40 Jahre Yamaha RD 350 LC

Seite 2: Mutiger Trendsetter

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Der Dämpfer des Zentralfederbeins war mit Hydrauliköl befüllt, das dank einer Stickstofffüllung schaumfrei blieb. Das Fahrwerk funktionierte für damalige Verhältnisse erstaunlich gut, Pendeln kam bestenfalls bei Topspeed mit nicht mehr ganz taufrischen Reifen vor.

Der Hochleistungs-Zweitakter war durstig, sieben Liter Sprit genehmigte er sich im Schnitt auf hundert Kilometer und auf der Rennstrecke konnten es auch noch deutlich mehr sein. Aber die früher berüchtigte blaue Zweitaktfahne trat kaum noch auf, da die automatische Ölzufuhr lediglich das nötige Minimum zusteuerte. Aufgrund ihrer schlagartigen Leistungsentfaltung galt die RD 350 LC als schwierig zu fahrendes Bike, dennoch oder gerade deshalb erfreute sie sich bei sportlichen Fahrern großer Beliebtheit, die Racing-Optik und der günstige Anschaffungspreis taten ihr übriges dazu. Natürlich wurden viele der RDs auf der Rennstrecke bewegt, wo sie es zu beachtlichen Erfolgen in den Amateur-Rennklassen brachten. Die RD 350 LC hatte jedoch bald ihren Ruf als Kamikaze-Bike weg, weil viele Übermütige sie kalt verformten. Die Händler freuten sich über rege Ersatzteilbestellungen.

40 Jahre Yamaha RD 350 LC Teil 2 (8 Bilder)

Die wassergekühlte RD hatte eine Cantilever-Schwinge mit einem flach liegenden Mono-Federbein, das sich am Doppelschleifen-Rohrrahmen abstützte. In manchen Ländern trug die RD die Modellbezeichnung RZ, wie auf dem Bild zu lesen ist.
(Bild: Yamaha )

Tuning-Maßnahmen waren damals unter RD-Fahrern sehr beliebt, bis zu 70 PS in der 350er waren möglich, was aber auch extremen Verschleiß bedeutete und oft Motorschäden. Vor allem die Kurbelwellenhauptlager verschlissen im Zeitraffertempo. Bei guter Pflege erwiesen sich die Serien-Motoren aber als durchaus haltbar, spätestens nach 30.000 Kilometer waren allerdings die ersten Übermaß-Kolben fällig, wobei die 250er weniger Probleme machte als die größere Schwester. Entgegen einer weitläufigen Meinung waren die RDs nie wirklich billig im Unterhalt, denn nicht nur der Spritverbrauch und die Versicherung, sondern auch die Ersatz- und Verschleißteile konnten große Löcher ins Konto reißen. Sparen konnte der Besitzer hingegen bei den Inspektionskosten, dank der einfach aufgebauten Technik.

Schon 1983 kam mit der RD 350 LC YPVS die Nachfolgerin auf den Markt. Nicht nur das Design, auch der Rahmen und das Fahrwerk der RD 350 LC YPVS waren komplett neu gestaltet worden. Das Yamaha Power Valve System (YPVS) stammte aus dem Rennsport und war eine im Auslasskanal untergebrachte, computergesteuerte Walze, deren V-förmiger Ausschnitt mit steigender Drehzahl immer mehr des Querschnitts freigab. So konnte die Spitzenleistung auf 59 PS, drei Jahre später sogar auf 63 PS angehoben und vor allem das Drehmoment verbessert sowie die Leistungskurve etwas geglättet werden.

Das YPVS-Modell läutete das Ende der RD 350 LC ein und die 250er flog 1984 sogar ersatzlos aus dem Programm. Dennoch dürfen die RD 350 LC und RD 250 LC für sich in Anspruch nehmen, Meilensteine in der Motorradgeschichte zu sein. Zwar hatte Suzuki als erster Hersteller schon 1971 die GT 750 "Wasserbüffel" mit einem wassergekühlten Zweitakt-Motor auf den Markt gebracht, aber erst durch die günstigen RDs wurde das Konzept zum durchschlagenden Erfolg. Sie sahen nicht nur wie Rennmotorräder aus, sondern waren auch wirklich schnell und erfreuten sich großer Sympathien, wie die Verkaufszahlen bewiesen.

Der Verkaufserfolg der RDs ließ die japanischen Konkurrenten, die sich bis dahin mehr auf die großen Viertakt-Sportler konzentriert hatten, umdenken. Sie begannen nach dem Vorbild ihrer 250er-GP-Bikes wassergekühlte Viertelliter-Zweitakt-Sportler für die Straße zu bauen. Suzuki brachte 1983 die RG 250 Gamma mit Alu-Rahmen heraus, Honda folgte mit der NS 250 R und Kawasaki mit der KR-1. Auch Yamaha schuf 1986 mit der 50 PS starken TZR 250 eine federleichte Racing-Replica samt üppig dimensioniertem Alu-Rahmen und machte damit der RD 350 YPVS Konkurrenz im eigenen Haus.

Die 250er-Sportler wurden von den vier japanischen Marken bis Mitte der 1990er Jahre hauptsächlich für den heimischen Markt in mehreren Modellstufen weiterentwickelt und boten teilweise lupenreine Grand-Prix-Technik. Den Gipfel der Zweitakt-Racer-Evolution markierte 1984 die 88 PS starke Yamaha RD 500 LC YPVS, ein Jahr später erschien die Honda NS 400 R mit 72 PS und 1985 überbot Suzuki die Konkurrenz mit 95 PS in der RG 500 Gamma. Die RD 350 LC YPVS blieb bis 1989 im deutschen Modellprogramm, wurde aber noch bis 1995 in einigen Ländern angeboten.

Ohne die RD 350/250 LC hätte es all die extremen Zweitakt-Sportler in den 1980er und 1990er Jahren vielleicht nie gegeben. Yamaha hatte 1980 Mut bewiesen, dem Viertakt-Motor mit dem vermeintlich ausgedienten Zweitakt-Konzept entgegenzutreten, indem sie der RD Wasserkühlung und Attribute aus dem Rennsport mitgaben. Heute gehören die RD 350 LC und RD 250 LC zu den gesuchten Raritäten, denn allzu viele der Sportbikes haben die letzten vierzig Jahre nicht überstanden. Für gut erhaltene Exemplare wird heute mindestens der doppelte Neupreis von damals verlangt. Ob eine RD 350 LC bzw. RD 250 LC eine Wertanlage ist, sei dahingestellt, aber man erwirbt auf jeden Fall ein faszinierendes Stück Motorradhistorie mit einem sehr eigenständigen Charakter.