Missing Link: Wo steht Ihr Bundesland beim Telenotarzt?

Seite 6: Rheinland-Pfalz

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2014 wurde im Innenministerium Rheinland-Pfalz eine Arbeitsgruppe "Telekonsultation im Rettungsdienst" eingesetzt, die sich zunächst mit der EKG-Telemetrie, also der Umsetzung von kardiologischen Telekonsilen befasste. Die EKG-Telemetrie wurde dann landesweit eingeführt. Ende 2019 wurde der Auftrag auf die weitergehende telemedizinische Unterstützung ausgeweitet. Die Arbeitsgruppe hat eine schrittweise Einführung eines TNA-Systems in Rheinland-Pfalz beschlossen und begleitet den Prozess. Die Pressesprecherin des Innenministeriums, Sonja Bräuer teilte auf Anfrage von heise online mit, dass der TNA bis Jahresende 2025 flächendeckend im Land eingeführt sein soll.

Rheinland-Pfalz ist in acht Rettungsdienstbereiche eingeteilt: Ludwigshafen, Südpfalz, Bad Kreuznach, Rheinhessen, Kaiserslautern, Koblenz, Montabaur und Trier. Im Land gibt es fünf Notfallmedizinischen Zentren (Ludwigshafen, Kaiserslautern, Koblenz, Mainz und Trier), an denen TNA-Standorte entstehen sollen. Laut Auskunft des Innenministeriums kann ein TNA-Standort als Notarztstandort per öffentlich-rechtlichem Vertrag von der Rettungsdienstbehörde beauftragt werden. Dieser wird dann "ergänzend zum bestehenden System etabliert".

2022 startete ein TNA-Pilotprojekt, das zum Aufbau des ersten TNA-Standortes am BG Klinik Ludwigshafen führte. Der TNA-Standort Ludwigshafen ist seit dem 13. Juli 2023 im Echtbetrieb; aktuell sind Rettungswagen in den Rettungsdienstbereichen Ludwigshafen und Südpfalz in diesem TNA-System aktiv. Der Rettungsdienstbereich Ludwigshafen umfasst die Gebiete des Landkreises Bad Dürkheim, Rhein-Pfalz-Kreises sowie der kreisfreien Städte Frankenthal (Pfalz), Ludwigshafen am Rhein, Neustadt an der Weinstraße und Speyer. Zum Rettungsdienstbereich Südpfalz gehören die Landkreise Germersheim, Südliche Weinstraße und Südwestpfalz sowie die Gebiete der kreisfreien Städte Landau in der Pfalz, Pirmasens und Zweibrücken.

Rheinland-Pfalz setzt auf ein landesweit und landeseinheitlich verfügbares System, sodass die TNA-Zentralen auch bereichsübergreifend für die entsprechend ausgestatteten Rettungswagen jedes Rettungsdienstbereichs einsetzbar sein sollen. Basierend auf der seit Jahren in den Rettungswagen verfügbaren EKG-Telemetrie und den "gehärteten Smartphones" wird in Rheinland-Pfalz die Telemedizinlösung von corpuls.mission eingesetzt.

Nach Angaben des Innenministeriums soll nach dem Pilotprojekt in Ludwigshafen zunächst im zweiten Halbjahr 2024 ein TNA-Standort in Trier dazukommen. Weiterhin würden aktuell Gespräche mit der Unimedizin in Mainz, dem Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz und dem Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern laufen. Auch in den Rettungsdienstbereichen hätten bereits Gespräche der zuständigen Rettungsdienstbehörden mit den Leistungserbringern im Rettungsdienst stattgefunden, um die Anbindung der Rettungswachen an das Telenotarztsystem zu initiieren.

