Ehrlich währt am längsten: 30 Jahre Suzuki Bandit

1991 brachte Suzuki ein Vierzylinderbike nach Deutschland, das zwei Jahrzehnte in diversen Hubraumgrößen ein Bestseller war. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

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Einfachheit und Ehrlichkeit genügen für nachhaltigen Erfolg. Das bewies auch die Bandit über lange Zeit. Warum Suzuki keinen Nachfolger mit entsprechenden Qualitäten anbietet, ist ein Rätsel.

(Bild: Ingo Gach)

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Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Suzukis Bandit-Baureihe war ein Erfolgsmodell, das der japanischen Marke über viele Jahre hohe Stückzahlen bescherte und bis heute zehntausende von Besitzern begeistert. Wie baut man ein Erfolgsmodell? Die Antwort von Suzuki lautete in den frühen 1990er Jahren: Ehrlich und günstig.

Man nehme einen bereits bewährten, wassergekühlten Reihenvierzylinder mit elegant geschwungenen Krümmern, baue darum einen Rahmen aus Stahlrohren, wähle eine schlichte Tankform, montiere einen breiten Lenker, befestige vorne einen zeitlosen Rundscheinwerfer, informiere über zwei klassische Rundinstrumente, biete sowohl Fahrer als auch Sozius ausreichend Platz und verkaufe das Gesamtpaket zu einem günstigen Preis.

Heraus kam die Suzuki GSF 400 Bandit, die 1991 ihren Weg nach Europa fand. Ihr Vierzylindermotor verfügte über nur 398 Kubikzentimeter, drehte aber bis beachtliche 12.000/min, wo sie 59 PS leistete. Wer die kleine Bandit also fleißig bei Drehzahlen hielt, konnte mit dem vollgetankt 189 Kilogramm schweren, sehr handlichen Naked Bike flott unterwegs sein, denn sie rannte 177 km/h – nicht schlecht für eine unverkleidete 400er. In Deutschland wurde die GSF 400 Bandit für nur 8290 Mark offeriert und fand zwischen 1991 und 1995 immerhin 3500 Käufer. Hierzulande drosselte Suzuki die kleine Bandit aber wegen der günstigeren Versicherung mit längeren Gasschiebern auf 50 PS bei 10.600/min und nahm dem Motor leider etwas den Biss. Doch die 400er Bandit war ein Vorbote für Größeres.

1995 erschien die GSF 600 N Bandit und war vom Start weg ein Bestseller. Sie war erwachsener als die 400er und bot deutlich mehr Leistung. Ein in Fahrzeugfarbe lackierter Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen umschloss den luft-/ölgekühlten Reihenvierzylinder aus der vollverkleideten Suzuki GSX 600 F, allerdings war er von 86 auf 78 PS bei 10.500/min gedrosselt, um die Bandit in die Versicherungsklasse bis 57 kW zu bekommen.

30 Jahre Suzuki Bandit I (7 Bilder)

Vor 30 Jahren fand die Suzuki GSF 400 Bandit ihren Weg von Japan nach Europa. Der quirlige 400er-Reihenvierzylinder musste zwar bei Drehzahlen gehalten werden, sorgte aber für Fahrspaß.

Die feinen Kühlrippen der Zylinder kamen erst bei der Bandit so richtig zur Geltung und die Krümmer samt Auspufftöpfen unterstrichen den attraktiven Auftritt. Die Instrumente und der Rundscheinwerfer glänzten in Chrom, der Tank war mit seinen Rundungen sehr gefällig. Zudem saß der Pilot bequem und aufrecht, dank einer gut gepolsterten Sitzbank und eines breiten, passend gekröpften Lenkers. Der Durchzug des 216 Kilogramm schweren Bikes war zwar nicht berauschend, aber der Motor erwies sich als drehfreudig und wer sich flach auf den Tank legte, erreichte auf der Autobahn haarscharf die 200-km/h-Marke. Suzuki wollte für die GSF 600 N Bandit nur 10.290 Mark haben und die Kunden rissen den Händlern das schicke Naked Bike aus den Händen.

