Mecha-Tronik: die Technik der BMW S 1000 RR

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Beim Motorrad sind die Einschläge am Lenker in Fahrt minimal, da dieses Fahrzeug bei höheren Geschwindigkeiten fast komplett über Kreiselphysik gelenkt wird, und Querbeschleunigung entfällt größtenteils durch die Schräglagenfahrt. Zudem schlägt der Lenker bei schneller Fahrt zur Kurvenaußenseite hin ein (paradoxes Lenkverhalten), während er bei sehr langsamer Fahrt, im sogenannten Taumelbereich, meistens erst nach außen schlägt (der "Lenkimpuls") und dann nach innen fällt. Und letztens hängt es noch davon ab, wo sich der Fahrer hinlehnt. Ein messtechnischer Alptraum, den BMW als Datenquelle früh verwerfen konnte. Deshalb misst das DTC zwei orthogonale Achsen, einmal die Gierrate, einmal die Rollrate, und kann so über den Abgleich dieser zwei Messwerte in einer Pendelgleichung die Genauigkeit so weit erhöhen, dass es in der Fahrpraxis funktioniert. ABS und DTC schützen außerdem regelnd vor unbeabsichtigten Überschlägen nach vorne oder hinten, denn für die Beschleunigung gilt dasselbe wie fürs Bremsen: sie wird nicht von Leistung oder Reifen begrenzt, sondern von der Rolle rückwärts.

Die Elektr(on)ik

Um den Japanern in Sachen Leichtbau und Preis auf Augenhöhe zu begegnen, mussten die Bayern mit ähnlicher Konsequenz Gewicht verlieren, und um das in einen Kontext zu setzen: Im japanischen Leichtbau bohren Leute Löcher in Platinen, um ein paar Gramm zu sparen. Die K46 hat daher einen Kabelbaum mit exakt auf mögliche Zugkraftbelastungen und Stromfluss berechneten Querschnitten, der obendrein versucht, wo es geht, Kabel zu sparen. Um etwa die dicken Drehstromkabel vom Generator zum Gleichrichter kurz zu halten, liegen beide so nah wie möglich beieinander.

Gute Integration ist generell ein großer Pluspunkt des Motorrads. Der leistungsfähige Prozessor der zentralen Motorbox übernimmt zum Beispiel auch die Steuerung der Traktionskontrolle nebst der rechnerischen Auswertung der Daten aus dem Schräglagensensor. Oder das Cockpit: Es steuert die gesamte Fahrzeugbeleuchtung und erkennt sogar, ob der Besitzer einen Glühbirnen- oder LED-Blinker angesetzt hat, damit er beiden die richtige Strommenge liefert. Es erkennt außerdem defekte Leitungen oder Leuchtmittel und regelt die Hintergrundbeleuchtung nach Umgebungshelligkeit.

Yen sei Dank

Am Ende zog BMW einen Strich unter die Rechnung und sagte: 15.500 Euro Grundpreis. Das wäre signifikant mehr gewesen als die japanische Konkurrenz verlangt. Doch das Glück der Tüchtigen zeigte sich in Form eines dauerhaft ungünstigen Yen-Kurses. Kurz vor Erscheinen der BMW S 1000 RR hatten die Nippon-Hersteller ihre Vorräte an billigen Euros aufgebraucht und mussten die Preise in Europa anpassen. Damit gab es keine kaufrelevanten Unterschiede mehr in der Preisgestaltung und die BMW führt aktuell als bestes japanisches Supersportmotorrad die Verkaufshitliste der Superbikes an. (Clemens Gleich) (ggo)