Im Auge des Benutzers

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Gäbe ich dem Druck der Steuerlast und ihrer Aussperrung aus der Stadt nach, würde ich die Fahrzeuge verschrotten und durch neue ersetzen müssen. Jedenfalls nach Staatsräson. In den Augen unserer Regierung verhalte ich mich also schädlich. Noch systemwidriger verhielte ich mich allerdings, wenn ich nur noch das Rad benutzte, weil die von uns gewählte Gesellschaftsform auf den Konsum lebenserhaltend angewiesen ist. Insofern immerhin keine Gefahr von mir.

Systemwidriges Radfahren

Wer jetzt einwendet, dass moderne Autos umweltfreundlicher wären, sollte wissen, dass es so etwas nicht gibt. Es gibt nur mehr oder weniger umweltschädliche Autos. Hier tut sich also die Frage auf, ob und ab wann es sich in Umweltmaßstäben eigentlich lohnt, ein Altfahrzeug vor der Zeit zu verschrotten. Bei geringen Laufleistungen eigentlich gar nicht. Darüber hinaus finde ich es – gewissermaßen im Namen der Gewerbetreibenden und Großstadtbewohner – bedenklich, dass ältere Autos im Nachhinein schlechtergestellt werden gegenüber modernen Fahrzeugen mit direkteinspritzenden Ottomotoren, die schädlichen Feinststaub erzeugen, mangels Partikelfilter auch emittieren und trotzdem eine grüne Plakette erhalten. Von der Strafsteuer sind solche Fahrzeuge ebenfalls ausgenommen, denn man will es sich ja nicht mit den *richtigen* Konsumenten verscherzen – womit wir schon wieder bei der Staatsräson unserer Konsumgesellschaft wären.

Erschwerend kommt für mich hinzu, dass wir ein komplett neu errichtetes Stadtviertel bewohnen, in dem sich Menschen zusammengefunden haben, die bewusst ohne oder doch mit möglichst wenig Auto wohnen wollen. Carsharing ist hier ganz alltäglich und das in dieser Hinsicht extremste Projekt heißt wirklich „Wohnen ohne Auto“. Diese Genossenschaft hat dank einer Ausnahmegenehmigung der Stadt das Privileg, keine unter- oder oberirdischen Stellplätze errichtet zu haben. Jedes Mitglied unterschreibt, dass er sich auch künftig kein Auto anschaffen wird. Allen anderen Bewohnern des Quartiers ist das Parken auf der Straße untersagt. Wer keinen TG-Platz hat, muss also in andere Viertel ausweichen. Das bedeutet für mich: Anfahrt mit den Öffentlichen zum eigenen Kraftfahrzeug, was eine Autofahrt emotional ungemein aufwertet. Das ist nicht als Kritik am öffentlichen Nahverkehr gemeint – den finde ich ja gut – sondern als Verstärkung des Ereignis-Charakters, den das Ganze annimmt, wenn man mal wieder das eigene Auto benutzt.