Mecha-Tronik: die Technik der BMW S 1000 RR

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Um dabei kritische Kolbengeschwindigkeiten zu vermeiden, legte BMW den Motor extrem kurzhubig aus. Bohrung zu Hub: 80 mm zu 49,7 mm. Vergleichbare Verhältnisse findet man nur bei den Kreischsägen des 600-ccm-Supersport-Segments oder gleich in der Formel 1. Die Kurzhubigkeit ermöglicht erstens durch eine große Bohrung entsprechend dimensionierte Ventile, günstig für die Zylinderfüllung. Sie ermöglicht jedoch zweitens, auf Ausgleichswellen zu verzichten. Zwar erreicht den Fahrer damit noch ein geschüttelt Maß an Vibration in den Griffen, es bleibt jedoch im tolerierbaren Bereich, ja: die K46 sticht in dieser Hinsicht nicht mal besonders störend aus dem Konkurrenzumfeld hervor. Ihr helfen weiterhin lehrbuchmäßig lange Pleuel (Stichmaß: 103 mm) dabei, die Vibrationen zweiter Ordnung im Zaum zu halten.

Die systemimmanente Drehmomentschwäche des Kurzhubers dämpft BMW einerseits durch variable Ansaugtrichter und Resonanzklappensysteme, hauptsächlich jedoch durch eine passende Übersetzung. Da die K 46 deutlich höher dreht als die Konkurrenz, ist sie trotz ihrer Endübersetzung auf knapp 320 km/h kürzer übersetzt als diese und punktet somit selbst bei den Durchzugswerten im hohen Gang.

Brillenhonung

Die geschmiedeten Slipper-Kolben sowie die Titanventile sind im Nippon-Supersport schon länger üblich, doppelte Ventilfedern, Brillenhonung oder komplett nachgefräste Brennräme jedoch nicht. Bei der Brillenhonung wird vor der Honung eine namensgebende Brille aus Stahl (mit Aussparungen für die Zylinderöffnungen) mitsamt einer Kopfdichtung genau so fest montiert (Anzugsdrehmomente) wie der spätere Zylinderkopf. Die Honung behebt somit die minimalen Verzüge, die beim Verschrauben auftreten, was BMW für geringere innere Reibung nutzt. Auch die Vorspannung der Kolbenringe darf damit etwas geringer ausfallen.

Ungestörter Gaswechsel

Früher war es eine beliebte, weil ebenso billige wie wirksame Maßnahme, die Kanäle eines Motors nachzuschleifen, um die Grate und Ungleichmäßigkeiten des Gussvorgangs für eine glattere Strömung zu beheben. Kawasakis Motorradsparte machte sich dadurch einen Namen, dass sie Rentner schon im Werk diese Arbeit verrichten ließen, was der Leistung der Motoren aus Akashi zugute kam. BMW geht mit der S 1000 RR noch einen Schritt weiter und fräst außerdem noch alle Brennräume auf das exakt gleiche Volumen nach. Das damit über die gesamte Zylinderbank gleichartige Verhalten hilft nicht nur der Spitzenleistung, sondern erlaubt es auch im Zusammenspiel mit zwei Körperschallsensoren am Zylinderkopf, klopffrei ROZ 95 zu verbrennen – trotz einer Verdichtung von 13:1. Die Klopfregelung holt außerdem aus höheroktanigem Sprit noch ein wenig zusätzliches Drehmoment heraus.