Wie zwischenzeitlich bekannt wurde, will sich der Westerwaldkreis gemeinsam mit den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und dem Rhein-Lahn-Kreis beim Land für den Aufbau eines weiteren Telenotarzt-Pilotprojektes für den ländlichen Raum in dem für sie zuständigen Rettungsdienstbereich Montabaur einsetzen. Als TNA-Standort wird die integrierte Leitstelle in Montabaur im Westerwaldkreis vorgeschlagen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Innenminister Michael Ebling im Juli 2024: "Der Notarzt kann überall sitzen, es müssen nur ausreichend viele für die gesamte Fläche sein". Der bereichsübergreifende Einsatz ist bereits generell in Rettungsdienstgesetz für Rheinland-Pfalz geregelt. Eine Gesetzesänderung für den TNA sei daher nicht geplant.

Das Saarland hat im Jahr 2020 sein Saarländisches Rettungsdienstgesetz (SRettG) geändert und die landesweite Einführung des Telenotarztes gesetzlich festgeschrieben. § 4 Absatz 3 schreibt explizit vor, dass im Rettungsdienst "ergänzend zur Vorhaltung der erforderlichen Notarztsysteme eine telemedizinische Begleitung der Notfallrettung sicherzustellen" ist. Der TNA muss also landesweit verfügbar sein.

Eine Aufteilung in örtlich begrenzte "Rettungsdienstbereiche", wie es sie in anderen Bundesländern gibt, existiert im Saarland nicht. Im Jahr 1977 haben sich die Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken in einem Zweckverband für den Rettungsdienst zusammengeschlossen. Seit der Übernahme der einzigen (Integrierten) Leitstelle ist der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung – ZRF Saar somit für die Organisation des Rettungsdienstes landesweit zuständig. Das gesamte Saarland ist damit ein einheitlich organisierter Rettungsdienstbereich, wobei die praktische Durchführung des Rettungsdienstes auf verschiedene Hilfsorganisationen und Feuerwehren übertragen ist.

Im Spätsommer 2023 wurde der Auftrag für ein landesweit einheitliches TNA-System durch den ZRF Saar an die Firma corpuls erteilt. Vom Innenministerium kommt finanzielle Unterstützung in Form von Zuschüssen für den Rettungsdienst und die Einführung des TNA-Systems. Hektor Jörg, Sprecher des Innenministeriums, teilte auf Anfrage von heise online mit, dass es zunächst an einigen Standorten in einem begrenzten Versorgungsbereich Tests gibt, bevor der Rollout auf das gesamte Saarland erfolgt.

Die TNA-Zentrale wird in der Integrierten Leitstelle in Saarbrücken eingerichtet, erklärt Marcel Roth von der Stabsstelle Digitalisierung des ZFR Saar gegenüber heise online. Im Oktober 2024 startet dann zunächst eine Pilotphase mit Pilotwachen in den Landkreisen Saarlouis und St. Wendel. Dieser Pilotbetrieb läuft bis mindestens Ende 2024. In dieser Phase wird der TNA in tageszeitlich wechselnden Zeitfenstern von jeweils 4 Stunden zur Verfügung stehen, um erste Erfahrungen zu Einsätzen zu sammeln (Einsatzfrequenzen und - Schwerpunkte, Dokumentation, Bedarfsverlauf) und die technischen und organisatorischen Abläufe zu etablieren.

Wenn die Erfahrungen in technischer, einsatztaktischer und medizinischer Bewertung in der Pilotphase positiv sind, werden ab 2025 schrittweise alle RTW (57) und die NEF (14) des Saarlandes für das TNA-System ertüchtigt und die Vorhaltezeit des Telenotarztes "bedarfsgerecht ausgeweitet". Mit einer flächendeckenden Umsetzung des TNA im Saarland sei bis Mitte 2025 zu rechnen.

Hessen will flächendeckend ein Telenotarztsystem einführen. Bis dahin dauert es aber noch. Ende 2018 startete ein erstes TNA-Pilotprojekt im Main-Kinzig-Kreis. 2019 kam ein Pilotprojekt im Kreis Waldeck-Frankenberg hinzu. Diese wurden zunächst von der TNA-Zentrale in Aachen (Nordrhein-Westphalen) betreut.

