2035 noch mit Benzin oder Diesel betankt werden.

Zudem muss die Politik noch rechtlich regeln, wie die reine E-Fuels-Klasse zu den CO₂-Reduktionszielen der EU und der angestrebten Klimaneutralität beitragen kann. Dies soll über die sogenannte Flottengrenzwertregulierung erfolgen. Dabei soll der Durchschnitt aller in den Mitgliedsstaaten in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge dieses Limit nicht überschreiten.

Seit 2020/2021 gilt in der EU bereits ein deutlich verschärfter Flottengrenzwert von 95 Gramm CO₂/km. Ferner einigten sich die EU-Gesetzgeber auf eine Verordnung, wonach die Limits für schwere Nutzfahrzeuge wie Lkws sowie Busse in zwei Stufen weiter gesenkt werden sollen. Die E-Fuels-only-Kategorie muss nun noch in diese Bestimmungen integriert werden, was etwa über einen delegierten Rechtsakt der Kommission erfolgen könnte.

"Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral", twitterte am Samstagvormittag Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der sich in den vergangenen Wochen vehement für den Erhalt des Verbrennermotors starkgemacht hatte. "In sehr detaillierten und konstruktiven Verhandlungen" sei es gelungen, diesen Ansatz sicherzustellen, führte er in einer Mitteilung aus. Es sei darum gegangen, die bereits auf EU-Ebene erzielte Verständigung "zu konkretisieren" an dem für die gesamte EU "so wichtigen Punkt der Technologieoffenheit. Damit eröffnen wir für die Bevölkerung wichtige Optionen in Richtung einer klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität."

"Wir haben mit Deutschland eine Einigung über die künftige Verwendung von E-Fuels in Autos erzielt", bestätigte der für den Grünen Deal zuständige Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans fast gleichzeitig auf Twitter. Die Brüsseler Regierungsinstitution werde nun daran arbeiten, rasch neue Vorgaben über CO₂-Standards für Autos zu verabschieden.

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"Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat", betonte Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. "Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt." Die jetzt gefundene Lösung tragt den Bedenken der FDP Rechnung, ohne die zwischen den EU-Gremien ausgehandelte Linie zu gefährden.

"Die Automobilindustrie hat nun Klarheit für die Umstellung auf Elektromobilität", betonte Lemke zugleich. E-Fuels würden künftig zwar "eine wichtige Rolle spielen", was die Regierung immer gesagt habe. Dies gelte aber insbesondere "für die Bereiche, die nicht ohne Weiteres auf effiziente Elektromotoren umstellen können". Dem Verbrenner im Auto bescheinigt die Grüne so trotz des neuen Formelkompromisses keine echte Zukunft.

E-Fuels, die unter hohem Energieeinsatz mithilfe von Strom aus Wasser und Kohlendioxid produziert werden, bleiben laut Forschern wie Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), "auch langfristig aufgrund des enormen Herstellungsaufwands viel zu teuer". Sie könnten nicht für den effizienten Betrieb vieler Millionen Fahrzeuge bereitgestellt werden. Dazu komme ein großer "CO₂-Rucksack", weshalb der synthetische Sprit immer eine deutlich schlechtere Umweltbilanz als E-Autos habe: Von Null-Emissionen könne hier "auch in der Gesamtbilanz überhaupt keine Rede sein".

Aufhänger für den Streit zwischen Wissing, der Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhielt, und der Kommission war ein Erwägungsgrund in der Verordnung zu CO₂-Emissionsnormen: "Nach Beratungen mit Interessensvertretern wird die Kommission einen Vorschlag dazu machen, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden", heißt es dort. Dies gelte allein "außerhalb des Geltungsbereichs der Flottengrenzwerte und in Konformität mit den Zielen der Union für die Klimaneutralität".

Wissing und Lemke interpretierten diese Klausel im Sommer 2022 völlig unterschiedlich als Signal für Verbrenner mit E-Fuels beziehungsweise für den Hochlauf der E-Mobilität. Die Grünen und die Kommission verstanden den Absatz zunächst so, dass die potenziell mögliche Ausnahmeregelung für synthetische Kraftstoffe nicht für Autohersteller gilt, die mehr als 1000 Pkw und Lieferwagen pro Jahr produzieren. Sie werde nur Traktoren, Krankenwagen, Feuerwehrfahrzeuge und Rennwagen betreffen, nicht aber motorisierte bewegliche Untersätze, wie sie von Verbrauchern bislang en masse gekauft werden.

Laut einer neuen Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung reicht die 2035 erwartete globale Produktionsmenge von E-Fuels nicht einmal aus, um hierzulande den Bedarf für den Schiffs- oder Flugverkehr sowie die Chemieindustrie zu decken. Für Pkws bliebe nichts übrig, selbst wenn alle erhofften Fertigungskapazitäten ausgeschöpft und Finanzierungsversprechen eingehalten würden.

(tiw)