Elektrisch, leise, bedingt offroadtauglich: Elektromotorrad Zero FX im Test

Die elektrische Enduro FX ist einer der Grundpfeiler von Zero Motorcycles. Das in die Jahre gekommene Design überzeugt bis heute mit viel Freude. Ein Test

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Zero FX

Grünes Wetter: Sollte ich eine Zero FX kaufen?

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Es gibt eine besondere Nische im Motorradmarkt, nämlich die der kleinen Alltagsenduro. Ihre Rolle ist die des braven Mulis, das dich zum Semmeln holen oder in die Arbeit trägt, aber genauso am Wochenende über die Waldwege rund um dein Heim. Diese Fahrzeuge sind üblicherweise einfach aufgebaut für geringe, selbst machbare Wartung, robust, preiswert und kommen nur vergleichsweise geringe Strecken mit der vom Hersteller vorgesehenen Onboard-Energie. Die Zero FX hakt hier alle Punkte bis auf "preiswert" ab. Zur Kompensation bringt sie einen neuen Punkt: leises Endurowandern.

Zeros Konzept für die FX sah zu Anfang so aus, dass man von der Seite per Zündschlüssel den Rahmen öffnen konnte, um den Akku in zwei Blöcken zu entnehmen und zum Beispiel oben in der Wohnung zu laden. An diese Zeit erinnert noch die weiterhin vorhandene Rahmenöffnung per Schlüssel, aber die Tauschakkus brauchten viel Platz und brachten letztlich nicht so viel wie ein größerer Akku, den Zero heute dort fest (circa 30 Minuten Ausbauzeit) montiert. Er bringt 7,2 kWh ins Konzept. Damit gibt Zero Straßenreichweiten von um die 70 bis 80 km an, und mehr sollten Sie auch nicht erwarten.

Ich bin zum Test extrem schaumgebremst ohne Überholen jedem Schleicher mit 65 km/h folgend 70 km gefahren und hatte noch Rest im Akku. Es geht zur Not, ist aber Quatsch. Verbrauch beim Schleichen: 8,2 kWh / 100 km brutto. Der nicht so berühmte Verbrauch liegt einerseits am hohen Enduroaufbau mit aufrechter Sitzposition, andererseits aber daran, dass der Motor auf der Straße oft außerhalb des effizienten Bereichs arbeitet. Am deutlichsten macht das der Sport-Modus, der die volle Boost-Leistung des Motors erlaubt und eine höhere Endgeschwindigkeit.

Bei 15° C Außentemperatur zeigte die Motortemperaturanzeige nach 3 km bereits dauerhaft 99° C an, während die Akkuanzeige runterzählte, wie schnell die Abwärme nach draußen brutzelt. Verbrauch daher mit Sportmodus, Überholen und Spaß: 10,7 kWh / 100 km brutto, also ähnlich wie die großen, viel leistungsstärkeren Zeros. Ich würde überland im Bereich unter 60 km glücklich bleiben, man kann aber wie gesagt durch betont langsames Fahren zur Not auch 80 km schaffen.

Zero FX onroad (10 Bilder)

Ihr Aussehen hat die FX größtenteils behalten.
(Bild: Clemens Gleich)

Das ist wichtig zu wissen, denn es gibt keinen Typ-2-Stecker und das Onboard-Ladegerät schafft maximal 750 W, meistens zieht es 650 W. Dazu reicht der FX dann auch ein Kaltgerätestecker (C14) wie an einem Toaster. Im Fahrbetrieb schützt ein Gummistopfen die Kontakte vor Schmutz. Vorteil: So ein Kabel finden Sie überall. Nachteil: Mit dieser Ladeleistung müssen Sie dann "überall" übernachten. Wie bei der Konkurrentin von KTM ist also klar: Es geht hier nicht ums Touren, sondern um Fahrten rund um die Stromversorgung. Die FX ist dazu da, in der Garage zu laden, sodass sie nie tanken muss, weil sie nach Nutzung angesteckt wird. Von dort aus spielt sie ihre große Trumpfkarte der Enduro.

