Nationale Wasserstoffstrategie: Tafelwasser oder Champagner der Energiewende?

Seite 2: Die gesamte Wertschöpfungskette im Blick

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Großen Wert legt die Exekutive darauf, dass für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit ökologischen Fokus die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen werden muss. Sie bezieht sich dabei auf "Technologien, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Verwendung einschließlich Logistik und wichtige Aspekte der Qualitätsinfrastruktur".

Ein weiterer entscheidender Satz: "Aus Sicht der Bundesregierung ist nur grüner Wasserstoff auf Dauer nachhaltig, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde." Es gelte daher, diesen zu nutzen, zu unterstützen und die benötigten Infrastrukturen zu etablieren. Im Vordergrund steht also die Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom etwa aus Wind- und Solarkraft in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Der erzeugte H2 kann dann etwa für chemische Prozesse direkt genutzt oder zu seinem Einsatzort transportiert werden.

Die Exekutive geht aber zugleich unter Verweis auf voraussichtliche Anforderungen des globalen und europäischen Markts davon aus, dass – zumindest für eine Übergangszeit – auch "CO₂-neutraler Wasserstoff" eine Rolle spielen und bei Verfügbarkeit genutzt werden wird. Laut der Darstellung in dem Papier handelt es sich also um einen Brennstoff, dessen Treibhausgasbilanz auf Netto Null hinauslaufen könnte. Schädliche Emissionen müssten dafür aber durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden.

Die Wasserstoff-Farbenlehre

(Bild: Bundesnetzagentur (PDF))

Als Beispiele nennt die Bundesregierung blauen und türkisen Wasserstoff. Bei ersterem lautet der Anspruch, das bei der Herstellung produzierte CO₂ abzuscheiden und unterirdisch per "Carbon Capture and Storage" (CCS) zu speichern. Forscher wie Johannes Emmerling vom European Institute on Economics and the Environment in Mailand gehen aber anhand von Studien und Szenarien davon aus, dass "umfangreiches CCS" nicht vor 2030 oder 2050 praktizierbar sein wird.

Neben technologischen Herausforderungen und hohen Kosten sei der niedrige CO2-Preis ein Grund dafür, dass sich umfangreiche Investitionen in eine solche Technologie noch nicht lohnten, erklärt der Wissenschaftler. Dafür wären höhere und stabile Kosten von 100 bis 200 Euro pro Tonne nötig. Zum Vergleich: Mit dem hiesigen Klimaschutzgesetz von 2019 soll der CO₂-Preis bis 2025 stufenweise auf 35 Euro steigen.

Türkiser Wasserstoff wird über die thermische Spaltung von Methan hergestellt. Anstelle von CO₂ entsteht bei dieser Methanpyrolyse fester Kohlenstoff. Wichtig dabei ist, dass die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren oder CO₂-neutralen Energiequellen besteht. Als Grundstoff wird aber Erdgas genutzt, das zunächst aufwändig gefördert und transportiert werden muss.

In Deutschland treiben BASF und Wintershall Dea das Verfahren voran. Auch der russische Staatskonzern Gazprom verfolgt diesen Ansatz, dessen Klimabilanz schon aufgrund der großen Treibhausgas-Problematik von Methan eher düster scheint. Hier von "CO₂-neutral" zu sprechen, ist gewagt.