Wegen zu hoher NO2-Emissionen des Autoverkehrs gebe es keine Alternative

Gericht erklärt Umweltzone Hannover für rechtmäßig

Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover ist die Umweltzone der Stadt rechtmäßig. Das liegt weniger am Feinstaub als den zu hohen NO2-Emissionen

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Hannover, 23. April 2009 – Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 4 A 5211/08 und 4 A 5289/08) vom Dienstag ist die Umweltzone in der niedersächsischen Landeshauptstadt rechtmäßig und auch in der Sache gerechtfertigt. Geklagt hatten eine Frau, die nicht mehr in die Umweltzone einfahren darf und ein Handwerksbetrieb, der seine Kunden dort nicht mehr anfahren kann.

Unwirksam …
Dabei hatte erst vergangene Woche Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) die Umweltzone unter Verweis auf ein Gutachten des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim als untauglich bezeichnet. Dieses hatte bereits in einem Halbjahresgutachten kaum Verbesserungen feststellen können, am Ende des Jahres 2008 war das Ergebnis noch ernüchternder. Das Amt bestätigt zwar, dass es seit 2004 In Hannover und im Umland Verbesserungen der Luftqualität gegeben hat. Doch ausgerechnet im Vergleich zwischen dem dem umweltzonenfreien Jahr 2007 und 2008 gibt es kaum messbare Veränderungen, weder im Umland noch in Hannover selbst.

… oder doch nicht?
Tatsächlich sah es für die Umweltzone in der Verhandlung zunächst schlecht aus, wie eine Sprecherin des Gerichts sagte. Doch letztlich ließ man sich von den Argumenten anderer Gutachter überzeugen: Zwar habe die Plakettenregelung „kaum einen Einfluss“ auf die Feinstaub­belastung. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit der Umweltzone sei vor allem ihr Einfluss auf die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid (NO2), das vor allem vom Autoverkehr stamme. Deshalb habe die Stadt zurecht Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung ergriffen. Zudem gebe es keine Alternative, Maßnahmen wie etwa die vorgeschlagene optimierte Ampelschaltung seien alleine nicht geeignet, die Luftqualität zu verbessern. Das Gericht folgte der Auffassung von Sachverständigen, nach der die Einführung der Umweltzone zu einer Verringerung der NO2-Belastung von 10 bis 15 Prozent führen könne.

Gericht erklärt Umweltzone Hannover für rechtmäßig

Daher hielt es auch die Folgen für Autobesitzer für verhältnismäßig, die nicht mehr in die Umweltzone einfahren dürfen, da dies nur einen kleinen Teil der Bevölkerung treffe. Unter Berücksichtigung der dafür geschaffenen Härtefallregelung werde die Belastung jedoch so abgefedert, dass die Verhältnismäßigkeit insgesamt nicht in Frage gestellt werde.

Hauptproblem Stickstoffdioxid
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dürfen die Kläger aber in Berufung gehen. Völlig chancenlos sind sie dabei wohl nicht. Denn das Gericht wertete offenbar Modellrechnungen für die Zukunft höher als die Messergebnisse des Jahres 2008. Das Niedersächsische Umweltministerium hält dagegen die Umweltzone für den falschen Weg, wie uns eine Sprecherin sagte. Man frage sich auch, wie mit dieser Maßnahme die neuen Emissionsgrenzwerte eingehalten werden sollen, die ab kommendem Jahr gelten. Denn ab 2010 beträgt der zulässige Jahresmittelwert für Stickoxide 40 µg/m3, bisher liegt der Grenzwert bei 50 µg. Zudem wird ab 2010 18-mal im Jahr ein Stundenmittelwert von 200 µg/m3 toleriert. Nach dem Hildesheimer Gutachten lag der Jahresdurch­schnittswert aber 2007 und 2008 bei 56 µg/m3, also um gut 40 Prozent zu hoch. Umweltminister Sander hatte schon vergangene Woche die Meinung vertreten, dass eine wesentliche Verbesserung der Luftqualität „nur langfristig durch Abgasminderungs­techniken oder Ausschluss des Schwerlastverkehrs sowie alternative Verkehrskonzepte zu erzielen“ sei.

Gibt es überhaupt genug „Stinker“?
Dass es Hannover gelingt, kurzfristig die Stickoxidemissionen in den Griff zu bekommen, erscheint schwierig, weil der Bestand an Dieselfahrzeugen, die keine grüne Plakette bekommen, wohl zu niedrig ist, als dass ihr Entfall genügen würde – schließlich begründet auch das Gericht die Verhältnismäßigkeit mit der geringen Anzahl betroffener Fahrzeuge. Zur Erinnerung: 2008 durfte man noch mit roter Plakette in die Umweltzone in Hannover einfahren, seit Anfang 2009 nur noch mit gelber Plakette und ab 2010 nur noch mit grüner Plakette. Ab 2010 sind demnach nur sehr alte Benziner und Dieselfahrzeuge betroffen, die die nicht über die Euro 3 hinauskommen und sich nicht auf „grün“ umrüsten lassen.

Gericht erklärt Umweltzone Hannover für rechtmäßig

Ein interessanter Aspekt des Urteils ist die zu erwartende Verschiebung in der öffentlichen Diskussion. Denn nicht mehr Ruß und „Feinstaub“ sind nunmehr die großen Problemkandidaten, sondern die Stickoxide, deren Reduktion aufwendig und teuer ist. Das gilt vor allem für Dieselfahrzeuge, die prinzipiell deutlich mehr Stickoxide emittieren als Benziner. Bisher lassen die Euro-Normen auch einen deutlich höheren Austoß zu, erst ab der Euro 6 wird von Dieselmotoren ein ähnlich niedriges Niveau wie bei Ottomotoren gefordert. Bei der Euro 6, die ab 2014 zu erwarten ist, wird man deswegen kaum um Techniken wie die Abgasnachbehandlung mit AdBlue herumkommen, wie sie verschiedene deutsche Hersteller unter dem Druck amerikanischer Abgasnormen bereits anbieten. Andere Techniken wie etwa HCCI (Homogeneous Charge Compression Ignition), die auch ohne Nachbehandlung geringe Stickoxid-Emissionen versprechen, sind noch nicht serienreif.

Zweifel bleiben
Technische Verbesserungen werden daher nur sehr langsam „im Feld“ ankommen. Deswegen ist der Gerichtsentscheid verständlich, aber auch die Zweifel des Umweltministeriums: Wie man bis 2010 die NOx-Emissionen von 56 auf 40 µg/m3 verringern will, ist schwer nachzuvollziehen. Diese Frage wird wohl auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg nochmals aufgerollt. Wenn die Kläger dort gewinnen sollten, wäre zwar das Problem der individuellen Ungleichbehandlung von Autobesitzern vorläufig behoben. Der Jubel könnte aber schnell verklingen. Dann dann müssten neue Maßnahmen her, um die verkehrsbedingten Emissionen zu senken. Da sind gute Ideen gefragt, denn mit einer nachträglichen Lockerung der Grenzwerte ist kaum zu rechnen.