Rover SD1: Last Gentleman standing

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Dazu kam ein völlig sinnloses Wirtschaftsprogramm der Politik. Die legte in den 1950er-Jahren einen Plan zur Vollbeschäftigung auf, der auch für die eigentlich privatwirtschaftliche Autoindustrie galt. Um diesen Plan zu erfüllen, mussten die Autofirmen ohne Sinn und Ziel Fabriken bauen, nur um die Einstellungsquoten zu erfüllen. Meistens auf dem Land. Ende der 1960er-Jahre gab es in England 42 Fabriken, in denen zu großen Teilen schlecht ausgebildete Landbevölkerung Autos zusammen schraubte und damit auch eine enorme Überproduktion.

Gekündigt werden konnte niemand, da das Ziel der Vollbeschäftigung erreicht werden musste und die Gewerkschaften (jeder zweite Arbeitnehmer war Mitglied) eine enorme Macht hatten. Sie setzten auch durch, dass die Arbeitnehmer pro Stück bezahlt wurden. Das war weltweit einmalig in diesem Wirtschaftszweig. Denn statt auf Klasse achteten die Arbeiter nur noch auf Masse.

Diverse Zusammenschlüsse machten die Situation nur schwieriger. Denn die Firmen fusionierten zwar, die Marken blieben aber erhalten. Fabriken gab es ja genug, weswegen Synergieeffekte gar nicht nötig waren. 1975 rettete der Staat die British Leyland Motor Corporation. Ein Gnadenakt, der nur ein paar Jahre später unter Margaret Thatcher undenkbar gewesen wäre. Glück gehabt.

Die Chauffeurslimousine

In diese Situation wurde also der Rover SD1 hineingeboren, was den Wagen, da muss der Car-of-the-year-Jury Recht gegeben werden, zu einer Sensation machte. Schon rein optisch. Der Wagen brach mit der Rover-Tradition und wäre auf den ersten Blick eher mit einem Citroën oder einem Vauxhall verwechselt worden. Vielleicht sogar mit einem Ferrari. Denn der Ferrari Daytona war der Leitstern der britischen Designer. Die Presse fand Worte wie „aggressives Powerstyling“ und „aerodynamische Heckklappengeneration“. Was auch abwertend verstanden werden kann. Rover wollte mit diesem Auto den Ruf des Traditionalismus, der ihren Fahrzeugen vorauseilte, durchbrechen. Und tat das auch. Der SD1 hatte einen modernen, keinen modernden Flair.

Doch dann geht es auch schon mit den typischen Schwächen los. Der Wagen ist durchaus groß. Rover selbst kokettierte sogar damit, dass der SD1 als Chauffeurslimousine verwendet werden könnte – doch gilt das nur, wenn der Fahrer der Papa und die Fondgäste die Kleinkinder sind. Kurzum: der Chauffeur hätte mehr Beinfreiheit gehabt als sein Chef. Der Radstand von 2815 Millimeter (zum Vergleich: der damalige BMW 5er hatte 2636 Millimeter Radstand, der Opel Admiral 2845 Millimeter) verschwand im Nirwana.

Der sanfte Riese von Buick

Zu was Rover theoretisch fähig gewesen wäre – in einer anderen Zeit, in einem anderen Land, auf einem anderen Planeten - beweist der Motor. Der ursprünglich von Buick konzipierte und zur Reife entwickelte V8 (und nur um den soll es hier gehen) wurde mit einem Leichtmetall-Block umgesetzt. Aus den 3,5-Litern kamen zwar nur 157 PS, die verteilten sich aber überaus harmonisch über das Drehzahlband, wobei das Drehmoment sehr früh anlag. Das Getriebe war ungewöhnlich lang übersetzt. Schon im vierten Gang (Übersetzung 1:1) konnte die Höchstgeschwindigkeit von 203 Stundenkilometern erreicht werden.