Revolution der Vernunft

Opel GT: Der Opel mit dem Ami-Virus

Opel sehnte sich nach etwas Emotion, traute sich aber nicht. Ein Amerikaner küsste die Marke aus dem Dornröschenschlaf. Mit dem Opel GT

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Opel GT 14 Bilder
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Erstaunlich, was sich in der Wirtschaftsgeschichte so alles importieren ließ. Wagemut zum Beispiel. Das war mal so etwas wie ein amerikanischer Exportschlager und in Deutschland so selten wie freilebende Einhörner. In den 1960er Jahren brauchte ihn Opel dringend, denn es fehlte etwas Pep. Zumindest gefühlt – Umsatz, Auslastung und Rentabilität stimmten. Aber die Marke galt als auf angenehme Weise langweilig. Vielleicht ein wenig wie Skoda heute. Solide, verlässlich, bodenständig. Selbst der Kapitän und der spätere Admiral wirkten mehr wie ein Sonntagsanzug, der zu besonderen Gelegenheiten rausgeholt wird und weniger wie eine grundsätzliche Wesensänderung.

Zukunftsfragen in Rüsselsheim

Opel gehörte damals noch zu General Motors (GM) und die US-Marke wusste Eindruck zu schinden, Image aufzubauen und große Zukunftsvisionen zu entwerfen. Dafür hatte GM seit 1927 ein Designzentrum. Es kümmerte sich um Studien und gab Trends vor. Bei Opel gab es so etwas zu Beginn der 1960er Jahre noch nicht. Das Lastenheft gab das Design vor.

Dann kam Clare MacKichan. Er wechselte 1962 als Designchef nach Rüsselheim, wo gerade das Designzentrum gegründet worden war. MacKichan war zu diesem Zeitpunkt unantastbar. Sein Selbstvertrauen passte durch keine Tür mehr. Schließlich war er es, der die Corvette zu Papier gebracht hatte (seit 2011 ist er in der Corvette Hall-of-Fame – ja, die gibt es tatsächlich), was das GM-Image in jene Sphären schoss, in denen sich auch Opel bewegte.

MacKichan tat, wofür er geholt wurde und gab eine europäische Corvette in Auftrag. 1962 war das. Erhard Schnell, Designer bei Opel, und Murad Nasr, sein Assistent, kümmerten sich um die optische Ausführung. Nasr dürfen dafür gerne die Lorbeeren gegeben werden. Er hatte seine Ausbildung in den USA absolviert und wusste, was MacKichan erwartete. Kurven, die nie enden, Wellen, die üppig über das Blech branden, Coke-Bottle-Shape. Eh klar.

Das Ergebnis durfte 1965 auf der IAA in Frankfurt bewundert werden. Es trug den Namen „Opel Experimental GT“. Flache, lange Schnauze, geschwungene Seitenlinie, eckige Klappscheinwerfer.

Angst vor dem eigenen Mut

Doch Opel hatte Angst vor seinem eigenen Mut. Statt selbstbewusst eine Europa-Corvette vorzustellen, präsentierten sie das Auto ingenieurstrocken als „Versuchsfahrzeug für Höchstgeschwindigkeitsfahrten zur Erprobung von Karosserieformen, Motoren, Bremsen (...)“. Bevor Opel sich outete, wollten sie zunächst die Reaktionen des Publikums abwarten. Und die waren überwältigend. Opel muss es schwer gefallen sein, sich bei so viel Euphorie weiter an der eigenen Feigheit festzukrallen, statt sich hinfortreißen zu lassen.

Doch die mangelnde Partylaune hatte einen ganz handfesten Grund: Opel hatte keine freien Kapazitäten. Zumindest nicht genug um etwa (geschätzte) 30.000 Fahrzeuge pro Jahr nebenbei zu produzieren. Um das Problem zu umgehen, beauftragte Opel die französische Firma Brissonneau. In Genevilliers wurden die Karosserien gefertigt und in Creil wurden sie erst lackiert und dann mit der Innenausstattung versehen.