Justizministerin fordert Ende der Verfolgung chinesischer Internet-Dissidenten

Die Volksrepublik habe zwar auch Fortschritte gemacht, individuelle Freiräume von Bürgern zu erweitern. "Allerdings ist die Situation aus meiner Sicht noch nicht befriedigend", sagte Zypries.

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Von
  • Jürgen Kuri

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat China zu einem Ende der Verfolgung von Internetnutzern aufgefordert, die ihre politischen Ansichten im Internet verbreiten. Im Rahmen des China-Besuches von Kanzler Gerhard Schröder begrüßte die Ministerin am Dienstag in einer Rede an der Hochschule für Staat und Recht in Peking die Freilassung der Studentin Liu Di als "gute Nachricht". "Aber noch bessere Nachrichten wären es, wenn überhaupt niemand verfolgt würde, weil er seine Meinung sagt", sagte Zypries laut dpa.

Die unter dem Namen "Stainless Steel Mouse" bekannte 23-Jährige war im Vorfeld des Kanzlerbesuches auf internationalen Druck hin nach einem Jahr Haft ohne Anklage freigelassen worden. Außenstaatsministerin Kerstin Müller (Grüne) hatte Mitte November direkt beim Leiter des Rechtsamtes, Cao Kangtai, wegen Liu Di interveniert. Doch spielten Delegationskreise den deutschen Einfluss herunter. Die andere Inhaftierten, von denen lediglich mehr als 60 bekannt sind, "dürfen jetzt nicht vergessen werden", hieß es.

"Die chinesische Regierung gibt zwar mit den Freilassungen ein positives Signal", erklärte Robert Ménard, Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen in Paris. "Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Informations- und Meinungsfreiheit im Internet täglich unterdrückt werden. Wenn diese Freilassungen mehr sein sollen als ein diplomatisches Geschenk an Schröder, dann müssen weitere deutliche Schritte in Richtung Informationsfreiheit folgen." Reporter ohne Grenzen hatte bereits im Frühjahr einen speziellen Report über Zensur und Überwachung im Internet in China vorgelegt.

In ihrer Rede vor Studenten und Lektoren sagte Zypries, es stimme sie "zunehmend nachdenklich", dass Studenten und Intellektuelle, die ihre Gedanken über politische Verhältnisse im Internet in China bekannt machten, "die Aufmerksamkeit der Zensoren auf sich lenken, mehr noch, dass sie mitunter zu Haftstrafen verurteilt werden". Die Volksrepublik habe zwar auch Fortschritte gemacht, individuelle Freiräume von Bürgern zu erweitern. "Allerdings ist die Situation aus meiner Sicht noch nicht befriedigend", sagte Zypries.

Zur Diskussion über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Internet "gehört auch die Frage der Informationsfreiheit für alle Menschen", zitierte Zypries aus der viel beachteten Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau im September in Nanjing. "Die Menschenrechte werden dem Menschen nicht durch den Gesetzgeber verliehen." Sie seien vielmehr "unverletzlich" und der Gesetzgeber zu ihrer Achtung verpflichtet, wiederholte Zypries.

Die Bundesjustizministerin und Cao Kangtai unterzeichneten im Rahmen des Kanzler-Besuchs das neue Zweijahresprogramm "Rechtstaatsdialog mit China". Im Rahmen dieses seit 1999 existierenden Programms "diskutieren die beiden Staaten intensiv über Fragen aus allen Rechtsgebieten", formuliert das Justizministerium vorsichtig. Zum ersten Mal hätten die beiden Staaten zudem in ihrem neuen Zweijahresprogramm ein eigenes Kapitel zum Thema Menschenrechte vorgesehen.

Zur Situation vor allem in China und dem Vorgehen des Staates gegen Internet-Aktivisten siehe auch: (jk)