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Was war. Was wird.

Wir trauern, wir trauern um Frank Zappa, um die öffentlich-rechtlichen Sender und um den Datenschutz. Ob es da noch tröstlich ist, dass Bill Gates wenigstens uns Männern den ultimativen Freudenspender schenkt, fragt sich Hal Faber zweifelnd?

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

War war.

*** Längst ist die Comdex vorbei, vergessen und versunken im Staub von Las Vegas. Auch die Mühen, das Matrix-Video zu komplettieren, erschlaffen. Bill Gates, ohne den diese neue Comdex schlechterdings nicht finanzierbar wäre, ist wieder weg und feierte in dieser Woche den Erfolg seines neuesten Produktes anderswo, 36 Stunden lang. Bald, ja bald wird der Name Cialis in den Mails auftauchen und Viagra oder Vicodin ablösen, weil die vorgeblich knallharten Vorlagen zum amerikanischen Spam-Gesetz am Ende eine dermaßen nasse Nudel produzierten, dass die Spammer mit Genuss die Auspeitschung stante Pasta akzeptieren.

*** Hey, I bought my man the patch! Schon immer wollte ich wissen, wie das ist mit den wahrlich rätselhaften Pannen auf den Keynotes des William Gates III. Hat jemand im Ernst geglaubt, dass die patch-erprobte Firma Microsoft nicht in der Lage ist, einen PC so auszustatten, eine Software so zu installieren, dass keine Fehlermeldungen auftauchen? So lange wie Cialis wird doch ein PC sein Windows-System hochhalten können. Nun hat der begnadete Erzähler Peter Glaser in seiner Geschichte vom Nichts das Geheimnis gelüftet und die ultimative Verschwörungstheorie produziert: Alle Abstürze der wirklich schrankenlos fehlerfrei funktionierenden Microsoft-Software wurden absichtlich von einem Trio produziert, das den Zustand des Universums ändert. So offenbart sich der Sinn des Labenz in einem Buch, in dem Seite zweiundvierzig natürlich 42! heißt.

*** Vorbei die Comdex, vorbei der weltweit ausgerufene Buy Nothing Day, vorbei der Trauertag aller Schwulen. Ganz zu schweigen von Thanksgiving, an dem ein US-Präsident zum Truthahnessen in den Irak flog, weil er ein Energie- ebenso wie ein Image-Problem hat.

*** Mental sein ist alles. Wie man aufgeweckt reagiert, bewies dieser Tage die Verwaltung der Vielvölkerstadt von Los Angeles, als sie das diskriminierende Wortpärchen Master/Slave monierte. Nicht länger darf die Computerbranche sich der Hegelschen Herr/Knecht-Dialektik bedienen, wenn es um den Anschluss mehrerer Laufwerke geht. Man könnte Master and Commander als Alternative nehmen, doch ist dieses Paar gerade von einem sensiblen Film bedeutungsbesetzt, der über die Entdeckung einer unbekannten Käferart auf den Galapagos-Inseln berichtet. Technische Naturen werden jetzt einwenden, dass das Problem durch Serial ATA ohnehin gelöst wird, doch bin ich mir da nicht so sicher. Du sollst keinen Sklaven haben neben dir, das ist das Credo unserer Tage. Das gilt nicht nur für Amerika, sondern auch für ein Europa, in dem Crash-Test-Dummies endlich als Crash-Test-Nachbarn anerkannt sein wollen. Träumen nicht auch die Menschen von androiden Robotern? Weg mit den Slaves, Schluss mit den Dummies! Sind wir nicht alle hübsch belastbare Laufwerke unter der Götter großen Himmeln, wie es Nietzsche schon wusste?

