Fahrbericht Kawasaki ZX-10R SE

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Seid mir nicht böse, aber die SE-Version wird die Verkaufszahlen der ZX-10R auch nicht retten – vor allem, weil sie 5300 Euro mehr kostet als die Standardversion und 3000 Euro mehr als die rennsportnähere ZX-10 RR, dabei dem Kunden aber kaum etwas bietet, das er wirklich bemerkt. Kawasaki sagt zu recht, dass Motorradfahrer selten etwas an einstellbaren Fahrwerken ändern. Die Japaner ziehen daraus jedoch den Schluss, dass der Schraubendreher diese Menschen abschreckt. Das bestreite ich. Nicht der Schraubendreher schreckt sie ab, sondern die berechtigte Angst, aus Unwissenheit schädliche Einstellungen vorzunehmen. Hier kann ein semiaktives Fahrwerk mit Automatismen viel helfen. Showa verschenkt jedoch die meisten Chancen der Technik.

Am schnellsten

Die Eckdaten des Systems sehen vielversprechend aus. Showa verwendet eigens für den Motorradeinsatz entwickelte einstufige Proportionalventile mit mechanischen Schaltzeiten von zackigen 1 ms. Die Konkurrenz verwendet hier Ventile mit 7 ms (BMW/Sachs). Dazu kommt ein Steuergerät, dessen Schleife 10 ms läuft, um aus den Parametern Geschwindigkeit, Beschleunigungen (aus der IMU), Bremsdruck und Dämpferpositionen einen neuen Stellwert für das Ventil auszugeben. Letztendlich zeigen schon die Unterschiede von Ventil zu Steuergerät, dass es sich bei Showas Versprechen "wir sind die Schnellsten" um eine Wahrheit handelt, die beim Fahren am Ende mit allen weiteren Latenzen kaum auffällt. Will sagen: Man erwarte nicht, dass die "Kawasaki Electronic Control Suspension" (KECS) sich radikal anders anfühlt als andere semiaktive Systeme.

Showas Ziel war es laut Eigenaussage, vor allem im Hinblick auf den Rennstreckenbetrieb ein möglichst harmonisches Verhalten zu liefern, das den Gewohnheiten der Fahrer entspricht und nur dort eingreift, wo Probleme auftauchen können. Am deutlichsten fällt das an der dezenten Anti-Dive-Funktion auf, weil eben nix auffällt. Die Gabel taucht beim Bremsen einfach schön kontrolliert gedämpft ab und kommt ebenso wieder hoch. Das geht sicherlich mit einigem Ventilgezitter einher, das den Vorgang optimiert, aber das Tragische ist: Ich wette Geld darauf, dass keine Sau den Unterschied mit oder ohne semiaktives Gezitter merken würde. Denn wie gesagt: Das Showa-Fahrwerk, auf dem das System aufbaut, war schon vorher sehr gut, auch auf der Bremse.

Unterschiedliche Modi

Wo die elektronische Steuerung tatsächlich auffällt, ist beim Umschalten zwischen den Modi. Es gibt einen komfortablen Road-Modus, der dennoch gut dämpft auf der Landstraße. Als Gegenspieler bietet Kawa einen Track-Modus an, der aufgrund straffer Gabeldämpfung mit Feedback und Bremsstabilität glänzt und trotz seines Namens auch auf glatten Landstraßen passt. Und schließlich gibt es den manuellen Modus, in dem der Nutzer frei seine eigenen Settings einstellen kann, beziehungsweise: muss. Denn das Track-Setting funktioniert aus der Packung heraus nicht so richtig gut on track.