Ein Jahr später erweiterte Suzuki die Modellreihe und passte der GSF 600 S Bandit eine Halbschalenverkleidung mit Rechteckscheinwerfer an, was die Alltags- und Tourentauglichkeit noch steigerte. Die 600er Bandits stellten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Verkaufsrekorde auf. Doch Suzuki gab sich damit nicht zufrieden und brachte parallel zur 600er noch die GSF 1200 N Bandit auf den Markt, die der kleineren Ausgabe verblüffend ähnlich sah. Auch hier griff man zu einem altgedienten Motor: Der luft-/ölgekühlte Reihenvierzylinder ist schon 1986 in dem Sportler GSX-R 1100 vorgestellt worden, für die Bandit bohrte Suzuki ihn auf 1157 Kubikzentimeter auf. Die maximale Leistung wurde von 130 auf 98 PS zurückgenommen, dafür glänzte der große Vierzylinder mit 98 Nm Drehmoment bei 4500/min sowie sattem Durchzug und kam mit dem Gewicht von 234 Kilogramm spielend zurecht.

30 Jahre Suzuki Bandit II (8 Bilder)

Auch die große Bandit gab es natürlich mit Halbschalenverkleidung. Die GSF 1200 S bot mehr Schutz gegen den Fahrtwind, was bei über 220 km/h Topspeed auch nötig war. Die drei Jahre lang angebotene Version SX mit ABS entpuppte sich hingegen als Flop und fiel aus dem Programm.

Das Fahrwerk zeigte sich ausgewogen und angenehm straff gefedert. Die 1200er Bandit war kein Ausbund an Handlichkeit, lag aber neutral und stets berechenbar in der Kurve. Der große Motor genehmigte sich gern über sechs Liter Sprit auf 100 Kilometer, aber mit dem 19-Liter-Tank kam die Suzuki dennoch auf akzeptable Reichweiten. Wenn es sein musste, rannte sie 218 km/h Topspeed, wobei sich für hohes Tempo die Variante GSF 1200 S Bandit mit Halbschalenverkleidung als angenehmer empfahl, die es zudem auf über 220 km/h Topspeed brachte. Für einen Preis von 14.490 Mark (N) bzw. 15.190 Mark (S) schoss die 1200er Bandit bis ganz nach oben in den Verkaufscharts bei den Big Bikes. Suzuki kam kaum noch mit den Lieferungen hinterher.

Nur ein Jahr nach der Vorstellung wurde der Leistungsverlauf etwas harmonischer gestaltet, denn im ersten Baujahr fiel die Kraft recht plötzlich über den Fahrer her – Experten nutzen den Effekt für Wheelies, Ungeübte hingegen erschreckten sich. Das maximale Drehmoment des 1200ers sank dabei auf 91 Nm, doch blieb die große GSF 1200 ein Durchzugs-Monster, das betont schaltfaul gefahren werden konnte. Suzuki verbesserte die Bandits kontinuierlich, so gab es 1997 die GSF 1200 SX gegen Aufpreis wahlweise mit ABS, das aber kaum geordert wurde und deshalb drei Jahre später wieder aus dem Programm fiel – damals standen viele Motorradfahrer dem ABS noch skeptisch gegenüber, weil es viel zusätzliches Gewicht bedeutete und die Regelintervalle noch sehr grobkörnig waren. Vom Verkaufserfolg seiner Bandits war vermutlich sogar Suzuki selber überrascht, bis zur Jahrhundertwende verkauften sich allein von den 600er Bandits rund 30.000 Stück in Deutschland.

Im Jahr 2000 kam dann die erste große Modellpflege für die Bandit-Baureihen. Sie erhielten einen neuen Rahmen, dessen obere Rohre nun gerade nach hinten verliefen und entsprechend wurde die Form des Tanks geändert. Die Sitzbank war deutlicher konturiert, die Seitenteile und die Heckverkleidung zeigten sich neu gestaltet. Außerdem war an Details gefeilt worden wie den Instrumentengehäusen, Rückspiegeln und den Scheinwerferhalterungen.

