Nach E10-Stopp soll Biokraftstoff der „2. Generation“ die Klimabilanz retten

Biosprit: Alkohol und Populismus

Ottokraftstoff mit 10 Prozent Ethanol (E10) kommt nun doch nicht an deutschen Tankstellen, aber das Thema Biokraftstoff ist damit lange nicht vom Tisch: Der Umweltminster stellte in Berlin seine neue Strategie zur CO2-Reduktion vor

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  • ssu
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Berlin, 4. April 2008 – Kaum noch zu überbietende Euphorie sei förmlich über Nacht in völlige Verteufelung des Biosprits umgeschlagen, klagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am heutigen Freitag vor der Bundespressekonferenz in Berlin, nachdem tags zuvor offenkundig geworden war, dass die für 2009 geplante Einführung von Ottokraftstoff mit zehnprozentigem Ethanolanteil (E10) abgeblasen wird.

Politische Prügel …

Daraufhin sah sich Gabriel harscher Kritik seiner Bundestagskollegen und der Agrarlobby ausgesetzt: Renate Künast, Fraktionschefin der oppostionellen Grünen, verpasste Gabriel nach diesem Rückzieher den Titel „Pannen-Minister“, und auch vom Koalitionspartner CDU/CSU hagelte es Kritik am Umweltminister. Dieser schlug heute zurück: Noch im Oktober 2006 hätten die Grünen im Bundestag eine Quotenregelung für Biokraftstoffe als richtigen staatlichen Eingriff in einen „nicht funktionierenden“ Markt begrüßt und Künast habe gar die Landwirte zu den „Ölscheichs von morgen“ erklärt. Und die Unionsparteien hätten eine ehrgeizigere Quotenregelung verlangt als sie der ursprüngliche Regierungsentwurf zum Biokraftstoffquotengesetz vom Herbst 2006 vorgesehen habe.

… und verhaltene Verbände

Ebenfalls ins Visier nahm der Minister die Interessenverbände der Automobilindustrie und den ADAC: Auf einem Fachgespräch Anfang Juni 2006 im Umweltministerium habe es Einvernehmen gegeben, die Ethanol-Beimischung auf maximal 10 Prozent hochzuschrauben, an dem Gespräch hätten sowohl der Verband der Automobilindustrie (VDA), der die Interessen der deutschen Hersteller vertritt, als auch der für die Importmarken zuständige Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) teilgenommen.

Im Oktober 2007 hätte dann der zuständige Normungsausschuss DIN AA 632 die Spezifikationen für den Biosprit beschlossen – im Ausschuss sitzen laut Gabriel die Mineralölwirtschaft, die deutsche Fahrzeugindustrie und auch der ADAC. Seinerzeit sei die Zahl von 375.000 Autos mit E10-Unverträglichkeit zugrunde gelegt worden. Diesen Wert hätten im Herbst 2007 weder der ADAC noch der VDIK in Frage gestellt. Die gestrige Aussage des VDIK, dass die Zahl für E10 ungeeigneter Importautos hingegen die Millionengrenze überschreiten werde, hatte das Aus für den geplanten Kraftstoffmix gebracht.