Kalifornien im Katzenkarton

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So richtig lustig war es nicht, denn auf den teils tollen Straßen (Mulholland Drive!) offenbart der Mustang jede seiner zahlreichen Schwächen in Sachen Fahren. Die Hinterachse trampelt wie ein Elch und bräuchte dringend ein Sperrdifferenzial. Die Vorderachse schafft es, jeden Grip zu vermeiden. Die Automatik reagiert phlegmatisch. Und die mikroskopisch kleinen Bremsscheiben haben der Energie, die der V8 in die schwere Karosse schaufelt, nur sehr kurz etwas entgegenzusetzen – vor allem bergab. Selten hat ein Fahrzeug so schnell alle Vorurteile über sich bestätigt.

Land of the Krude

Aber dass der Mustang krude ist, wussten wir vorher. Es ist wie bei Harley-Davidson: Das Krude ist gerade das Interessante an amerikanischen Cruisern. Einen BMW mit Fahrwerk kann jeder ohne jede Schweißperle durch die Hollywood Hills scheuchen. Einen monumentalen Katzenkarton mit Seifenkistenfahrwerk ohne Bremsen auf Spur halten dagegen, das erfordert ehrliche Bruce-Springsteen-in-Denim-Arbeit an einem Lenkrad, das für die rein dekorative Bremse mitarbeiten muss. Auf dem Mulholland Drive macht das Laune. In den engen Supermoto-Sträßchen der Hollywood Hills mit seinen aufs Telefon konzentriert über beide schmale Spuren dahineiernden Autofahrern dagegen macht es eher Angst. Dort kehrte ich schnell wieder zum Cruisen zurück.

Das war gut, denn nach zwei Mal den mittlerweile ziemlich fledderigen Stecker ziehen bindet Fords Microsoft-Infotainment-Anlage endlich den iPod ein. Tito und Tarantula klingen in Kalifornien viel besser. Mag auch an der Anlage liegen, die für ein Auto dieser Preisklasse erfreulich gut klingt und dem Katzenkarton-Prollen mit starker Basslastigkeit hilft. Der Mustang skippt ausgerechnet Elvis-Songs irgendwie nur nach mehrfacher Aufforderung, aber das sei ihm verständig verziehen.

Beim Tanken (rund 14 Liter auf 100 km über alle Straßenarten) mag ich den Mustang. Man sieht das Modell auch überall herumstehen. LA ist eben ein großer Ballungsraum. Um auf eine schöne Landstraße zu gelangen, muss der Kurvensucher Milliarden Ampeln überqueren, um auf der Landstraße festzustellen, dass die ganz schön stark befahren wird. Der Cruiser findet hier sein natürliches Habitat. In Deutschland ist es wahrscheinlich ganz gut, dass der erste von Ford selbst importierte Mustang eine Mehrlenker-Hinterachse mit Sperrdifferenzial hat und (vermutlich) sogar Grip an der Vorderachse. Aber in Amerika? Man miete einen kruden Katzenkarton und werde glücklich. (cgl)