Haftprüfung

Wie 4x4-Hybrid-Antriebe die Fahrdynamik neu definieren

Warum macht man Wintertests mit Hybridantrieben? Es bringt viele Erkenntnisse zu Traktion und Fahrsicherheit. Die neuen Antriebsarten weisen Wege zu einer elektrifizierten, leisen, sparsamen und sehr fahrsicheren Neudefinition von Fahrdynamik

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Allrad-Hybrid-Antriebe 10 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Gernot Goppelt
Inhaltsverzeichnis

Warum macht man Wintertests mit Hybridantrieben? Es bringt viele Erkenntnisse zu Traktion und Fahrsicherheit – und nebenbei die Erfahrung, was es mit Reibwerten auf unterschiedlichen Fahrbahnen auf sich hat. Beides zeigt, wie die neuen Antriebsarten Wege zu einer elektrifizierten, leisen, sparsamen und sehr fahrsicheren Neudefinition von Fahrdynamik weisen könnten.

Im ziemlich abgelegenen Arjeplog, gut 900 km nördlich von Stockholm, treffen sich alljährlich Automobilhersteller und -zulieferer zu so genannten Wintertests. Regelmäßig dabei ist auch die Firma Magna Powertrain, die Lösungen für den gesamten Triebstrang anbietet, also quasi vom Getriebe bis zu den angetriebenen Rädern.

Magna Powertrain ist bekannt als Konstrukteur diverser Allradfahrzeuge, beispielsweise der G-Klasse von Mercedes, die bei Magna Steyr in Graz vom Band läuft. Auch er war im Schweden dabei, Hauptdarsteller war aber ein anderer: das Hybrid-Demonstrationsfahrzeug e2 im schlichten Kleid des BMW 2er Active Tourer, vorn mit dem bekannten BMW-Serien-Dreizylinder mit 100 kW und Hybridgetriebe, hinten mit elektrifizierter Hinterachse. Der im Getriebe in P2.5-Anordnung integrierte E-Motor leistet maximal 80 kW, der Motor der hinteren, elektrisch angetriebenen Achse (P4), 160 kW. Zur serienmäßigen Hybridausführung als BMW Active Tourer 225xe (Test) haben wir einen Fahrbericht.

Wunschprogramm per Software

Das Besondere an diesem Fahrzeug: Per Tablet-App lassen sich während der Fahrt unterschiedliche Antriebe simulieren: 48-V- und Hochvolthybrid, unterschiedliche Leistungen der E-Motoren vorn und hinten, Front- oder Allradantrieb und Torque Vectoring durch eine Längs- oder Querverteilung des Drehmoments zwischen Vorder- und Hinterachse oder den beiden Hinterrädern. Die Teststrecke besteht aus verschiedenen Kursen, die alle paar Stunden auf einem zugefrorenen See aufbereitet werden. Im Wesentlichen bieten Sie die Möglichkeit, Traktion und Kurvenverhalten, anders gesagt, Längs- und Querdynamik bei einem definierten Reibwert zu testen.

Wir konnten mit dem e2 einige Varianten ausprobieren, zunächst mit konventionellem Frontantrieb, also nur mit Verbrennungsmotor. Wie zu erwarten lässt sich Leistung von potenziell 100 kW nicht annähernd auf dem aufgerauhten Eis in Vortrieb umsetzen. Im nächsten Schritt schaltete der beifahrende Magna-Entwickler den vorderen E-Motor und die hintere E-Achse zu, er simulierte so einen 48-V-Allradhybrid mit 100+25+25 kW.

Die Erkenntnis: Selbst mit nur 25 kW an der Hinterachse wird die Traktion gleich derart besser, dass sie den meisten Voralpenbewohnern völlig genügen würde. Wer ständig starke Steigungen im Gelände fährt, will mehr, aber wer tut das wirklich? Am Rande bemerkt: Simulierte 25 kW entsprechen derzeit dem maximal Machbaren bei 48 V, ansonsten steigen die Stromstärken zu sehr an – für mehr Leistung ist deswegen eine Hochvoltlösung sinnvoll.

Mehr Leistung alleine bringt nichts

Nächster Versuch, per Software hochgeregelt auf 100+80 kW vorne, diesmal aber wieder ohne angetriebene Hinterachse. Das Ergebnis: Auf dem aufgerauhten Eis bringt die Zusatzleistung an der Vorderachse absolut nichts, die Vorderräder gehen zügig in Gleitreibung über. Der Hochvolt-Front-Hybridantrieb bietet zwar im Alltagsverkehr mehr Potenzial für die Energierückgewinnung, aber bei rutschigen Straßenverhältnissen keinen Nutzen für bessere Traktion. Das disqualifiziert ihn nicht – wer in schneearmen Gegenden unterwegs, braucht sicherlich nicht unbedingt Allrad, es sei denn, er legt Wert auf viel Fahrdynamik.