Batteriezellen für Elektroautos: Europa baut riesige Produktionskapazitäten auf

Batteriezellen für Elektroautos werden zunehmend in Europa gefertigt, viele davon in Deutschland. Was bleibt, ist die Abhängigkeit von den Rohstoffen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 134 Kommentare lesen
VW ID.3

Selbst wenn alle Batteriezellen in Europa produziert werden, bleibt aber die Abhängigkeit von Metallimporten wie Lithium. Dem Recycling kommt also eine bedeutsame Rolle zu. Im Bild: VW ID.3 (Praxistest)

(Bild: VW)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Europa wird zu einem bedeutenden Standort für die Produktion von Batteriezellen, Deutschland wird sein Zentrum. Das ist das Ergebnis einer Auswertung der RWTH Aachen. Dr. Heiner Heimes, geschäftsführender Oberingenieur am Lehrstuhl Production Engineering of e-Mobility components (PEM), und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Gerrit Bockey haben die offiziellen Ankündigungen der Zellproduzenten addiert: Bis Ende des Jahrzehnts werden jährlich gut 1300 GWh Speicherkapazität gefertigt und 478 GWh davon in Deutschland. Damit reduziert sich die Abhängigkeit von Importen aus Asien radikal.

Lange hatte die Autoindustrie argumentiert, dass die Batteriezelle lediglich ein beliebiges Zulieferteil wäre. Die eigentliche Kompetenz wäre, die Chemie der Zellen zu verstehen, sie in ein Batteriesystem zu packen und perfekt zu steuern. Inzwischen hat aber sowohl bei den Fahrzeugherstellern als auch bei den Zellproduzenten ein Umdenken eingesetzt. Wie so oft in der Autoindustrie erfolgt die komplette Wertschöpfung marktregional. In den USA verkaufte Pkw werden häufig dort produziert, auch wenn es ein Mercedes ist. Ein in Deutschland verkaufter Toyota kommt oft aus Frankreich. Kurze Wege, kontrollierbare Lieferketten.

Der Lehrstuhl Production Engineering of e-Mobility components an der RWTH Aachen addiert und aktualisiert regelmäßig die Ankündigungen für den Bau von Batteriefabriken. Bis 2030 könnte eine jährliche Produktionskapazität von 1300 Gigawattstunden entstehen. Genug, um praktisch alle Fahrzeuge zu elektrifizieren.

(Bild: PEM der RWTH Aachen)

"Wir haben früh dafür sensibilisiert, dass wir in Europa eine eigene Zellproduktion brauchen. Von Covid über vermeintlich kleine Krisen wie die Blockade des Suez-Kanals durch ein Containerschiff bis zum Krieg in der Ukraine: Stellen Sie sich vor, wir wären dauerhaft und ausschließlich von Importen abhängig", sagt Heimes. Elektromobilität ohne die Zellen für die Traktionsbatterie könne nicht funktionieren. Sein volkswirtschaftlicher Gedanke: Die Wertschöpfung muss in Europa gehalten werden. Das würde auch den Arbeitsplatzverlust bei den Verbrennungsmotoren teilweise auffangen.

Die Zelle ist das kleinste Bauteil einer Traktionsbatterie. Mehrere Zellen werden zu einem Modul zusammengefasst, mehrere Module bilden zusammen mit aufprallfestem Gehäuse, Heizung, Kühlung und der Managementsoftware das komplette Batteriesystem. Wenn die Zellproduzenten mitteilen, bis 2030 rund 1300 GWh pro Jahr bauen zu wollen, lässt sich das auch ungefähr in eine Zahl von Elektroautos übersetzen. Eine Gigawattstunde entspricht einer Million Kilowattstunden. Es reicht also für etwa 26 Millionen batterieelektrische Pkw mit je 50 kWh Energiegehalt oder 13 Millionen mit je 100 kWh.

Die Nachfrage nach Elektroautos steigt in Westeuropa steil an. In wenigen Jahren werden sie Modelle mit alleinigem Verbrennungsmotoren verdrängt haben. Im Bild: Kia EV6 (Test)

(Bild: Franz)

Bedenkt man nun, dass der Anteil der batterieelektrischen Autos bis 2030 auf 70 und mehr Prozent steigen muss, weil die CO₂-Limits der Europäischen Union das erfordern, und dass in der EU zehn bis zwölf Millionen Pkw pro Jahr verkauft werden, ist der Eigenbedarf großzügig gesichert. Es muss hierbei zusätzlich bedacht werden, dass neben den batterieelektrischen Autos auch Plug-in- und Voll-Hybride sowie Lkws gebaut werden, die ebenfalls Zellen benötigen. Trotzdem könnte eine Situation entstehen, in der sogar ein Export von Zellen möglich ist.

1300 Gigawattstunden würden ausreichen, um 13 Millionen Audi A6 e-tron mit je 100 kWh zu bauen. Es wird weiterhin Elektroautos geben, die deutlich weniger Batteriekapazität haben, weil die Preise für die Zellen wegen der Rohstoffkosten durchaus steigen können. Lkw dagegen brauchen nochmals mehr Energieinhalt, um voranzukommen.

(Bild: Audi)

Beim Hochlauf der geplanten Batteriezellfabriken gibt es allerdings auch Herausforderungen: "Der Kostendruck ist enorm", erklärt Heimes und ergänzt, dass "die Qualität darunter nicht leiden darf". Denn ein Fehler kann bei der gebräuchlichen Zellchemie mit einer NMC-Kathode (Nickel, Mangan, Kobalt) zum gefürchteten Thermal Runaway führen, also zu einem Brand.

Ein Ausweg aus diesem Risiko werden LFP-Zellen sein, die Eisen und Phosphat einsetzen und faktisch keinen Thermal Runaway kennen. Diese Zellen haben, verglichen mit NMC-Zellen, zwar eine geringere Energiedichte; diese ist aber nicht mehr das einzige Kriterium für eine gute Batterie. Chinesische Hersteller wie BYD mit der 800-Volt-Platform 3.0 und den großvolumigen, sogenannten "Blade"-Zellen (englisch: Schwert) weisen den Weg. Ein Elektroauto wie die Limousine BYD Seal wird nicht danach bewertet werden, welche Chemie in der Traktionsbatterie verbaut ist, sondern wie hoch die Reichweite tatsächlich ist – und das hängt eher vom Preis als dem verfügbaren Bauraum zwischen den Achsen ab.

Derzeit wird die Produktion des VW ID.Buzz hochgefahren. Die Zellen könnten zukünftig von Northvolt aus Heide kommen. Das schwedische Unternehmen Northvolt und Volkswagen haben ein Joint Venture.

(Bild: VW)

LFP-Zellen könnten auch ein Problem abmildern, das stark an Bedeutung gewinnt: Die Rohstoffpreise steigen. Der Trend der vergangenen zehn Jahre, in denen Batteriezellen aufgrund der Fortschritte bei der Produktion über 80 Prozent günstiger geworden sind, ist gestoppt. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Zellen demnächst sogar teurer werden.

Darum kommt sowohl der Auswahl der verwendeten Materialien – meist sind es Metalle – als auch dem zukünftigen Recycling eine entscheidende Rolle zu: Wenn verschlissene Batterien nicht exportiert, sondern in Europa recycelt werden, ist das strategisch wichtig. Denn so schön es ist, wenn Europa und Deutschland als großer Teil davon zum Produktionsstandort für Batteriezellen werden, führt das keineswegs zu einer vollständigen Unabhängigkeit von Importen. Die Rohstoffe müssen irgendwo herkommen. Die Minen dafür liegen häufig außerhalb der Europäischen Union.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(mfz)