Der Adler fliegt höher: Moto Guzzi V7 mit Hubraumplus

Ausgerechnet das Bike, das die sportliche Vergangenheit der Marke zelebriert, war bisher unpassend zahm motorisiert. Moto Guzzi ändert das nun – ein bisschen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen

Das Retrobike Moto Guzzi V7 nähert sich langsam seinem Vorbild von 1971

(Bild: Moto Guzzi)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Moto Guzzi macht sich zum 100. Geburtstag selbst ein Geschenk und bietet ab nächstem Jahr den Motor aus der Reiseenduro V85 TT in der legendären V7 an. Damit reagiert die Marke aus Mandello del Lario auf die Kritik, der bisherige 744-Kubikzentimeter-Motor der V7 III wäre etwas kraftlos. Allerdings begrenzten die Entwickler den 850er-V2 in der Höchstleistung.

Die Moto Guzzi V7 genießt kultische Verehrung, vor 53 Jahren wurde mit ihr der legendäre und heute für Guzzi typische längs eingebaute V2 erstmals auf dem Markt für Privatkunden eingeführt, nachdem sie rund zwei Jahre ausschließlich als Behördenkrad verkauft worden war. Heute nähert sich die V7 mit 852 Kubikzentimeter Hubraum in der Leistung der ersten Moto Guzzi V7 Sport Telaio Rosso (roter Rahmen) von 1971 an. Er war rot lackiert, um zu zeigen, dass sich das neue, sportliche Spitzenmodell vom kopflastigen "Behörden-Rahmen" verabschiedet hat, mit dem die V7 zwar bestens tourentauglich aber ansonsten eher behäbig fuhr.

Die neue Konfiguration gab der "Sport" die nötige Agilität, ihr 748-Kubikzentimeter-Motor leistete für damalige Zeiten beachtliche 70 PS. Mit der neuen Konfiguration hatte Chefingenieur Lino Tonti das selbst gesteckte Ziel von 200 kg und 200 km/h erreicht. Die V7 Sport war damit eines der schnellsten Motorräder ihrer Zeit und begründete den legendären Ruf, von dem das Modell bis heute zehrt.

In ihren Grundzügen entspricht die neue V7 immer noch ihrer Urahnin von 1971. Der 90-Grad-V2-Motor mit Kardanantrieb ist bis heute das Markenzeichen aller Moto Guzzi-Modelle. Für 2021 musste die V7 der Euro-5-Norm angepasst werden und anstatt den bisherigen 744-Kubikzentimeter-Motor noch weiter zu drosseln, spendierte man ihr den 852-Kubikzentimeter-Zweiventil-V2 aus der V85 TT. In der Reiseenduro hat sich der Motor in den letzten zwei Jahren bewährt (Test) und wird die V7 zu neuer Fahrdynamik beflügeln.

Allerdings haben die Ingenieure die Leistung des 850er-V2 in der V7 von 80 PS bei 7750/min auf 65 PS bei 6800 reduziert und auch das Drehmoment bei gleich gebliebenen 5000 Touren von 80 auf 73 Nm gesenkt. Den Grund dafür nennt Moto Guzzi nicht, möglicherweise verlangt die Marketingabteilung einen deutlichen Abstand zur teureren V85 TT. Dennoch verfügt die V7 mit zusätzlichen 108 Kubikzentimetern Hubraum nun über 25 Prozent mehr Leistung als die Vorgängerin, die es bei 52 PS beließ (Test). Es dürfte also auf der neuen V7 merklich flotter vorwärts gehen. Das Drehmoment steigt um 13 Nm, über 80 Prozent des Drehmoments liegen bereits bei 3000 Kurbelwellenumdrehungen an. Somit ist die Moto Guzzi ganz auf Durchzug getrimmt. Für Führerscheineinsteiger wird es die V7 auch als gedrosselte Version mit 48 PS geben.

Moto Guzzi V7 Teil 1 (6 Bilder)

Moto Guzzi spendiert seinem Dauerläufer V7 einen größeren Motor. Der 850er-V2 aus der Reiseenduro V85 TT wird zukünftig auch in dem authentischen Nostalgie-Bike seinen Dienst versehen. Die auf dem Foto abgebildete Version V7 Special besticht mit Drahtspeichenrädern.

