Comdex: Paro streicheln

Die neu belebte Comdex ist vorbei: Microsoft gewinnt die Preise für die besten Programme, die Comdex-Konkurrenz CDXPO wohl den für die öffentlichkeitswirksamste Keynote -- und sonst?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die neu belebte Comdex ist vorbei. Der schnellste Geek ist ermittelt -- fünf Minuten für das Zusammenschrauben eines Computers, beginnend mit einem nackten Gehäuse. Die besten Programme sind prämiert -- Sieger über alles wurde der in mehreren Unterkategorien ausgezeichnete Small Business Server 2003 von Microsoft. Sollte Microsoft sich entscheiden, die Comdex aus der Messeplanung zu streichen, dann ist auch die Comdex endgültig vorbei und Geschichte. Das erklärte Ziel von 50.000 Besuchern wurde nicht wirklich erreicht (Oberschulklassen bekamen Einlass), die Business-to-Business-Orientierung ließ zu wünschen übrig. Die meisten Aussteller hatten genügend und gute Besucherkontakte, doch die meisten Besucher fühlten sich von der Schrumpfmesse in der Größe einer mittleren CeBIT-Halle massiv unterfordert.

Ein "Global Technology Marketplace" war diese Messe nicht. Zeit für den Veranstalter MediaLive International, Paro lange und ausführlich zu streicheln. Paro ist eine kleine weißwuschelige Stoffrobbe voller taktiler Sensoren, die vom japanischen Forschungsinstitut AIST als welterster therapeutischer Roboter beworben wurde. Unterstützt von einem Computer spendet Paro dem Streichelnden Trost. Ein defekter Paro ohne Kabel lag am letzten Tag im Pressezentrum herum, ein Wachhund des nächtlichen Sicherheitsdienstes hatte dem Trostspender angeblich zugesetzt.

Womit wir beim Beißreflex angelangt wären: Auch die CDXPO im Hotel Mandalay Bay, die in Reaktion auf den Konkurs der Comdex ins Leben gerufen wurde, blieb hinter dem selbstgesteckten Ziel von 6000 Besuchern zurück. Im nächsten Jahr will sich diese Messe ein Duell mit der CeBIT America liefern. Die Ankündigung, im nächsten November das Sands Convention Center zu nutzen, immerhin die größte Messehalle von Las Vegas, klingt angesichts der 25 Aussteller in der Mandalay Bay verwegen. So wird die CDXPO für eine Keynote des SCO-Chefs DarlMcBride ihre 15 Minuten Ruhm bekommen. McBride rief zur Rettung Amerikas auf und kündigte die Überprüfung eines Vorgehens gegen die BSD-Welt an, während am Stand ein 10-seitiges Papier zu den neuen IP-Lizenzen für Linux-Derivate verteilt wurde. Punkt 45 des Fragenkataloges: BSD-Nutzer benötigen keine IP-Lizenz.

Wirklich ungetrübten Spaß dürften die Teilnehmer der Apachecon gehabt haben. Mit 500 Besuchern wurde ein neuer Rekord gesetzt. Bis spät in die Nacht wurde am Pool und anderswo diskutiert und programmiert, wenn nicht gerade die Zumanity-Show besucht wurde. Ein Geek-Treffen ist immer ein Familientreffen. Die nächste Apachecon USA ist im Gegensatz zu den anderen Veranstaltungen bereits gesichert, außerdem zieht die Veranstaltung nach Europa. Paros Hilfe ist bei den Federleichten nicht gefragt.

Die Branche benötigt keine Messe wie die Comdex als Computer Dealers Exhibition mehr. Die engagierten Computerhändler mit Fachwissen sind ausgestorben, Media Markt, Best Buy und die Discounter machen die Geschäfte, der Rest wird von Dell, Apple und IBM abgewickelt. Für die Abteilung Unterhaltung mit Computern gibt es die Consumer Electronics Show (CES), ebenfalls in Las Vegas. Für große Hersteller wie IBM ist es günstiger, eine eigene Veranstaltung in Orlando oder eben Las Vegas in einem Hotel zu machen. Eigentlich braucht nur noch Bill Gates die Comdex, um seine Keynote abzuhalten. Aber irgendwann wird auch er erwachsen und führt Microsoft ins 21. Jahrhundert.

Zur Entwicklung der Comdex siehe auch:

Zur Herbst-Comdex 2003 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)