Batteriezellen für Elektroautos: Europa baut riesige Produktionskapazitäten auf
Batteriezellen für Elektroautos werden zunehmend in Europa gefertigt, viele davon in Deutschland. Was bleibt, ist die Abhängigkeit von den Rohstoffen.
- Christoph M. Schwarzer
Europa wird zu einem bedeutenden Standort für die Produktion von Batteriezellen, Deutschland wird sein Zentrum. Das ist das Ergebnis einer Auswertung der RWTH Aachen. Dr. Heiner Heimes, geschäftsführender Oberingenieur am Lehrstuhl Production Engineering of e-Mobility components (PEM), und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Gerrit Bockey haben die offiziellen Ankündigungen der Zellproduzenten addiert: Bis Ende des Jahrzehnts werden jährlich gut 1300 GWh Speicherkapazität gefertigt und 478 GWh davon in Deutschland. Damit reduziert sich die Abhängigkeit von Importen aus Asien radikal.
Regionale Wertschöpfung
Lange hatte die Autoindustrie argumentiert, dass die Batteriezelle lediglich ein beliebiges Zulieferteil wäre. Die eigentliche Kompetenz wäre, die Chemie der Zellen zu verstehen, sie in ein Batteriesystem zu packen und perfekt zu steuern. Inzwischen hat aber sowohl bei den Fahrzeugherstellern als auch bei den Zellproduzenten ein Umdenken eingesetzt. Wie so oft in der Autoindustrie erfolgt die komplette Wertschöpfung marktregional. In den USA verkaufte Pkw werden häufig dort produziert, auch wenn es ein Mercedes ist. Ein in Deutschland verkaufter Toyota kommt oft aus Frankreich. Kurze Wege, kontrollierbare Lieferketten.
"Wir brauchen eine eigene Zellproduktion"
"Wir haben früh dafür sensibilisiert, dass wir in Europa eine eigene Zellproduktion brauchen. Von Covid über vermeintlich kleine Krisen wie die Blockade des Suez-Kanals durch ein Containerschiff bis zum Krieg in der Ukraine: Stellen Sie sich vor, wir wären dauerhaft und ausschließlich von Importen abhängig", sagt Heimes. Elektromobilität ohne die Zellen für die Traktionsbatterie könne nicht funktionieren. Sein volkswirtschaftlicher Gedanke: Die Wertschöpfung muss in Europa gehalten werden. Das würde auch den Arbeitsplatzverlust bei den Verbrennungsmotoren teilweise auffangen.
1300 GWh pro Jahr
Die Zelle ist das kleinste Bauteil einer Traktionsbatterie. Mehrere Zellen werden zu einem Modul zusammengefasst, mehrere Module bilden zusammen mit aufprallfestem Gehäuse, Heizung, Kühlung und der Managementsoftware das komplette Batteriesystem. Wenn die Zellproduzenten mitteilen, bis 2030 rund 1300 GWh pro Jahr bauen zu wollen, lässt sich das auch ungefähr in eine Zahl von Elektroautos übersetzen. Eine Gigawattstunde entspricht einer Million Kilowattstunden. Es reicht also für etwa 26 Millionen batterieelektrische Pkw mit je 50 kWh Energiegehalt oder 13 Millionen mit je 100 kWh.
Bedenkt man nun, dass der Anteil der batterieelektrischen Autos bis 2030 auf 70 und mehr Prozent steigen muss, weil die CO₂-Limits der Europäischen Union das erfordern, und dass in der EU zehn bis zwölf Millionen Pkw pro Jahr verkauft werden, ist der Eigenbedarf großzügig gesichert. Es muss hierbei zusätzlich bedacht werden, dass neben den batterieelektrischen Autos auch Plug-in- und Voll-Hybride sowie Lkws gebaut werden, die ebenfalls Zellen benötigen. Trotzdem könnte eine Situation entstehen, in der sogar ein Export von Zellen möglich ist.
Enormer Kostendruck, hohe Qualitätsanforderung
Beim Hochlauf der geplanten Batteriezellfabriken gibt es allerdings auch Herausforderungen: "Der Kostendruck ist enorm", erklärt Heimes und ergänzt, dass "die Qualität darunter nicht leiden darf". Denn ein Fehler kann bei der gebräuchlichen Zellchemie mit einer NMC-Kathode (Nickel, Mangan, Kobalt) zum gefürchteten Thermal Runaway führen, also zu einem Brand.
Ein Ausweg aus diesem Risiko werden LFP-Zellen sein, die Eisen und Phosphat einsetzen und faktisch keinen Thermal Runaway kennen. Diese Zellen haben, verglichen mit NMC-Zellen, zwar eine geringere Energiedichte; diese ist aber nicht mehr das einzige Kriterium für eine gute Batterie. Chinesische Hersteller wie BYD mit der 800-Volt-Platform 3.0 und den großvolumigen, sogenannten "Blade"-Zellen (englisch: Schwert) weisen den Weg. Ein Elektroauto wie die Limousine BYD Seal wird nicht danach bewertet werden, welche Chemie in der Traktionsbatterie verbaut ist, sondern wie hoch die Reichweite tatsächlich ist – und das hängt eher vom Preis als dem verfügbaren Bauraum zwischen den Achsen ab.
Immer mehr LFP-Zellen
LFP-Zellen könnten auch ein Problem abmildern, das stark an Bedeutung gewinnt: Die Rohstoffpreise steigen. Der Trend der vergangenen zehn Jahre, in denen Batteriezellen aufgrund der Fortschritte bei der Produktion über 80 Prozent günstiger geworden sind, ist gestoppt. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Zellen demnächst sogar teurer werden.
Darum kommt sowohl der Auswahl der verwendeten Materialien – meist sind es Metalle – als auch dem zukünftigen Recycling eine entscheidende Rolle zu: Wenn verschlissene Batterien nicht exportiert, sondern in Europa recycelt werden, ist das strategisch wichtig. Denn so schön es ist, wenn Europa und Deutschland als großer Teil davon zum Produktionsstandort für Batteriezellen werden, führt das keineswegs zu einer vollständigen Unabhängigkeit von Importen. Die Rohstoffe müssen irgendwo herkommen. Die Minen dafür liegen häufig außerhalb der Europäischen Union.
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(mfz)