*** Wenn Nietzsche das wüsste: Diese Woche gab es bei Aldi nicht die üblichen PC, sondern die Bibel im Abverkauf, eine echte Alternative zu all den Testsiegern. Das richtige Bibelstudium hilft bei der Auslegung der Johannesoffenbarung, Kapitel 13, Vers 16/17 in dem das gut ablesbare Malzeichen auf der Hand oder der Stirn erwähnt wird. Die Rede ist natürlich von dem transplantierbaren Veripay-Chip, mit dem die Apokalypse des Einkaufens eingeläutet ist. Nicht nur die Roboter machen Ernst, sondern auch wir Menschen, wir Natural-Born Cyborgs. Ja, liebe WWWW-Gemeinde, ist nicht schon das Verlangen, bei allen Nebenwirkungen mit dem Jenseits in Kontakt zu treten, ein unstillbar Menschliches, das auf den inneren Cyborg verweist? Finden wir hier nicht den tieferen Sinn des Internet?

*** Genug der Worte zum Sonntag. Musik muss her, auch wenn sie mit vier Takten etwas kurz geraten ist. Besser steht es da um John Mayall, der gestern 70 Jahre alt wurde. Wen hat der alte Blues-Bär mit seinem Patronengürtel voller Blues-Harps nicht die richtigen Takte beigebracht, Eric Clapton, Peter Greene, Jack Bruce, Aynsley Dunbar und Mick Taylor sind alle "größer" als Mayall geworden, doch näher am Blues ist der alte Mann. Er wird es ertragen, wenn das Feuilleton seine Bluesbreaker als Mayall-Musik-Universität verkaspert, als ob man den Blues im Hörsaal lernen könnte. Und wir werden den Blues haben, denn ein recht schreckliches Datum steht vor der Tür: der 10. Todestag der Mother of Invention Frank Zappa, auch als größtes musikalisches Gen seit Wagner bekannt. Shake your Booties!

*** Dagegen steht es nun leider fest: Adenauer, Luther und Marx sind unsere Besten, was in dieser Mischung sicher Stoff für einen Zappa-Song abgeben würde. Inmitten der Deutschtümelei sei daher an den Österreicher Christian Doppler erinnert, der gestern vor 200 Jahren geboren wurde. Der Vater aller Doppler-Effekte hat natürlich auch die Pop-Musik bereichert und uns Electric Ladyland mit Winwood und Hendrix hinterlassen. Ein weiterer berühmter Geburtstag konnte bereits am Freitag in Frankreich gefeiert werden. Dort wurde Claude Lévi-Strauss, der große alte Mann der binären Menschenerkenntnis, 95 Jahre alt. "Wir wollen also nicht darstellen, wie die Menschen in den Mythen, sondern wie die Mythen in den Menschen denken, ohne dass es ihnen bewusst wird", lautet der Hauptsatz des Mannes, dem wir das kulinarische Dreieck verdanken.

*** Nein, kein kulinarisches Dreieck bringt mich in deutschtümelnde Verlegenheit: Verfalle ich etwa in Populismus? Muss ich mich Volkes Stimme beugen? Reihe ich mich künftig in kreischende Massen ein, die einem Bub mit Hut oder einem ehrlichen Fake zujubeln? Es scheint momentan wohlfeil, ARD und ZDF die Gebühren fürs öffentlich-rechtliche Senden abzusprechen -- bei "Unsere Besten", "Bunte TV", "Kerner", "Beckmann", Bambi-Verleihung und wie die Peinlichkeiten alle heißen fragt auch der gemeine Arte-Gucker, was denn nun der Unterschied der öffentlich-rechtlichen Sender zu den Privaten ist, der die GEZ rechtfertigte. Dumm nur, dass unsere Populisten mit der Attacke gegen die Gebühren fürs öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen gerade nicht auf die Peinlichkeiten zielen, zu denen sie in Gestalt von Talkshow-Gästen nur zu gerne selbst auflaufen. So entblößt der Populismus wieder einmal seine hässliche Fratze: Geh mit aller Gewalt auf Dummheit los, um Saudummes zu tun. Es steht also zu befürchten, dass wir künftig etwa das Bermuda-Duo Alfred Biolek/Eckart Witzigmann nicht nur auf den werbefreien Dritten Werbung machend bewundern dürfen. Guten Appetit? Danke, mir ist schon schlecht. Aber wenn der Ex-Charmeur der Nazis Heesters im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit Bambi zum Hundertsten gefeiert wird, fällt mir sowieso nur der olle Max Liebermann ein: "Ich kann gar nicht soviel fressen wie ich kotzen möchte."

