Frankensteins schöne Tochter: 50 Jahre Kawasaki 900 Z1

Die Kawasaki 900 Z1 gilt als stilprägender Meilenstein der Motorradhistorie. Der große Reihenvierer bot ab 1972 Fahrleistungen wie kein anderes Motorrad zuvor.

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Man kann nicht behaupten, man sei nicht gewarnt gewesen. Kawasaki schrieb: "Wir vertrauen darauf, dass der Mann, der diese Maschine kauft, die Kraft respektiert, die in ihr steckt".

(Bild: Kawasaki)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Vermutlich wird kein Kawasaki-Fan bei der Behauptung widersprechen, dass die 900 Z1 das legendärste Modell der Marke ist. Kein anderes Motorrad hatte nach seinem Erscheinen vor 50 Jahren die Träume der Motorradfans so sehr beflügelt wie das Big Bike mit dem 900er-Reihenvierzylinder. Sie übertraf mit ihren 79 PS alles bisher Dagewesene und bescherte Fahrleistungen wie aus einer anderen Welt. Sie begründete eine Modellreihe, die bis heute existiert.

Auch wenn der Honda CB 750 Four die Ehre des ersten serienmäßigen Reihenvierzylinders gebührt und sie den Trend schon 1968 lostrat, war die Antwort von Kawasaki doch so gewaltig, dass sie die Konkurrenz in jeder Hinsicht übertrumpfte. Zwar hatte Kawasaki bereits 1967 mit der Entwicklung eines 750er-Reihenvierzylinders begonnen, aber als Honda nur ein Jahr später ein fertiges Modell präsentierte, war den Kawasaki-Ingenieuren klar, dass ihr Motor größer werden musste. Sie wagten sich schließlich mit 903 Kubikzentimeter sogar sehr weit in Richtung des vollen Liters. Dabei setzte sich Kawasaki über eine interne Absprache der Motorradhersteller hinweg, keine Motoren über 750 Kubikzentimeter zu bauen.

Als die 900 Z1 im Juni 1972 vorgestellt wurde, schlug das Big Bike ein wie eine Bombe. Kawasaki versprach unvorstellbare 82 PS und über 230 km/h Höchstgeschwindigkeit. Dazu kam ein Design, das bis heute stilbildend ist. Der tropfenförmige Tank bunkerte genügend Sprit für den leistungsstarken Antrieb, hinter dem großen Rundscheinwerfer informierten zwei Uhren über Geschwindigkeit und Drehzahl. Den breiten und hohen Lenker packte der Fahrer wie einen Stier bei den Hörnern und konnte über den großen Hebel das schwere Bike in die Kurve zwingen.

50 Jahre Kawasaki 900 Z1 Teil1 (7 Bilder)

Als Kawasaki 1972 die 900 Z1 präsentierte, schlug das Big Bike ein wie eine Bombe. Sie übertraf mit ihren 79 PS alles bisher Dagewesene.

Besonders gelungen war der Heckbürzel, der das Rücklicht in einem Halbkreis umschloss. Er verlängerte das Motorrad optisch und löste das bloße Schutzblech ab. Doch den eigentlichen Blickfang bildete der große Reihenvierzylindermotor mit seinen vier polierten Krümmern, die in vier eindrucksvolle Auspuffrohre übergingen. So kam kein Zweifel über die Anzahl der Zylinder auf.

Natürlich rief die 900 Z1 umgehend auch Kritiker auf den Plan, die meinten, dass die Technik mit zwei obenliegenden Nockenwellen, Tassenstößeln und vier 28-mm-Vergasern nicht halten und die Höchstleistung bei 8500/min den Motor bald schrotten würde. Doch die Z1 erwies sich als ausgesprochen zuverlässig. Das hatten die Entwickler schon im Vorfeld ausgiebig erprobt, unter anderem hatten sie zwei Protoypen Anfang 1972 ohne sonderliche Probleme von Los Angeles nach Daytona in Florida und wieder zurück gescheucht, und dabei auch auf entlang des Wegs liegenden Rennstrecken getestet. Selbst Vollgasfahrten auf der deutschen Autobahn machten dem luftgekühlten Reihenvierzylinder nichts aus, außer dass er dann anfing, heftig zu saufen.

Auch wenn erste Leistungsmessungen der Z1 "nur" 79 PS attestierten, war sie dennoch das stärkste und schnellste Motorrad auf dem Markt. Sie beschleunigte, trotz eines Gewichts von 246 Kilogramm, von 0 auf 100 km/h in vier Sekunden und mit flach auf dem Tank gefalteten Fahrer erreichte sie 227 km/h. Werte, die auch ein halbes Jahrhundert später noch durchaus beachtenswert sind. Der große Reihenvierzylinder mit seinem quadratischen Bohrungs-Hub-Verhältnis von je 66 Millimeter bot nicht nur viel Durchzug, sondern auch eine angenehme Laufkultur, allerdings teilweise von hochfrequenten Vibrationen begleitet. Am Vorderrad hatte Kawasaki eine einzelne Scheibenbremse montiert, hinten blieb es bei der traditionellen Trommelbremse. Doch weil die Bremswirkung aus hohen Geschwindigkeiten nicht überzeugend war, bot Kawasaki ab 1974 eine zweite Scheibenbremse vorn zum Nachrüsten an. Interessanterweise war die Halterung für die Bremszange am rechten Gabelholm schon immer serienmäßig vorhanden gewesen.