Im Mai 2023 wurde in Hessen eine erste TNA-Zentrale in Betrieb genommen. Diese befindet sich in Gelnhausen und ist für den Main-Kinzig-Kreis und Waldeck-Frankenberg zuständig. Für diese beiden Kommunen hatte der Landkreis Main-Kinzig die ADAC-Telenotarzt gGmbH als Personaldienstleister und die Firma umlaut telehealthcare GmbH -Part of Accenture für die Technik mit dem Betrieb der TNA-Zentrale beauftragt. Gelnhausen ist der bundesweit erste Standort des "ADAC Telenotarztes".

Andreas Estermeier, Geschäftsführer der ADAC Telenotarzt gGmbH, sieht den "größten Mehrwert" für den TNA, "wenn wir die alten Denkmuster von Leitstellengebieten und Landkreisen verlassen und ein überregionales digitales Netzwerk entstehen lassen".

Die TNA-Zentrale in Gelnhausen und die in Aachen vertreten sich bereits gegenseitig. "Der ADAC ist grundsätzlich im gesamten Bundesgebiet vertreten, weshalb sich auch unsere telenotärztlichen Bestrebungen auf das gesamte Bundesgebiet ausrichten. Letztlich hängt der Standort jedoch davon ab, welche Kommune oder welches Land ein entsprechendes System ausschreibt" führt Estermeier gegenüber heise online weiter aus. In Zusammenarbeit mit der Firma umlaut will die ADAC Telenotarzt gGmbH ihr Netzwerk als Betreiber von TNA-Zentralen weiter ausbauen. Auf welche Ausschreibungen in den Bundesländern sie sich alles beworben hat, wollte sie aber nicht verraten.

Inzwischen sind im Main-Kinzig-Kreis neben den Notarzt-Einsatzfahrzeugen auch alle RTW mit mobilen Notfallsonografie-Geräten ausgestattet worden, teilt die Kreisverwaltung am 18. Juli 2024 mit; neben den wesentlichen Vitaldaten können nun auch Ultraschallbilder an den Telenotarzt gesendet werden.

Seit 2019 gab es auch ein Pilotprojekt zur Einführung der "Telemedizin im Rettungsdienst in Mittelhessen", das im Juni 2022 zwar auslief, aber weitergeführt wird. Der Rettungsdienst Mittelhessen setzt dabei auf die Telenotarzt-Software von Corpuls und eine virtuelle Telenotarztzentrale. Die Telenotärzte kommen vom Universitätsklinikum Marburg und unterstützen das Rettungsdienstpersonal in den Landkreisen Gießen, Marburg-Biedenkopf und im Vogelsbergkreis seit Jahren in einem "Callback"-System. Die Pressesprecherin des Hessischen Ministeriums für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Esther Walter teilte auf Nachfrage von heise online mit, dass aktuell die Rettungsdienstbereiche Main-Kinzig-Kreis, Waldeck-Frankenberg, Gießen, Marburg-Biedenkopf und der Vogelsbergkreis "zum Teil von Telenotarztdiensten abgedeckt" werden.

Hessen stehe der "Einführung eines landesweiten Telenotarztsystems grundsätzlich positiv gegenüber", detaillierte Aussagen zum weiteren Ablauf und einem Zeitplan könnten aber erst getroffen werden, wenn der Haushalt 2025 aufgestellt ist. Die bisher im Rahmen der Pilotprojekte vergebenen Aufträge haben "zunächst nichts mit den Überlegungen zu einem landesweiten Telenotarztsystem zu tun". Die Pressesprecherin wies daraufhin hin, dass "im Rahmen der Einführung eines TNA-Systems entsprechende Gesetzesänderungen [im Hessischen Rettungsdienstgesetz] erforderlich" wären. Grundlage für die bisherigen TNA-Projekte ist eine Experimentierklausel im Rettungsdienstplan.