Missing Link: Wo steht Ihr Bundesland beim Telenotarzt?

Seite 3: Nordrhein-Westfalen

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Nordrhein-Westfalen ist bundesweiter Vorreiter für die Einführung des Telenotarztes. Zunächst gab es in Aachen die Forschungsprojekte "Med-on-@ix" (2007 - 2010) und "TemRas" (Telemedizinisches Rettungsassistenzsystem, 2010 - 2013). Am 19. März 2014 beschloss der Rat der Stadt Aachen den Telenotarzt im Regelbetrieb des Rettungsdienstes einzusetzen. Der "Telenotarzt Aachen" nahm am 1. April 2014 als erster TNA-Standort in Europa seinen Dienst auf. Genutzt wird in auch Aachen Software der Firma umlaut telehealthcare.

Im Frühjahr 2020 hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW die flächendeckende Einführung des Telenotarztsystems in einer gemeinsame Absichtserklärung mit Vertretern der Krankenkassen, den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Ärztekammern auf den Weg gebracht. Eine "Steuerungsgruppe Telenotarzt NRW", die sich aus Vertretern der an der Absichtserklärung beteiligten Institutionen zusammensetzt, befasst sich seitdem mit den Anträgen für neue TNA-Standorte. Noch für das Jahr 2024 ist eine Reform des Rettungsdienstgesetzes geplant, mit der die Einführung des Telenotarztsystems gesetzlich verankert werden soll. Weiterhin ist auch die Integration einer Experimentierklausel für "die Erprobung zukünftiger innovativer (notfall)medizinischer Versorgungsformen oder technischer Neuerungen" angedacht – das geht aus einem Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales den Abgeordneten an den Landtag hervor.

Zurzeit befindet sich die Reform zwar immer noch im Status eines Referentenentwurfs, die Rettungsdienstbereiche der Städte und Kommunen haben sich inzwischen aber schon zu 11 Telenotarzt-Trägergemeinschaften zusammengeschlossen, in denen das TNA-System sukzessive ausgebaut wird. In 3 von 8 Trägergemeinschaften (West, Ostwestfalen-Lippe und Münster) hat die Telenotarzt-Zentrale bereits ihren Betrieb aufgenommen. In den anderen Bereichen läuft die Ausschreibung.

Die TNA-Zentrale bei der Feuerwehr Münster ist für die Rettungsdienstbereiche von Borken, Coesfeld, Münster, Recklinghausen, Steinfurt und Warendorf zuständig. Hier soll bis Mitte 2025 die stufenweise Ausstattung und Anbindung von ca. 170 Rettungsmittel abgeschlossen sein. Am im Juni 2024 startete der Probebetrieb. Dortmund als Kernträger der Trägergemeinschaft "Telenotarzt östliches Ruhrgebiet" und Bochum als Kernträger der Trägergemeinschaft "Telenotarzt mittleres Ruhrgebiet" arbeiten interkommunal zusammen. Sie wollen ihre TNA-Systeme digital miteinander vernetzen, um sich bei Einsatzspitzen gegenseitig unterstützen zu können und das TNA-System redundant auslegen.

Der "Telenotarzt östliches Ruhrgebiet" wird seine TNA-Zentrale bei der Feuerwehr Dortmund haben und für die Stadt Dortmund, die Stadt Hagen, den Kreis Unna. Perspektivisch soll eine technische Ausfallreserve bei der Feuerwehr Hagen aufgebaut werden. Ob sich die Stadt Hamm diesem Verbund noch anschließen wird, ist derzeit unklar. Der "Telenotarzt mittleres Ruhrgebiet" kümmert sich um die Städte Bochum, Bottrop, Gelsenkirchen und Herne.

Ein weitere Trägergemeinschaft sind der Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Bonn zusammen mit dem Universitätsklinikum Bonn (UKB) eingegangen, um ein gemeinsames TNA-System aufzubauen. Bonn firmiert als Kernträger; der TNA-Standort entsteht in der Leitstelle der Feuerwache 1 in Bonn. Im Laufe des Jahres 2025 soll der Echtbetrieb mit den ersten ausgestatteten RTW starten. Bis 2028 soll das System in 60 Rettungswagen vorhanden sein. Die Besatzungen von Krankentransportfahrzeugen und Notarzteinsatzfahrzeugen werden zwar nicht mit TNA-Technik ausgestattet, sie können aber telefonisch auf die Beratung des TNA zurückgreifen.

Leverkusen, Remscheid, Solingen und Wuppertal haben sich mit den Landkreisen Mettmann und Ennepe-Ruhr zum Betrieb eines gemeinsamen TNA-Systems "Telenotarzt Bergisches Land" zusammengeschlossen. Es sollen Telenotarztarbeitsplätze jeweils in Leverkusen und Mettmann redundant errichtet werden, die eine gemeinsame TNA-Zentrale bilden. Duisburg, Krefeld und Mönchengladbach werden zusammen mit den Kreisen Kleve, Viersen und Wesel den "Telenotarzt Niederrhein" in gemeinsamer Trägergemeinschaft bilden.

Heiko Haffmans vom Pressereferat des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen teilte auf die Anfrage von heise online mit, dass voraussichtlich im Jahr 2025 in jedem der Regierungsbezirke von NRW (Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster) mindestens ein Telenotarzt im 24/7-Regelbetrieb zur Verfügung stehen wird. Als Modellregion wird die Stadt Düsseldorf geführt, da dort weitere telenotfallmedizinische Vorhaben getestet werden, wie die telemedizinische Unterstützung des Sozialpsychiatrischen Dienstes.

Das Aachener Institut für Rettungsmedizin & zivile Sicherheit betreut nicht nur die weitere Verbreitung des TNA-Systems in Nordrhein-Westfalen, sondern ist bundesweit auch an Projekten zum Ausbau des Systems beteiligt. So sollen mit der 5G-Telerettung weitere medizinische Geräte über den IoT-Ansatz in das TNA-System integriert werden. Ultraschall-, Beatmungs- und Reanimationsgeräte sollen für Telenotarzteinsätze fit gemacht werden. Dazu kommen Smart Glasses, die von der RTW-Besatzung getragen werden. In schwierigen Fällen soll es möglich werden, in einem "Telekonsil" weitere Experten virtuell hinzuzurufen.

Bis August 2025 läuft das vom BMBF geförderte Projekt KIT2 (KI-unterstützter Telenotarzt). Eine selbstlernende KI soll als "Intelligentes TNA-Einsatzunterstützungssystem" den TNA bei medizinischen (Diagnostik), taktischen (medizinische Maßnahmen) und strategischen (Ressourcenauswahl Rettungsmittel, Krankenhaus, Nachforderung medizinische Fachkräfte) Entscheidungen unterstützen.

Mithilfe von KI soll die Qualität der Versorgung von Notfallpatienten besser werden. Das Forschungsprojekt KIT2 soll unter anderem untersuchen, welche KI-Methoden sich kombinieren lassen.

(Bild: Aachener Institut für Rettungsmedizin & zivile Sicherheit)