Klartext: Versuch macht kluch

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Die einst große Hoffnung Tablet-Magazine? Mikroskopische Umsätze. Es bleibt hauptsächlich der Publikationsweg online in XHTML. Die langsam steigenden Werbeeinnahmen dort fangen aber die zügig zurückgehenden Print-Einnahmen nicht auf, es bleibt netto hartnäckig ein Minus. Verzweifelt werben die Agenturen immer aggressiver, was die Werbekrise nur beschleunigt. Adblocker. Ablockerblocker. Gezeter.

Der Anlass, dieses alte Thema wieder auszugraben, war ein Waldlauf mit einem Fachmagazin-Kollegen. Er sorgt sich zu recht um seine Zukunft. Er denkt daran, wie sein Heft eine bessere 2.0-Version seiner selbst werden könnte, und obwohl er viel jünger ist als ich, merkt er nicht, wie gammelig schon die Idee des „2.0“ ist. Der große Versionssprung wird die Branchenkrise überwinden. Nein.

Mich hat der Web Summit auf ganz verschiedene Arten fasziniert. Die Hauptfaszination dabei war jedoch: Diese Leute konkurrieren mit dir als Medienmacher um die Aufmerksamkeit der Menschen, ob sie nun Spiele produzieren oder Middleware oder eine effizientere Komprimierung für 360°-Videos. Aber während Verlage in zwanzig Jahren Medienwandel selten Dinge ausprobierten, am wenigsten gerade jetzt, hauen diese Leute ständig was raus. Agile Entwicklung, Minimal Viable Product, zack, dann steht mal etwas da. Dieses Etwas ist zwar häufig wirklich minimally viable, aber meistens besser, als wenn es das nicht gäbe. Und dann werden in iterativen Sprints Funktionen schichtweise draufgeschmiert, bis es am Ende ausschaut, als wäre ein Plan aufgegangen. Natürlich läuft das so nur nur für immaterielle Produkte wie Software. Aber mir fällt ein immaterielles Produkt ein, das genauso behandelt werden könnte, und das ist die Information, aus der ein virtuelles „Heft“, ein Magazin in gleich welchem Medium besteht.

Fires on the Road

Ich glaube, dass die meisten Verleger geduldig auf eine Antwort warten, die ein Anderer gibt, ein Vormarschierer. Wenn aber alle nur warten und keiner vormarschiert, wird es diese Antwort nie geben. Ich kenne sehr viele Ideen aus sehr vielen Quellen für neue Objekte oder neue Arten, ein bestehendes Objekt zu gestalten. Sie liegen alle für immer in Schubladen. Es mangelt nicht an Ideen, sondern am Mut, sie auszuprobieren.

Damit dieser Text nicht so unkonkret, so negativ bleibt, nenne ich zwei positive, umgesetzte Ideen. Vor einiger Zeit traf ich einen US-Journalisten, der sein Motorradmagazin verkauft hatte, um eine Motorrad-Social-App herauszubringen. Sicherlich gab es da schon andere, ähnliche Apps, aber sein Redakteurs-artiges Herangehen könnte durchaus für die Eigenständigkeit sorgen, die jedes Objekt auch unter Apps braucht. Außer dem üblichen Routengetausche veranstaltete er zum Beispiel Geo-GPS-Challenges wie „Wer fährt die meisten Pässe an einem Tag?“, mit einem Satz gesponserter Reifen als Preis. Er finanziert sich über Werbung, aber da er nichts testet, steht er auch nicht im Interessenzwiespalt zwischen Hersteller und Konsument. Da werde ich sicherlich auch mal eine Challenge mitfahren – einfach der Erfahrung wegen.

Auch mein Steckenpferdthema, die freiwillige Leserfinanzierung, kann ich außer mit meinen eigenen, sehr kleinen Experimenten, mittlerweile zusätzlich mit den Erfahrungen des Guardian belegen. Man kann seit einiger Zeit (ohne Paywall, rein freiwillig) Artikel unterstützen, in dem man der Redaktion eine Münze in den Hut wirft. Mittlerweile verdient der Guardian an diesen freiwilligen Beiträgen mehr als mit Werbung. Wenn man sich fragt, warum das funktioniert, geben die Artikel die Antworten: Sie sind rein für Leser geschrieben, nicht für Massenklicks, nicht für Werbekunden. Da gibt es offenbar einen Markt. Deshalb möchte ich am Ende gern hören, was Sie sich denn von einer Fahrzeugpublikation wünschen. Sollten wir ein bisschen Aufwand investieren, um das Thema Dieselgeschummel einmal großflächig zusammenfassend abzuleuchten? Sollten wir mehr Autos im althergebrachten Vergleichstest gegenüberstellen? Oder sollten wir im Gegenteil Mobilität an sich erforschen, also um den Autokern die E-Bikes, Sharing-Apps und A-nach-B-Anbieter beleuchten? Ich glaube ja, dass viele Leser durchaus artikulieren können, über was sie gern etwas lesen würden, auch wenn es das gerade nicht gibt. Den Versuch ist es auf jeden Fall wert. (cgl)