Die neue Schalldämpferanlage unterscheidet sich nur geringfügig vom Vorgänger-Exemplar und fügt sich weiterhin sehr harmonisch ins Gesamtkonzept. Die beiden dicken Krümmer münden in je einem leicht konischen Endschalldämpfer. Auch die Hinterradschwinge mit dem integrierten Kardanantrieb wurde neu entwickelt. Am Heck arbeiten jetzt zwei längere Federbeine mit Stoßdämpfern von Kayaba, die in einem flacheren Winkel zur Schwinge stehen und somit bei gleicher Länge den Federweg vergrößern.

Im Steuerkopfbereich wurde der Rahmen verstärkt, um den gestiegenen Kräften des Motors besser standhalten zu können, ansonsten blieben die schwarz lackierten Rohre unangetastet. Die neue V7 steht auf einem breiteren Hinterreifen, er wuchs von der Dimension 130/80-17 auf 150/70-17, der Vorderreifen blieb bei 100/90-18. Neben dem vorgeschriebenen ABS bietet die Moto Guzzi eine zweistufige, abschaltbare Schlupfregelung. Auf sonstige elektronische Assistenzsysteme oder Bluetooth-Verbindung zum Smartphone verzichtet Moto Guzzi – die altehrwürdige V7 muss ja nicht jedem modernen Trend hinterherlaufen.

Moto Guzzi V7 Teil 2 (9 Bilder)

Die V7 verkündet stolz auf dem Tank vom gewachsenen Hubraum. Doch die volle Leistung der V85 TT wollte Moto Guzzi dem Naked Bike nicht geben und kappte 15 PS in der Spitzenleistung.

Die Hinterradabdeckung wurde gekürzt und das Rücklicht wirkt nicht mehr so aufgesetzt, sondern wächst quasi aus dem hinteren Kotflügel heraus. Rücklicht und Blinker der V7 verfügen über LED-Technik. Sehr hübsch ist die neue gestufte Sitzbank, die hinten dicker gepolstert wurde für mehr Sozius-Komfort. Die seitlichen Abdeckungen unterhalb der Sitzbank erhielten eine neue Form und folgen jetzt dem Verlauf der Rahmenrohre.

Moto Guzzi behauptet zwar, dass auch die Fußrasten neu wären, aber zumindest auf den Werksfotos sind sie identisch mit denen der Vorgängerin. Als optischer Gag ist in der Version V7 Stone nun ein stilisierter Adler – das Wappentier von Moto Guzzi – als LED-Tagfahrlicht in den Scheinwerfer integriert. Im Gegensatz zur V7 Special hat sie auch ein neues LCD-Rundinstrument mit der Andeutung eines Adlers: Im Display in Form von Balken und am Gehäuse als seitlich ausgestellte Blinkeranzeiger.

Die V7 wird ab März erhältlich sein und tritt nur noch in den Versionen V7 Special und V7 Stone an. Die dunkelblau lackierte V7 Special rollt auf hübschen Drahtspeichenfelgen, glänzt mit viel Chrom, hat aber noch die zwei Rundinstrumenten der Vorgängerin im Cockpit, während die V7 Stone auf Gussfelgen steht und Faltenbälge an der Telegabel sowie eine andere Sitzbank hat. Die Stone kann wahlweise in den drei matten Farben Schwarz Ruvido, Blau Ghiaccio oder Orange Rame geordert werden.

Leider hat Moto Guzzi auch die Preise deutlich angehoben, die Stone kostet circa 9100 Euro, die Special wird bei 10.100 Euro liegen. Bislang hielt Moto Guzzi sechs V7-Versionen parat und die günstigste Variante V7 III Stone startete bei 7700 Euro, die V7 III Special kam auf 8570 Euro. Es ist gut denkbar, dass Moto Guzzi noch weitere Versionen nachschiebt, etwa eine V7 Racer, wohl mit Preisen in einem ähnlichen Bereich.

Die Moto Guzzi V7 profitiert von dem größeren Hubraum und dem Leistungsplus. Außerdem werten Detailverbesserungen das Nostalgie-Bike auf. Die eingeschworenen Fans werden dem Kult-Motorrad weiterhin treu bleiben und auch die höheren Preise akzeptieren.