Was wird.

Ein weiterer großer Geburtstag steht am 28. 12. ins Haus. An diesem Tag wäre der große jüdische Mathematiker Janos Layos a.k.a. John von Neumann 100 Jahre alt geworden. Weil es sich an einem solchen Datum schlecht tagen lässt -- das machen nur die, die Spaß am Gerät suchen -- wurde die wissenschaftliche Ehrentagung für John von Neumann vorverlegt und startet schon am Montag, gewissermaßen in Kontrast zur sequentiellen von Neumann-Architektur.

Ein anderer Montags-Start war in der vergangenen Woche bereits Gegenstand lustiger Debatten: Morgen öffnet die Arbeitsagentur.de ihre Website. Was früher einmal das Arbeitsamt war, will beschwingt und frohlockend in der Adventszeit als Agentur loslegen, was eine putzige Idee der Öffentlichkeitsarbeiter von WMP EuroCom ist. Leider haben die Lobbyisten in den anstehenden Spar Wars das Unglück gehabt, dass das Arbeitsamt ihnen ohne vorherige Ausschreibung einen Vertrag über 1,3 Millionen förmlich aufdrängte. Die Summe sollte dafür fällig werden, dass sich der ehemalige CEO von AOL Europe, Bernd Schiphorst, zwei Tage im Monat als Berater in Nürnberg blicken lässt. Hätte man den Betrag nicht zwischen Arbeitsamt und Arbeitsagentur teilen können?

Während die Arbeitsagentur öffnet, wird die Arbeit nach Indien verlegt. Von daher ist es nur logisch, wenn Web-Designer und Webby-Stars zu einer Geburtstagsfeier mal kurz nach Bangalore rauschen, um den Indern die Möglichkeit zu geben, ihrem kritischen Diskurs lauschen zu können.

An zwei Gerichtsdaten der nächsten Woche sollte noch erinnert werden. Am Freitag, den 5. Dezember, gibt es im fernen Amerika die erste Vorverhandlung zwischen der SCO Group und IBM vor einem Richter. Wer die Nachrichten zu diesem Fall verfolgt, konnte in der letzten Woche den Eindruck gewinnen, dass ein Stück aus dem Ohnsorg-Theater inszeniert wird. Ich habe bislang des Öfteren Meister Shakespeare bemüht, doch ist es an der Zeit, aus Klassikern wie "Opa wird verkauft" zu zitieren. "Dat Wunnerwaak" der SCO-Argumentation ist inzwischen soweit gediehen, bei der IBM-Anfrage nach der bisher einzigen öffentlichen Präsentation gestohlener Codezeilen auf dem SCOForum zu Las Vegas einfach auf die eigene Website zu verweisen, da gäbe es genug Material. Dinge gibt es zwischen Himmel und Erde, da fällt selbst Shakespeare schwer:
Wie oft bewirkt die Wahrnehmung der Mittel
Zu Böser Tat, dass man sie böslich tut!

Am Freitag in Hamburg steht abseits des Theater-Spielplans eine kleine Geburtstags-Konferenz ins Haus, die Erwähnung verdient. Von RFID-Chips umgeben, von Payback-Karten umsorgt, ist es an der Zeit, daran zu erinnern, dass vor 20 Jahren das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung begründet hat. Auch wenn er von Staats wegen gerne gekippt wird, ist der Satz noch gültig, dass meine Daten mir gehören, dass Verschlüsselung aktiver Bürgerschutz ist und dass die allgemeine Schnüffelei mit Datenspionen schlichtweg illegal ist. Nach 20 Jahren scheint man solcherart Erkenntnis verdrängt zu haben. (Hal Faber) / (jk)