Fahrbericht Moto Guzzi V85 TT

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Der 853-cm3-Motor entstammt der V9. Dort leistet er gerade mal 55 PS, doch in der neuen Reiseenduro hob Guzzi die Leistung auf kräftige 80 PS an. Das Reisekrad soll offenbar durchaus mit den anderen Tourenbikes mithalten und nicht bloß eine weitere Retro-Variante im Guzzi-Katalog werden.

Zunächst wurde der Kurbeltrieb um 30 Prozent erleichtert, so dass der V2 nun deutlich lockerer hochdrehen kann. Der Motor atmet durch deutlich größere Drosselklappen, 52 statt 32 Millimeter sind es nun. Die Einlassventile – der Motor besitzt je eines pro Zylinder – bestehen aus Titan statt aus Stahl. Das reduziert deren Gewicht um die Hälfte und ermöglicht damit höhere Drehzahlen. Der Ventiltrieb läuft jetzt über Rollenstößel und eine Semi-Trockensumpfschmierung samt Ölreservoir – die V9 hat eine Nasssumpfschmierung – soll nun niedrige Öltemperaturen bringen. Dank der neuen Ölversorgung kann sogar der im Gelände potenziell verletzungsanfällige Ölkühler wegfallen. Das ist eine gute Nachricht bei einem ernsthaften Off-Road-Motorrad.

Unten offen

Auch bei Rahmen und Fahrwerk startete die R&D-Abteilung von Moto Guzzi mit einem leeren Blatt Papier. Um den Ansprüchen im Gelände gerecht werden, konstruierte man ein solides Rückgrat aus runden Stahlrohren, verzichtet auf Unterzüge und nimmt den Motor als tragendes Element auf, die lange Schwinge ist im Getriebegehäuse gelagert. Die Federelemente stammen von Kayaba, die Upside-down-Gabel weist 41 Millimeter Durchmesser auf und ist in Vorspannung und Zugstufe einstellbar. Hinten kommt ein Federbein zum Einsatz, das direkt am Kardantunnel angelenkt wird. Vorne rollt die V85 TT auf einer 19-Zoll-Drahtspeichenfelge, um auch abseits befestigter Straßen gut zurechtzukommen, hinten bleibt es beim üblichen 17-Zöller.

Moderate Sitzhöhe

Das klingt alles vielversprechend, doch ob die V85 TT es auch in der Realität umsetzen kann, muss sie im Test beweisen. Ich bekomme freundlicherweise von Motorrad Lust in Köln eine V85 TT in weiß-gelb mit knallrotem Rahmen zur Verfügung gestellt. Sie wirkt schon im Stand recht groß, das Aufsitzen erweist sich jedoch als nicht so dramatisch, weil die Sitzhöhe von 830 Millimeter auch ohne überlange Beine passt. Der Sattel ist erfreulich breit und komfortabel, selbst beim Bezug hat sich Moto Guzzi Gedanken gemacht und ihn aus rutschfestem Material gefertigt. Der Abstand zu den Fußrasten ist moderat und der Kniewinkel entspannt. Ein breiter und gut gekröpfter Lenker, der dazu auch noch hoch positioniert ist, ermöglicht nicht nur eine lockere Armhaltung, sondern auch ein leichtes Einlenken. Besonders beim Stehendfahren im Gelände ein nicht zu unterschätzender Faktor. Allerdings wurde der Lenker schon im Werk leicht schief montiert. Erfahrene Guzzi-Fahrer sind Schlimmeres gewohnt, also kurz die Schrauben der Lenkerklemmung gelöst und die Stange geradegerückt.

Modernes TFT-Display

Das farbige TFT-Display wirkt ungewohnt für eine Moto Guzzi. Die Informationen sind zwar dicht gedrängt, aber halbwegs gut ablesbar, meist interessieren ohnehin nur Geschwindigkeit und Drehzahl. Ein kurzer Druck auf den E-Starter und der Motor wummert los. Schon der Sound lässt beim Fachmann keinen Zweifel aufkommen: Hier arbeitet eine Moto Guzzi. Es hat etwas ungemein Archaisches den V2-Motor mit Kardanantrieb zu bewegen. Der erste Gang des neu entwickelten Getriebes rastet mit einem satten „Klonk“, doch die restlichen Gänge lassen sich überraschend leicht und ohne übertriebene akustische Untermalung wechseln.