Missing Link: Ein chinesisches Schiff wird kommen – auch beim autonomen Fahren?

Seite 2: Ein solcher Stimulus wäre gar nicht nötig

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Dabei ist China eh schon gut dabei beim autonomen Fahren, insbesondere beim Betrieb von Robo-Taxis sehen wird in der Volksrepublik eine breitere und dynamischere Entwicklung als in den USA. Dort sind Waymo und Cruise technologisch führend, kommen allerdings mit ihren Kommerzialisierungsbemühungen nur langsam voran und müssen allerlei Rückschläge verkraften. Auch ist die regulatorische Unterstützung außer in Kalifornien und Texas schlicht inexistent.

In China gibt es über 40 Testgebiete mit einem Streckennetz von mehr als 15.000 Kilometern. Neben Peking sind auch in Guangzhou, Shanghai und Shenzhen selbstfahrende Fahrzeuge unterwegs. Die Unterstützung durch staatliche Regulation und lokale Behörde ist in China erheblich intensiver als in den USA. Die Shanghaier Stadtregierung sieht vor, dass bis 2025 70 Prozent der produzierten Autos über autonome Fahrfunktionen verfügen und fordert Unternehmen auf, in Forschung und Entwicklung zu intensivieren.

Chinesische Firmen, sowohl Autohersteller als auch Techunternehmen, sind bereits heute sehr gut aufgestellt und testen auch in Kalifornien. Teslas Partner Baidu betreibt eine Flotte von mehr als 600 Robo-Taxis, mit denen es bis dato 60 Millionen Testkilometer zurückgelegt hat – mehr als drei Millionen im Rahmen von kommerziellen Fahrten. Außer Tesla und Baidu sind in China noch eine Reihe weiterer Firmen Kollaborationen eingegangen, um das autonome Fahren zu kommerzialisieren.

AutoX, das in Shanghai und Shenzhen operiert, kommt gar auf mehr als 1000 Fahrzeuge im kommerziellen Robotaxi-Betrieb. Auch der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba und das Elektrofahrzeug-Start-up Xpeng kollaborieren bei Software für selbstfahrende Autos und haben ein gemeinsames Rechenzentrum dafür errichtet. Tencent, neben Baidu und Alibaba der dritte große alte Techkonzern, arbeitet mit dem Elektrofahrzeughersteller Nio beim autonomen Fahren und hochauflösender Kartierung zusammen. Ähnlich Foxconn und Nvidia, die ebenfalls eine Kollaboration für eine Software-Plattform für autonome Autos vermeldet haben.

Huawei ist auch dabei und betont in einer ausführlichen Marktstudie: "Branchenübergreifende Zusammenarbeit wird die neue Branche prägen. Automobilhersteller und Technologieunternehmen arbeiten zusammen, um ihre Stärken zu maximieren." Der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die Sache ähnlich: Um den Anschluss an die Mobilität der Zukunft nicht zu verlieren, seien gemeinsame Projekte mit dem Vorreiter China unverzichtbar, äußerte er kürzlich.

Seit Mai 2021 können in Deutschland vollständig autonome Fahrzeuge grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, das sieht das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete "Gesetz zum autonomen Fahren" vor. Das Gesetz ebnet zwar insbesondere öffentlichen fahrerlosen Flottenbetrieben den regulatorischen Weg, doch ist in den zweieinhalb Jahren seit der Verabschiedung nicht viel passiert.

Die deutschen Autohersteller konzentrieren sich auf Level 2 und 3 in ihren Fahrzeugen. Vom Betrieb von fahrerlosen Robotaxi-Flotten (Level 4) haben sich die traditionellen Hersteller schon länger verabschiedet. Der Chef von Daimler, Ole Källenius verglich den zuletzt verbesserten Stauassistenten mit der Mondlandung, obwohl die Liste an Ausnahmefällen lang ist. Sein Kollege von BMW, Oliver Zipse, sieht den Stand der Technik gar derzeit nicht als ausreichend für einen geschäftlichen Einsatz: "Ein Level-3-System, das ständig im Tunnel, bei Regen, bei Dunkelheit, bei Nebel abschaltet – was soll das? Das kauft keiner", äußerte er am Rande der letztjährigen CES in Las Vegas.

Und im öffentlichen Verkehr? Seit Jahren kommen wir nicht über Pilotprojekt hinaus. Kein einziger Hersteller hat bislang die Zulassung eines autonom fahrenden Fahrzeugs beim zuständigen Kraftfahrt-Bundesamt beantragt. Alle autonomen Shuttles, Peoplemover und wie sie alle heißen, sind allesamt nach wie vor auf der Basis von Einzelgenehmigungen unterwegs. Von Skalierung, hunderten oder gar tausenden Fahrzeugen, geschweige denn ein kommerzieller Betrieb ist nicht in Sicht. Es ist auch völlig offen, wer an einem solchen interessiert wäre.

Es sieht derzeit so aus, als würde das Plateau der Produktivität in China erreicht werden, und Tesla spielt dabei die Rolle des Katalysators. Wie schon bei der E-Mobilität wiederholt sich die Rollenverteilung: Hierzulande wird von Seiten der Industrie abgewiegelt. Amerikanische Tech-Startups zeigen, dass es geht. Aber auf breiter Front ausgerollt wird die Technologie in China.

Chinas nachholende Massenmotorisierung wird nicht nur elektrisch, sondern möglicherweise auch fahrerlos stattfinden. Und so ein weiteres Beispiel für den "Vorteil des zweiten Spiels" darstellen, so bezeichnet der Singapurische Autor Parag Khanna (Unser asiatisches Jahrhundert), das Phänomen, dass Länder, die technologisch zunächst im Hintertreffen sind, in ihrer Entwicklung technologische Stufen überspringen und sich an der Weltspitze wiederfinden.

Und bei uns? Luxuskarossen fahren selbstständig im Stau, und irgendwo poppt der x-te Pilotversuch mit Peoplemovern aus der Bastelbude auf. Wir sind regulatorisch Spitze, aber technologisch und anwendungsseitig höchstens Provinz.

(bme)