Die Halbschalenverkleidung der S-Modelle erstrahlte in einem neuen Look mit geändertem Scheinwerfer und höherer Scheibe. Das bewährte Fahrwerk blieb weitgehend unangetastet. Beim 1200er-Motor wurde das maximale Drehmoment auf 92 Nm bei 6500/min angehoben, nachdem es zwei Jahre lang auf 84 Nm bei 4500/min gesenkt war, es blieb aber bei 98 PS bei 8500/min. Auch der 600er-Vierzylinder bekam eine leichte Fitnesskur und das Drehmoment stieg auf 55 Nm.

Die kleinere Bandit erhielt 2005 eine Hubraumaufstockung auf 650 cm3 und einige kleine Designretuschen wie das spitzer zulaufende Heck. Die Höchstleistung blieb bei 78 PS, dafür stieg das Drehmoment auf 59 Nm. Erst 2007 stand der wirklich große Einschnitt an: Suzuki stellte die Bandit für die Euro-3-Norm auf Wasserkühlung um. Das war ein riskanter Schritt, denn die Fans liebten die nostalgischen Zylinder-Kühlrippen der luft-/ölgekühlten Motoren. Doch das Konzept des zuverlässigen Sporttourers funktionierte dank der niedrigen Preise weiterhin, zumal die flüssigkeitsgekühlten Reihenvierzylinder auch an Kraft zulegten. Die Bandit 650 holte aus 656 cm3 nun 86 PS und 62 Nm, die große Bandit wurde auf 1255 cm3 aufgestockt und leistete zwar weiterhin 98 PS, die aber schon bei 7500/min anlagen und das maximale Drehmoment stieg auf satte 108 Nm bei nur 3700/min. Ihrem Ruf als bärenstarkes Durchzugsmonster blieb sie damit gerecht.

Vor allem aber profitierten die Bandits weiterhin von ihrem Image als zuverlässige Begleiter, die alles mitmachten. Sechsstellige Laufleistungen waren mit dem 1200er- und 1250er-Motor durchaus möglich, vorausgesetzt die Inspektionsintervalle wurden eingehalten. Doch 2016 stellte Suzuki – wohl wegen der Euro-4-Norm – die 650er und 1250er Bandit ein. Bis zum Schluss wurden sie von Einsteigern genauso geschätzt, wie von alten Fahrensmännern – mit einer Bandit, egal ob neu oder gebraucht, konnte man eigentlich nichts falsch machen. Die letzten Bandits verließen für 7490 (GSF 650 N Bandit) bzw. 9740 Euro (GSF 1250 N Bandit) die Händler.

Warum Suzuki für sein außerordentliches Erfolgsmodell keinen Nachfolger gebaut hat, weiß wohl nur die Firmenzentrale in Hamamatsu. Der Bandit-Fahrer ist eher konservativ und schätzt den klassischen, ehrlichen Look seines Sporttourers. Er hat es noch verkraftet, dass die Bandits 2007 von Luft- auf Wasserkühlung umgestellt wurden, doch mit dem modernen, kantigen Design einer Suzuki GSX-S 1000 kann ein Bandit-Besitzer nichts anfangen. Die GSX-S 1000 ist zwar stärker und leichter, bietet aber weniger Touren- und Soziustauglichkeit und ist dazu deutlich teurer. Die kleinere GSX-S 750 verkauft sich durchaus gut, lockt aber eine andere Klientel an, die auf moderne Streetfighter steht. Der Bandit-Besitzer will keine hohe Spitzenleistung, sondern ein früh anliegendes Drehmoment, eine bequeme Sitzposition, große Zuverlässigkeit und das Ganze zu einem sehr günstigen Preis. Vielleicht besinnt sich Suzuki eines Tages wieder auf die Tugenden der Bandit. Den Verkaufszahlen würde es gut tun.

(fpi)