Batterien für Elektroautos Teil 3: Die Zukunft - Natrium statt Lithium
Anoden aus Hard Carbon haben eine große Schwäche. Wird sie überwunden, könnten Batteriezellen preiswerter und weniger frostempfindlich als bisher werden.
- Christoph M. Schwarzer
(This article is also available in English)
Über viele Jahrzehnte stand bei der Weiterentwicklung des Antriebsstrangs in Autos der Motor im Fokus. Mit der Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb verschiebt sich das, denn nun steht die Batteriezelle im Mittelpunkt des Interesses. Global werden aktuell riesige Summen investiert, um hier Fortschritte zu erreichen. Energiedichte, Haltbarkeit, Ladeleistung und vor allem die Kosten sind es, die optimiert werden müssen, wenn der batterieelektrische Antrieb überall auf der Welt eine Chance haben soll.
In einer Artikelserie wollen wir zeigen, wo wir heute stehen und wohin die Entwicklung geht. Den politischen Rahmen hat die Europäische Union gesetzt: Ab 1. Januar 2035 dürfen ausschließlich Pkw neu zugelassen werden, die keine direkten CO₂-Emissionen haben. Nach heutiger Einschätzung werden das weitestgehend batterieelektrische Autos sein. Weil die Industrie nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden kann, wird es in den knapp zwölf Jahren bis zum Stichtag einen kontinuierlichen Hochlauf geben.
Natrium kann Lithium als Aktivmaterial in Batteriezellen ersetzen. Das zumindest sagen CATL und BYD. Die chinesischen Unternehmen sind überzeugt, dass sie es schaffen, das eine Alkalimetall durch das andere auszutauschen. Der Vorteil von Natrium: Fachleute nehmen an, dass die Kosten pro Kilowattstunde Energieinhalt in der Traktionsbatterie um mindestens 20 Prozent im Vergleich zu Lithium-basierten Systemen sinken. Natrium kommt häufig vor und ist leicht zu gewinnen. Die grundsätzlichen Produktionsverfahren ähneln den bisherigen. BYD plant noch in diesem Jahr Elektroautos mit Natrium-Ionen-Zellen in Serie zu fertigen. Sollte das gelingen, wäre das vor allem ein Erfolg der Werkstoffforschung.
Der Kostendruck ist in den preissensiblen Segmenten besonders hoch, also bei den elektrischen Kompakt-, Klein- und Kleinstwagen. Formal können Natrium-Ionen-Batterien überall eingesetzt werden; es ist aber wahrscheinlich, dass das zuerst bei günstigen Elektroautos passiert. So berichtet das chinesische Portal Auto Later, dass die BYD-Modelle Qin, Dolphin und Seagull bald damit ausgerüstet sein könnten. BYD sieht den Produktionsstart für Natrium-Ionen-Zellen für das zweite Quartal 2023 vor. Ein Kleinstwagen wie der noch nicht offiziell vorgestellte BYD Seagull könnte nach dieser Quelle ca. 14.000 Euro kosten.
Anfangs niedrige Energiedichte
Ein immanenter Nachteil von Natrium-Ionen-Zellen ist die geringe Energiedichte. CATL hat bei der Vorstellung im Juli 2021 bis zu 160 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) genannt. Ein Wert, der vor wenigen Jahren noch für Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) typisch gewesen wäre. Allerdings kommt laut CATL zuerst ein Hybridsystem mit einer Mischung aus Natrium- und Lithium-Ionen-Zellen zum Einsatz, um die jeweiligen Schwächen durch die Stärken des anderen auszugleichen. Trotzdem peilt CATL bereits 200 Wh/kg für eine ausschließlich Natrium-basierte Traktionsbatterie der zweiten Generation an.
In Deutschland heißt es wegen der niedrigen Energiedichte oft, diese Zellchemie wäre nur als stationärer Speicher für Sonnenstrom in Häusern geeignet. Also dort, wo es auf den Platzbedarf nicht ankommt. Diese These war exakt so vor einigen Jahren noch über LFP-Zellen zu hören. Als Tesla das Model 3 damit ausgerüstet hat, veränderte sich diese Sichtweise schlagartig.
Gute Kälteeigenschaften
Abgesehen vom Preis haben Natrium-Ionen-Zellen noch eine weitere Stärke: Die Tieftemperatureigenschaften sind besser als zum Beispiel bei LFP-Zellen. So haben sie laut CATL bei minus 20 Grad noch 90 Prozent ihrer Kapazität. Außerdem sagt CATL, dass der Anteil des Aktivmaterials am Gesamtsystem auf 80 Prozent gesteigert werden kann. Das ist noch mehr als die 72 Prozent, die der chinesische Weltmarktführer mit den Lithium-basierten Zellen der neuen Qilin-Batterie avisiert.
Wenn das Potenzial so groß ist, stellt sich die Frage, warum nicht alle Batterieproduzenten neben Lithium- auch Natrium-Ionen-Zellen bauen. Die Antwort liegt an der Anode: Hier befindet sich amorpher Kohlenstoff, der meistens mit dem englischen Begriff Hard Carbon bezeichnet wird.
Anode aus Hard Carbon
Beim allerersten Laden gingen in der Vergangenheit 20 Prozent der Kapazität verloren. Wenn CATL und BYD jetzt ankündigen, in die Serienproduktion zu gehen, lässt das die Interpretation zu, dass genau dieses Problem behoben wurde. Beide Unternehmen sind sehr groß; sie sind also nicht wie Startups darauf angewiesen, eigene Forschungsergebnisse aufzublasen. Im Gegenteil, CATL und BYD können es sich nicht leisten, der gemachten Ankündigung kein Produkt folgen zu lassen.
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An der Kathode von Natrium-Ionen-Zellen befindet sich Preußisch-Blau, ein ungiftiger Farbstoff. Auch er ist kostengünstig und kann in Europa gemacht werden; teure Metalle wie Nickel oder Kobalt sind nicht notwendig. Natrium-Ionen-Zellen sind im Grundsatz lange bekannt, und der Fortschritt liegt in der Anode. Wie genau die Entwickler aus China die Eigenschaften des Hard Carbons in den Griff bekommen haben, sagen sie nicht.
Für die Masse zählt der Preis
Wenn das Elektroauto weltweit den Verbrennungsmotor ablösen soll, ist eine preisgünstige Zellchemie die wichtigste Voraussetzung. Es geht ums Geld. Eine Erkenntnis, die Elon Musk früh und laut geäußert hat, und auf dem deutschen Markt war Tesla immer Vorreiter bei der Zellchemie. Jetzt aber sind chinesische Firmen ganz vorne: CATL als Zulieferer und BYD als Zellproduzent und zugleich Autohersteller. Wir dürfen gespannt sein, wann das erste Elektroauto mit Natrium-Ionen-Zellen auf den deutschen Markt kommt. Ich tippe auf einen Kleinwagen und das Jahr 2025.
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(mfz)