Missing Link: Kooperationen mit der KI-Macht China werden zum heißen Eisen

Früher kam die Kanzlerin zum Abschluss von Forschungspartnerschaften zu Künstlicher Intelligenz mit chinesischen Partnern am DFKI – jetzt kommt der Liquidator.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 19 Min.
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Die Sicht auf China hat sich hierzulande in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Bekamen westliche Manager kurz nach der Jahrtausendwende noch leuchtende Augen, wenn man die "Werkbank der Welt" mit ihrem gigantischen Markt in Südostasien nur erwähnte, sind der Hype und die Euphorie rund um das "Wirtschaftswunderland" größtenteils verflogen. Dies gilt auch für die Technologiepolitik, wo bis vor Kurzem viele deutsche Unternehmen noch Partnerschaften und Joint Ventures mit chinesischen Firmen etwa im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) massiv vorantrieben.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Ein Beispiel dafür ist das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Das hauptsächlich vom Bund und den Ländern finanzierte Unternehmen war lange sehr chinafreundlich unterwegs. 2017 unterzeichnete es im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem chinesischen Ministerpräsidenten Keqiang Li eine Absichtserklärung zu einer Zusammenarbeit im Bereich der visuellen KI mit der Firma 4DAGE Technology, die 3D-Technologien entwickelt.

"Eckpfeiler sind neben dem regelmäßigen Informations- und Wissensaustausch die Förderung gemeinsamer Forschungsarbeit, die Planung und Durchführung gemeinsamer Projekte, der Aufbau eines gemeinsamen Technologiemanagements und die Identifikation langfristiger gemeinsamer Forschungsfelder", hieß es damals. Die gemeinsamen thematischen Schwerpunkte sollten auf Forschungsfeldern wie Augmented Reality und Visual Computing liegen. Die Anwendungsfelder schienen riesig und erstreckten sich dem Plan nach etwa auf Tourismus, virtuelle Museen, Stadtplanung und E-Commerce.

2018 gab es eine ähnliche Meldung. Die Honoratioren waren diesmal zwar nicht ganz so hoch angesiedelt, aber immerhin kam der damalige Pekinger Vize-Bürgermeister Yin Hejun nach Berlin, um der "feierlichen" Unterzeichnung eines Vertrags zur erweiterten Kooperation zwischen dem DFKI und dem Artificial Intelligence Technology Center (AITC) beizuwohnen. Das Forschungsunternehmen aus Saarbrücken erläuterte dazu, dass das AITC im April 2017 vom DFKI-Wissenschaftsdirektor Hans Uszkoreit gemeinsam mit Hanyan Zhang gegründet worden sei, "um KI-Technologien aus den Forschungslaboren und technologischen Vorreiterunternehmen in die Industrie und Gesellschaft zu bringen".

Ein besonderer Fokus des Pekinger Zentrums liege "auf der Kommerzialisierung von Technologien aus Deutschland in der chinesischen Wirtschaft mit Hilfe von Geschäftsmodellen, die sowohl den Schöpfern als auch den Nutzern dieser Technologien zugutekommen", führte das DFKI aus. Bisherige Forschungsschwerpunkte des AITC seien die Entwicklung von Smart-Service-Systemen und die Kreation einer Big-Data-Plattform. Nun wolle man gemeinsam Technologieentwicklung betreiben. Dazu gehörte das Vorhaben, das am DFKI entwickelte DARE-System zur Relationsextraktion aus Texten zu erweitern. Entstehen sollten "gemeinsame Labs und Testumgebungen zu Themen wie Smarte Produktion oder Industrie 4.0".

Im gleichen Zuge wurde eine Berliner Dependance, das AITC Europe, gegründet. Beim AITC selbst handelt es sich laut dessen Beschreibung auf der Firmenwebseite um ein "deutsch-chinesisches Joint Venture", das als "offizielle Vertretung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in China" fungiere. Es ziele darauf ab, "modernste Forschungsergebnisse und neueste Technologien zu nutzen, um Startups, reife Unternehmen und aufstrebende Talente zu unterstützen".

Das AITC betreibt seit mehreren Jahren als mehr oder weniger offizielle chinesische DFKI-Repräsentanz nicht nur ein Büro in Peking, sondern mit dem weiteren Unternehmen Giance dort auch schon ein "AITC/DFKI-Spin-off". Zu den Mitgründern gehört Uszkoreit, der mit seiner chinesischen KI-Forscherkollegin Feiyu Xu verheiratet ist und mittlerweile die meiste Zeit in der chinesischen Hauptstadt lebt. Auf der Giance-Webseite ist zu lesen, dass das Start-up auf langjähriger Forschung am DFKI, der Universität des Saarlandes und der Universität Peking aufbaue.

Die Entwicklung der eigenen Technologie sei vor ihrer Kommerzialisierung "durch Projektförderungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, zwei Google-Forschungspreise, Industriekooperationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Zuschüsse der chinesischen Nationalen Forschungsstiftung und F&E-Aufträge von Industrieunternehmen unterstützt" worden, heißt es dort weiter. Einschlägige Forschungsergebnisse würden "in mehr als 40 internationalen Publikationen dokumentiert". Auch hier ist von einem "Berlin-Team" die Rede, das bereits eine neue Generation eines Produktionssystems mit verbesserten Algorithmen für natürliche Sprachübersetzung und Wissensverarbeitung fertiggestellt habe.