Der 124 ging einmal um die Welt.

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Laune machte der Seat 124 seinerzeit auch den Spaniern: Zwischen 1968 und 1980 wurden rund 900.000 Fahrzeuge produziert. Keine geringe Menge und doch nur ein Bruchteil dessen, was das wohl bekannteste Derivat des Fiat 124 vorzuweisen hat: der Lada. Ähnlich wie gut 20 Jahre zuvor in Spanien will auch die Sowjetunion ihr Volk motorisieren. Man ist sich schnell mit Fiat einig, da in Italien die Kommunisten einigen Einfluss haben. Ab 1966 wird in Stawropol an der Wolga ein gigantisches Autowerk aus dem Boden gestampft, die Stadt erhält den Namen des verstorbenen italienischen Kommunistenführers Togliatti. Das passende Produkt für die insgesamt 270 Kilometer langen Fertigungsstraßen ist schnell gefunden: der neue Fiat 124. Allerdings werden Limousine und Kombi noch umfangreich für die sowjetischen Verhältnisse mit wechselnden Klimazonen, nicht immer optimalem Sprit und meist rudimentären Straßen angepasst. Nicht zuletzt muss die Technik einfach und robust sein, denn im größten Land der Erde kann es nicht in jedem Ort eine Markenwerkstatt geben.

Der kommunistische Klassiker

Gesagt, getan: Kupplung, Hinterachse und Karosserie werden verstärkt und die Bodenfreiheit um 30 Millimeter erhöht. Statt eines Zahnriemens kommt eine Steuerkette zum Zug, außerdem ist das 60-PS-Aggregat kurzhubiger ausgelegt. Ab 1971 laufen schließlich die ersten VAZ-2101 vom Band, die im Sowjetreich als "Shiguli" bekannt werden und im Ausland "Lada" heißen. Schon Ende 1973 entsteht das einmillionste Fahrzeug. Für Fiat erweist sich der Deal indes als gefährlicher Bumerang: Die Russen liefern im Gegenzug Recyclingstahl, der die Modelle aus dem Fiat-Konzern in den 1970er-Jahren zu wahren Rostbomben macht. Indes wird zwischen Riga und Wladiwostok der "Shiguli" zum Millionenseller und Objekt so mancher Hassliebe. 1980 startet der Lada 2105 mit Rechteckscheinwerfern, die eine gewisse Ähnlichkeit zu denen des Seat haben und in unserem Fall zu mancher Verwechslung führen. Selbst im neuen Jahrtausend erfreuen sich der 2105 und sein edlerer Bruder namens 2107 noch großer Beliebtheit, denn er ist preiswert und robust. Erst 2012, also 41 Jahre nach Produktionsstart, ist für den Oldie in Russland Schluss. Die letzten von unfassbaren 17,5 Millionen Exemplaren rollen von den Bändern. Aber der klassische Lada ist nicht totzukriegen: In Ägypten wird er immer noch weitergebaut.

Vom Bosporus bis nach Korea

Wie aufregend die Geschichte des vergessenen Millionärs namens 124 ist, zeigen die weiteren Etappen seiner Reise um die Welt. Von 1966 bis 1968 entstehen 300 Exemplare in Bulgarien bei Pinin-Fiat, auf 18.979 Stück bringt es zwischen 1967 und 1972 die deutsche 124-Fertigung bei NSU-Fiat. Sogar nach Südkorea schafft es der beliebte Biedermann aus Italien. Von 1970 bis 1975 läuft der 124 hier als Asia-Fiat vom Band, ein Jahr später übernimmt dort Kia das Ruder. In der Türkei baut Tofas-Fiat ab 1971 den "Murat", mit Unterbrechnungen läuft der später liebevoll "Serçe" (Spatz) genannte Wagen bis 1995 am Bosporus vom Band.