Es macht unheimlich Spaß, mit der FX ganz leise, ganz langsam, wie mit einem Trialer, durch den Wald zu fahren und die Vöglein zwitschern zu hören. Die fein dosierbare Drehmomentabgabe macht das Fahren sehr einfach, und die geringen Drehzahlen und kurzen Episoden hoher Leistung machen die Zero in dieser Betriebsart effizient. Sie verbrauchte dann zwischen 8,3 und 8,9 kWh / 100 km brutto – für Endurieren ein guter Wert.

Der Tacho misst leider von der Hinterachse, sodass dieser Verbrauch natürlich etwas geschönt ist, besonders bei Matschewetter, wie es während der Testdauer herrschte. Oft fuhr dann das Hinterrad oft 50, das Vorderrad 5 km/h. Hier könnte Zero sehr einfach nachbessern, weil die FX fürs ABS eh auch die vordere Raddrehzahl misst. Eine Schlupfregelung gibt es nicht. Das taugte mir ganz gut, denn dann müsste man sie offroad jedes Mal abschalten. Da Schlupfregelung sehr üblich geworden sind, sollten Onroad-Interessenten das wissen. Keine Angst: Die FX ist dennoch ein braves, einsteigertaugliches Motorrad.

Zero FX offroad (6 Bilder)

Kein schöner Land in dieser Zeit, und kein Gepöttel weit und breit.
(Bild: Clemens Gleich)

Der Spaß im Gelände ist ein entsprechend langer, weil der große Akku genug Energie enthält für alles außer wirklich offroad Strecke machen. Man kann je nach Tempo und Können stundenlang Enduro fahren, und das ist der größte Vorteil der FX gegenüber der KTM Freeride E mit aktuell 3,9 kWh im Akku. Von der österreichischen Konkurrenz unterscheidet sich die amerikanische Zero durch ihre straßigere Auslegung. Es fehlt ihr an Teilen, die richtige Enduros wie die KTM serienmäßig anbieten, zum Beispiel einen Spritzlappen vor dem Hinterrad. Da der fehlt, schaufelt das Hinterrad das Federbein schnell zu und bald danach steckt der Schlamm in den Kupferkühlrippen des Motors.

Auch hat mir ein Ast den Zahnriemen hinten vom Pulley gezogen, was schnell passieren kann, weil der so groß ist. Der fast neue Riemen hatte sich etwas gelängt, aber generell: Richtige Enduros haben hier einen Kettenschutz, der Äste und Steine und wichtiger: Füße vor der hinteren Mangel abstreift. Sowas ginge sicherlich auch für den Zahnriemen. Montagebohrungen an der Schwinge wären vorhanden. Zahnriemen sorgen jedoch für einige grundsätzliche Nachteile gegenüber Ketten in Dreck oder Schnee. Manche Zero-Offroad-Fans wickeln beim Tausch gleich einen zweiten Riemen um die Schwinge für den nächsten Riss.

Ich habe am Thema der elektrischen Alltagsenduro eigene Aktien, weil ich schon länger überlege, mir so etwas anzuschaffen. Endurowandern, langsam auf dem Trail unterwegs, fast wie auf einem Trial und ohne Leuten auf die Nerven zu gehen, taugt mir einfach sehr gut. Zuletzt fuhr ich mit der Zero neben einem Freund auf dem Fahrrad und wir unterhielten uns. Versuch das mal mit einem Einzylinder. Für mich persönlich könnte die FX ruhig mehr Enduro-Features haben, damit sie Dreckfahrten besser verkraftet. Das muss keine Abstriche beim Straßenverhalten bedeuten. Die Honda CRF 300 L zeigt für weniger als den halben Preis, wie es geht. Sie kostet 6340 Euro. Die Zero FX kostet 14.915 Euro. Die KTM Freeride E-XC kostet 12.899 Euro.

Gehen wir von einem Lärmschutzgebiet aus und die Honda fiele weg, dann haben sowohl die Zero als auch die KTM ihre jeweils ganz eigene Nische. Die FX macht sich beliebt als hochbeiniger Straßen-Allrounder, der viel weiter fährt und auch im Dreck Spaß macht, aber dort empfindlich ist. Die E-XC punktet im Dreck, hält dort aber wesentlich kürzer durch und auf der Straße kann man noch mit etwa 40 km Reichweite rechnen. Aber ganz ehrlich: Wenn sich das (wirklich schöne) elektrische Endurofahren breiter durchsetzen sollte, müssten beide ihren Preis an ihr beschränktes Einsatzspektrum anpassen.

(cgl)