Digitalpolitik: Wo EU-Gesetzgebung den Unterschied macht

Seite 4: Nächster Streit vorprogrammiert

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Nach den vielen Digitalgesetzgebungsverfahren rechnen Beobachter für die nächsten Jahre mit einer ruhigeren Phase. Nur einen Sektor sieht zumindest die bisherige EU-Kommission als dringend überarbeitungsbedürftig: den Telekommunikationsmarkt. Der ist bislang nicht wirklich harmonisiert, sondern in 27 Einzelmärkte aufgeteilt, in denen oft dieselben Unternehmen wie Vodafone, Deutsche Telekom, Telefonica und Orange um Kunden buhlen.

Der bisherige und eventuell auch künftige Kommissar für den digitalen Binnenmarkt Thierry Breton sieht diesen Zustand erklärtermaßen sehr kritisch. Mit einem sogenannten Weißbuch, was man als formalisierte Ideenskizze umschreiben könnte, hat er einen Prozess in Gang gebracht, dessen Ziel ein neues Gesetz ist, der Digital Networks Act (DNA). Der könnte das Feld 25 Jahre nach der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte – angestoßen übrigens von der damaligen EU-Kommission – neu bestellen.

Im Weißbuch konstatiert Breton eine angeblich zunehmende Dominanz von Inhalteanbietern gegenüber den TK-Unternehmen. Aus deren Sicht würden sich Streaminganbieter wie Netflix und Amazon, die besonders viel Transfervolumen und damit Last auf den Leitungen verursachen, unzureichend an den Infrastrukturkosten beteiligen. Aus Bretons Perspektive kommt hinzu, dass genau diese Konzerne nicht einmal in der EU beheimatet sind.

Diese leidige Debatte wollen Breton und einige TK-Unternehmen, darunter auch die Deutsche Telekom, gerne wieder einmal auf die Tagesordnung setzen. Während in Deutschland die FDP sogenannte Network Fees für gefährlich im Sinne der Netzneutralität erachtet, steht das SPD-geführte Kanzleramt den Ideen offener gegenüber. Vor allem aber treibt Frankreich das Vorhaben voran, das als Großaktionär von Orange, ehemals France Télécom, eigene finanzielle Interessen verfolgt. Diese Debatte läuft nun in der EU-Wahlkampf-Phase. Das Wahlergebnis wird auf die Debatte einen maßgeblichen Einfluss haben, denn das neue Parlament wird sich bald damit befassen müssen. (hob)