Ampel-Koalitionsvertrag zum Thema Mobilität: Signale für eine Verkehrswende

Seite 2: Autobahn GmbH, Maut, Bahn

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Erarbeitet werden soll ein Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040. Geplant ist eine Bedarfsplanüberprüfung, die auch schon laufende Pläne umfasst. Es soll geschaut werden, ob Projekte richtig priorisiert wurden. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ulrich Lange (CSU), übte daran harte Kritik. "Mit der angekündigten Neupriorisierung werden nahezu alle geplanten rund 1000 Straßenbauprojekte, ca. 70 Schienenprojekte und 24 Wasserstraßenprojekte pauschal infrage gestellt." Dies sei das absolute Gegenteil von Planungsbeschleunigung, sondern hätte das Potenzial zu einem Vollstopp, der Jahre kosten könne, sagte er der dpa. Die Befürchtungen aus Bayern haben einen sehr konkreten Hintergrund, denn in den vergangenen 12 Jahren hatte die CSU diesen Posten inne. Die vier Minister haben mit ihrem Handeln stets eine gewisse Heimatverbundenheit gezeigt.

Das Nebeneinander der noch recht jungen Autobahn GmbH und Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau Gesellschaft (DEGES) soll aufgehoben werden. Dieser Schritt war erwartet worden, denn allzu laut war die Kritik an der Autobahn GmbH vor allem vom Bundesrechnungshof gewesen. Die vollkommen überzogene Nutzung von Beraterverträgen, verspätete Zahlung von Rechnungen, überhöhte Gehälter für Führungskräfte, dazu eine mangelnde Verfassungskonformität: Bei der Autobahn GmbH wartet offenkundig eine Menge Aufräumarbeit auf den nächsten Verkehrsminister.

Neu ausgerichtet werden soll die Lkw-Maut, die sich künftig am CO2-Ausstoß orientiert. Fällig wird sie für Lieferfahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Eingeführt wird auch ein CO2-Zuschlag, sofern eine Doppelbelastung durch den CO2-Aufschlag beim Sprit ausgeschlossen ist. Bezahlen wird das alles am Ende der Verbraucher, denn die Logistikunternehmen stellen die zusätzlichen Belastungen in Rechnung.

Die Lkw-Maut soll sich künftig stärker am CO₂-Ausstoß ausrichten. Der Transport mit älteren Lkw wird damit teurer.

(Bild: Daimler)

Ambitioniert erscheinen die Pläne der Koalitionäre auch in Bezug auf die Bahn. Der Güterverkehr soll bis 2030 um 25 Prozent gesteigert werden, die Verkehrsleistung im Personenverkehr gar verdoppelt. Der Zielfahrplan eines Deutschlandtaktes und die Infrastrukturkapazität sollen auf diese Ziele ausgerichtet werden. Um dem auch nur ansatzweise nahe zu kommen, müssten Planungen massiv beschleunigt werden, was allein schon enorme Summen erfordert. Denn nicht alles lässt sich mit einer effizienteren Gesetzgebung abfangen. Es braucht dafür schlicht mehr Stellen in den entscheidenden Büros. Und selbstverständlich müsste auch die Infrastruktur des Schienenverkehrs monetär ganz anders ausgestattet werden als das bislang der Fall war.

Die Bahn soll künftig im Verkehrsmix eine wichtigere Rolle spielen. Dafür soll reformiert und investiert werden.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Michael Peuckert)

All das ist auch den Koalitionären vollumfänglich bewusst. Deshalb haben sie sich im selben Absatz einen Ausweg reingeschrieben: "Sofern haushälterisch machbar, soll die Nutzung der Schiene günstiger werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Bahnen zu stärken." Bei den Investitionen, die für die angestrebte höhere Verkehrsleistung der Bahn notwendig wären, erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass weitere Haushaltsmittel für eine Wettbewerbssteigerung freigeräumt werden können.

Der Deutschlandtakt soll endlich umgesetzt werden. Das Ziel dieses landesweit optimiertem abgestimmten Fahrplans: mehr Reiseverbindungen, optimierte, abgestimmte Anschlüsse und insgesamt kürzere Reisezeiten im Personenverkehr. Weiterhin im Vertrag festgehalten: Digitalisierung von Fahrzeugen und Strecken, Barrierefreiheit und Lärmschutz verbessern, Bahnhofsprogramme bündeln und stärken, das Netz erweitern, Strecken reaktivieren und Stilllegungen vermeiden und eine "Beschleunigungskommission Schiene" einsetzen. Mit diesen Maßnahmen und einer verbesserten Anbindung an Flughäfen soll auch die Zahl der Kurzstreckenflüge reduziert werden.

Auch innerhalb der Bahn ist eine riesige Veränderung geplant: "Die Infrastruktureinheiten (DB Netz, DB Station und Service) der Deutschen Bahn AG werden innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammengelegt." Gewinne aus dem Betrieb der Infrastruktur sollen in der neuen Infrastruktureinheit bleiben, die vollständig im Eigentum der Deutschen Bahn ist. Diese neue Sparte hat also nicht mehr das Hauptziel einer Gewinnmaximierung. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen arbeiten weiterhin markt- und gewinnorientiert.

Die Koalitionäre haben sich mit diesem Vertrag eine Menge vorgenommen, wenngleich manches noch etwas unscharf formuliert ist. Doch eine solche Vereinbarung hat schon in der Vergangenheit meist nur dazu gedient, eine ungefähre Marschrichtung vorzugeben. Es liegt nun an der neuen Bundesregierung, die zum Teil durchaus ambitionierten Pläne umzusetzen und im Detail zu präzisieren. Gelingt beides, bewegt sich im Bereich Mobilität einiges in die richtige Richtung – und nimmt die Bevölkerung mit. Letzteres ist unabdingbar, wenn ein Wandel auch jene überzeugen soll, die auf das Auto angewiesen sind. Denn wer das Auto zurückdrängen oder gar abschaffen möchte, muss die Frage beantworten, wer die Transportleistung, die dieser Verkehrsträger täglich erbringt, ersetzen soll.

Zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

(mfz)