Missing Link: Wo steht Ihr Bundesland beim Telenotarzt?

Der Telenotarzt kommt in immer mehr Rettungsdienstbereichen zum Einsatz. Wie die Lage in Deutschland ist, zeigt ein Blick in die Bundesländer und Städte.​

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Der Rettungsdienst am Einsatzort. Auf einem Smartphone ist ein zugeschalteter Arzt zu sehen.

In immer mehr Bundesländern gibt es im Rettungsdienst die Möglichkeit, einen Telenotarzt zu konsultieren.

(Bild: Corpuls)

Lesezeit: 45 Min.
Von
  • Imke Stock
Inhaltsverzeichnis

Mit der Digitalisierung des Rettungsdienstes kommt es in vielen Ländern zu einem Ausbau von Telenotarzt-Diensten (TNA). Die Einführung und Umsetzung zeigt sich in Deutschland als heterogener Flickenteppich von Projekten, Pilotbetrieben und einzelnen etablierten TNA-Standorten, denn der Rettungsdienst ist Ländersache. Bis auf Berlin, Hamburg und Bremen, wo die Feuerwehr die Organisation des Rettungsdienstes übernimmt, sind in den Ländern grundsätzlich die Kommunen zuständig. Das heißt, die Landkreise und kreisfreien Städte legen fest, wen sie in ihrem Bereich mit der praktischen Durchführung des Rettungsdienstes beauftragen, seien es Hilfsorganisationen, kommunale oder private Rettungsdienste.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Regionale Unterschiede im Rettungsdienst sind daher nichts Ungewöhnliches. Es gibt in Deutschland "kein flächendeckendes und mit gleichen Qualitätsstandards ausgestattetes, funktionierendes Rettungsdienst-System" stellte die Björn Steiger Stiftung im Juli anlässlich eines von ihr in Auftrag gegebenem Gutachten zum Rettungsdienst fest und fordert in einem Punktekatalog für die Zukunft der Notfallversorgung, dass der Telenotarzt (TNA) "uneingeschränkt im deutschen Rettungsdienst zur Verfügung stehen" sollte.

Mit der angekündigten, viel diskutierten Reform der Notfallversorgung soll es mehr Telemedizin und eine digitale Vernetzung des Rettungsdienstes mit den anderen Akteuren der Notfall- und Akutversorgung geben. Das BMG plant "bundesweit gleichwertige Mindeststandards im Rettungsdienst", ob das für den TNA gelten wird, ist noch ungewiss. Die Länder gehen derweil unterschiedlich an die Einführung des TNA heran und legen die (rechtlichen) Rahmenbedingungen für den Einsatz fest:

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Wo der TNA bereits aktiv im Einsatz, auf dem Reißbrett vorgeplant, auf dem Ausschreibungsweg oder im Aufbau ist – und in welchen Regionen der Bundesländer er erstmal nicht auftauchen wird, zeigen wir im Detail.

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Schleswig-Holsteins hat 2017 "die Möglichkeiten telemedizinischer Anwendungen" zur Unterstützung der notärztlichen Versorgung in sein Rettungsdienstgesetz hinzugefügt. Eine Pflicht zur Einführung eines TNA-Systems besteht nicht. Ob der TNA kommt, liegt in den Händen der Kommunen (elf Landkreisen und vier kreisfreien Städte). Diese sind für den bodengebundene Rettungsdienst in ihrem jeweiligen Bezirk (Rettungsdienstbereich) zuständig. Zum Teil haben sich mehrere Kommunen zusammengeschlossen, um den Rettungsdienst gemeinsam zu organisieren.

So ist die Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) ein Zusammenschluss der Rettungsdienste aus den Landkreisen Dithmarschen, Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde, Segeberg und Steinburg. Das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein hat dem RKiSH Ende Oktober 2021 die Genehmigung für die Implementierung eines Konzepts zur Einführung der telemedizinischen Einsatzunterstützung erteilt. Aktuell reicht ein genehmigter Antrag nach § 12 Abs. 5 Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz aus, um den TNA als neues Rettungsmittel, das "dem Stand der Wissenschaft und Technik" entsprechend muss, einzuführen. Schleswig-Holstein folgt den Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an die Länder, die Etablierung von telenotfallmedizinischen Strukturen im Rettungsdienst zu überprüfen und in die Regelfinanzierung zu übernehmen. Die RKiSH baut seine TNA-Zentrale am Standort Pinneberg auf. Im Laufe des Jahres 2024 will man dort in den Einsatz gehen.

