Missing Link: Kooperationen mit der KI-Macht China werden zum heißen Eisen

Seite 4: China-Deutschland – ein Traumteam

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(Bild: Dezay/Shutterstock.com)

Die Kombi China-Deutschland erachtete Uszkoreit vor anderthalb Jahren so als Traumteam: "Durch den deutschen Schwerpunkt auf KI für Industrie 4.0 und die intelligente Transformation großer Unternehmen gibt es hervorragende Anknüpfungspunkte. In diesen Gebieten liegt die chinesische KI-Forschung stark zurück, während sie in der Internet-KI und Computer Vision, also dem Maschinellen Sehen, Deutschland bereits überholt hat." Das DFKI habe so etwa den chinesischen IT-Konzern Lenovo dabei unterstützt, einen Wissensspeicher in Form eines "Knowledge Graph" für einen Chatbot zu entwickeln, "der jetzt bereits in 30 Ländern und fünf Sprachen in der Kundenbetreuung eingesetzt wird". Der Forscher fungiert auch als Chef-KI-Berater für Lenovo.

"Die deutsche Industrie sieht eine große Chance in der Kooperation auf diesen Gebieten", meinte Uszkoreit in Bezug auf die KI-Implementierungsstrategie Chinas, die das Land des Drachens längst zu einer "KI-Supermacht" neben dem Silicon Valley gemacht hat. Diese These vertritt zumindest der in Taiwan geborene US-amerikanische Informatiker Kai-fu Le. Die deutsche Politik muss sich laut dem DFKI-Direktor so "nur von der Angst befreien, dass unsere wertvolle KI-Technologie nach China abfließen könnte". Es gelte, gemeinsam mit der Wissenschaft und der Industrie Modelle der Zusammenarbeit zu entwickeln, "sodass die Technologien zu beiderseitigem Nutzen schnell und bestmöglich eingesetzt werden".

China sei schon so stark in KI, dass Kooperationen immer auch Vorteile für Partner in Europa und den USA mit sich brächten, ergänzte Uszkoreit in einem Webinar des Mercator Institute for China Studies (Merics) im Juli 2020. Sämtliche IT und vor allem Künstliche Intelligenz seien zwar prinzipiell auch nutzbar für militärische Anwendungen und somit Dual-Use. Das einschlägige Wissen verbreite sich aber sowieso, da die meiste KI-Forschung offen erfolge.

Die ethischen Rahmenwerke dafür seien in Europa und China sehr ähnlich, erklärte der Wissenschaftler. Die eine Seite stufe aber den Datenschutz höher ein, die andere lege mehr Wert auf Sicherheit und das Gemeinwohl. Groß reguliert werden müsse die Technik nicht, allenfalls der Missbrauch biometrischer Gesichtserkennung ausgeschlossen werden. Im Deutschlandfunk räumte Uszkoreit aber auch ein: Wenn man die Gesetze ganz genau nehme, habe die chinesische Regierung "Zugriff auf alles". Ernst werde es vor allem bei der Sorge, dass Peking KI künftig auch zur Überwachung des Internets verwenden könnte.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hatte dagegen schon im Januar 2019 einen härteren Kurs gegen China gefordert. Das System hierzulande müsse "widerstandsfähiger" gemacht werden, schrieb die Lobby-Organisation in einem Grundsatzpapier. "Zwischen unserem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft entsteht ein Systemwettbewerb", heißt es darin. China entwickle sich entgegen früheren Erwartungen absehbar nicht hin zu mehr Liberalismus, sondern verzerre Märkte und Preise durch staatliche Eingriffe.

Peking bemüht sich seit Jahren, über Firmenkäufe ausländische Spitzentechnologie zu übernehmen. Zudem versucht die kommunistische Regierung, etwa über das Projekt der neuen Seidenstraße über Investitionen in die Infrastruktur etwa in Europa und Afrika politischen Einfluss zu gewinnen.

Die Bundesregierung reagierte vor allem mit Blick auf China damit, zum Schutz vor Spionage und Know-how-Verlust die Hürden für ausländische Investoren zu erhöhen. Sie senkte für sensible Bereiche die Schwelle, von der an ein Anteilserwerb geprüft werden kann. Der Bundestag beschloss eine entsprechende Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes im Juni 2020. Das EU-Parlament hat zudem gerade die Dual-Use-Verordnung verschärft und den Export von Überwachungstechnologien erschwert.

Bis 2049, zum 100. Geburtstag der Volksrepublik, will China technologisch Weltspitze sein. Im Sommer 2017 präsentierte der chinesische Staatsrat seine nationale KI-Strategie. Schon bis 2020 sollte das Land demnach die USA ein- und bis 2025 überholen. Beobachtern zufolge ist dies zumindest bei Kerntechnologien wie Chips, die für KI benötigt werden, sowie bei offenen Modellen fürs Maschinenlernen wie PaTorch, Cuda und Tensorflow bislang nicht gelungen.