Extra für den Aufbau, Betrieb und Nutzung eines gemeinsamen TNA-Systems haben sich die Stadt Flensburg, die Landeshauptstadt Kiel, die Hansestadt Lübeck und die Stadt Neumünster mit den Kreisen Herzogtum Lauenburg, Plön und Stormarn mit dem Rettungsdienst Holstein AöR per Vertrag zusammengeschlossen. Für dieses TNA-System sollen zwei TNA-Zentrale entstehen: eine bei der Integrierten Regionalleitstelle Mitte in Kiel und die zweite bei der Integrierten Leitstelle der Hansestadt Lübeck. Die TNA-Zentralen sollen sich mit den Diensten für das gemeinsame TNA-Gebiet abwechseln und ein redundantes System bilden. Der Antrag dieser TNA-Trägergemeinschaft wurde bereits vom Ministerium für Justiz und Gesundheit vorgeprüft, teilte Christian Kohl als Pressesprecher auf Anfrage von heise online mit. Mit einer Bewilligung sei "zeitnah zu rechnen".

Von den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg sind bisher keine Planungen bekannt, ob und wann sie den TNA in ihren Rettungsdienstbereichen einsetzen wollen. Für einige Inseln des Kreises Nordfriesland ist der TNA jedoch bereits im Einsatz. So wurde von 2018 bis Ende 2020 eine telenotäztliche Versorgung für einige der nordfriesischen Halligen durch das vom Land geförderte Projekt "HALLIGeMED" des UKSH sichergestellt. Die TNA-Zentrale befand sich zu diesem Zeitpunkt in Kiel und wurde durch die TNA-Zentrale in Aachen (Nordrhein-Westfalen) unterstützt. Nach Beendigung des Projektes werden die Halligen Hooge und Langeneß nur noch von TNA-Zentralen außerhalb Schleswig-Holsteins betreut. Neben der TNA-Zentrale in Aachen ist dies nun auch die TNA-Zentrale in Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis, Hessen) – beide sind miteinander vernetzt und vertreten einander. Zum Einsatz kommt Technik der Firma umlaut telehealthcare.

Als Stadtstaat sieht Hamburg den Telenotarzt "als mögliche Erweiterung der rettungsdienstlichen Einsatzmittel" für eine frühzeitige ärztliche Begleitung von Notfällen. Eine Entscheidung über die Einführung sei noch nicht gefallen, da "weitere Erörterungen" zur Rechtslage sowie zu technischen, organisatorischen und finanziellen Aspekten erforderlich seien, teilte Tim Spießberger, Sprecher der Behörde für Inneres und Sport, gegenüber heise online mit.

Tatsächlich enthält das Hamburgische Rettungsdienstgesetz seit dem 30. Dezember 2023 mit § 32a eine sogenannte "Experimentierklausel". Die Träger des öffentlichen Rettungsdienstes können mit Zustimmung der Behörde neue "Versorgungskonzepte, die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit oder Qualität des Rettungsdienstes erforderlich sind", erproben.

Der Senator für Inneres und Sport ist der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes der Stadtgemeinde Bremen. Im Bremisches Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG) wurde in § 30a Absatz 9 bereits festgelegt, dass "zur Unterstützung des medizinischen rettungsdienstlichen Personals im Einsatz" auch "die Möglichkeiten telemedizinischer Anwendungen genutzt werden" können.

Im Stadtgebiet Bremen ist der TNA im September 2024 mit 11 Rettungsmitteln in den Echtbetrieb gestartet, teilte Karen Stroink aus dem Pressereferat des Innenministeriums auf Anfrage von heise online mit. Die Bremer Telenotfallmediziner haben ihren Standort in der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle (FRLSt) der Feuerwehr Bremen. Ist der TNA-Standort Bremen nicht besetzt, werden die TNA-Anfragen des stadtbremischen Rettungsdienstes an den TNA-Standort in Goslar (NI) weitergeleitet. Da die beiden TNA-Standorte identische Technik in Form des Corpuls-Telenotarztsystems nutzen "und mit gleichen Vorgaben arbeiten", ist eine automatisierte Weiterleitung von Bremen nach Goslar und auch umgekehrt "problemlos möglich". Für die Zusammenarbeit zwischen den beiden TNA-Standorten wurde ein Vertrag zwischen der Stadtgemeinde Bremen und dem Landkreis Goslar geschlossen. Die derzeitige Planung sieht vor, innerhalb eines Jahres weitere Rettungsmittel zu integrieren. Längerfristig sei auch "eine weitere Zusammenarbeit mit Telenotfallmedizinzentren im Bundesland Niedersachsen geplant".

Der Träger des Rettungsdienstes in Bremerhaven ist nicht das Innenministerium für Bremen, sondern die Feuerwehr Bremerhaven. Zwischen den Rettungsdienstträgern von Bremen und Bremerhaven gibt es zwar eine enge Zusammenarbeit, Im Unterschied zu Bremen verfügt die Stadtgemeinde Bremerhaven aber noch über keinen TNA. Dafür weist Bremerhavens Einsatzleitstelle am Standort der Feuerwehr aber eine bundeslandübergreifende Besonderheit auf: die Integrierte Regionalleitstelle Unterweser-Elbe ist nicht nur für Bremerhaven, sondern auch für die Landkreise Cuxhaven (NI) und Osterholz (NI) zuständig.