Ökowende: Es wirkt

Seite 2: Trend ist unumkehrbar

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Und doch hat das Jahr 2015 gezeigt: "Der Trend hin zu sauberer Energieerzeugung ist unumkehrbar." So schrieb es Barack Obama im Fachmagazin "Science" kurz vor der Amtsübergabe an Donald Trump. Der Satz ist mehr als der Versuch eines scheidenden Präsidenten, sein politisches Erbe zu retten. "Weltweit sind die Kosten der grünen Technologien drastisch gefallen", sagt Adnan Z. Amin, Direktor der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (Irena) mit Hauptsitz in Abu Dhabi. Allein die Solarstromerzeugung über Photovoltaik sei heute 80 Prozent günstiger als noch vor sieben Jahren. Preise für Windstrom fielen im gleichen Zeitraum um ein Drittel. "In vielen Ländern ist Strom aus erneuerbaren Quellen bereits der günstigste, der ins Stromnetz eingespeist wird", sagt der Irena-Direktor.

Nun gehören Lobeshymnen auf die Erneuerbaren quasi zur Aufgabenbeschreibung eines Irena-Direktors. Doch mehrere aktuelle Ausschreibungen von Wind- und Solarkraftwerken geben Amin recht. So entsteht in Sweihan im arabischen Emi-rat Abu Dhabi ein 350-Megawatt-Solarkraftwerk, für das ein asiatisches Konsortium nur noch mit knapp 2,4 Eurocent pro Kilowattstunde kalkuliert. Eine Erweiterung auf 1000 Megawatt Leistung ist vorgesehen. Kohlestrom für mindestens vier Eurocent pro Kilowattstunde wäre hier chancenlos. Sogar der Ölstaat Saudi-Arabien kündigte Mitte Januar an, in den kommenden fünf Jahren bis zu 50 Milliarden Dollar in Ökostromprojekte zu investieren. Von diesen Kampfpreisen der Photovoltaik könnten schon bald viele Staaten in sonnenreichen Regionen, sei es in Afrika oder Asien, profitieren.

In der chilenischen Atacamawüste etwa könnte schon bald ein Photovoltaik-Solarpark mit mehr als 1170 Megawatt diesen Preis unterbieten. Ein asiatisches Konsortium, deren Mitglieder die zuständige chilenische Behörde Corfo noch nicht nennen möchte, soll sich mit einem Preis von 2,2 Eurocent pro Kilowattstunde um den Bau des Solarparks beworben haben. "Die Atacama bietet die intensivste Sonneneinstrahlung weltweit mit gut 4000 Sonnenstunden pro Jahr", sagt Corfo-Vizedirektor Eduardo Bitran Colodro. Damit ließe sich in der kargen Andenwüste sogar Solarstrom für unter zwei Cent produzieren.

Gleichzeitig stehen stromhungrige Abnehmer bereit, für die billiger Strom ein gigantischer Wettbewerbsvorteil ist: Kupferminen, die sich im Tagebau Dutzende Quadratkilometer durch die dünn besiedelte Gegend nagen. In ihren elektrischen Öfen schmelzen sie das wertvolle Metall aus den geförderten Erzen. Die Heizphasen der Öfen ließen sich gar an die schwankende Erzeugung von Solarstrom ausrichten, um effizientes Lastmanagement zu betreiben und auf teure Stromspeicher zu verzichten. Ein zweiter Abnehmer könnten die expandierenden Lithiumminen werden. Lithiumsalze bilden eine der weltweit wichtigsten Ressourcen für die boomende Akku-Industrie. In der Atacama liegen große Vorkommen, und um aus den abgebauten Salzen möglichst reines weißes Lithiumcarbonat für den Export zu erhalten, kommen stromfressende Reinigungs- und Trocknungsverfahren zum Einsatz.

Was derzeit in sonnenreichen Regionen passiert, dürfte sich bald zum weltweiten Muster entwickeln: Laut einer aktuellen Energiestudie des Finanzdienstleisters Bloomberg soll Solarstrom bis 2025 im globalen Durchschnitt billiger als Kohlestrom werden. Die Windenergie folgt der Entwicklung. Eines der besten Beispiele dafür stammt aus Texas, das lange eher durch seine Erdölindustrie bekannt war. Im dünn besiedelten Westen des US-Bundesstaates wuchsen binnen weniger Jahre zahlreiche Windparks mit Hunderten Megawatt Leistung.

Zuvor dominierten hier Baumwoll- und Getreidefarmen, und auf einigen Ölfeldern neigen noch Pferdekopfpumpen ihre Häupter im Fördertakt. "Früher vertrauten hier die Farmer darauf, dass es irgendwann regnete", sagt Rolan Petty und stampft mit seinem Stiefel in den trocken-staubigen Boden. Heute schätzt der Farmer das stetige Einkommen der Windmühlen auf seinem Land. "Während der Dürre 2011 haben hier viele Bankrott angemeldet, außer die Farmer mit Windrädern auf ihrem Grund", sagt Rolans Bruder Russ. Heute zieht sich ein lichter Wald aus Windrädern bis zum Horizont. Seit 2006 stellt die Petty-Familie ihren Boden der 735-Megawatt-Windfarm Horse Hollow und einem weiteren Windpark zur Verfügung. Für jede Anlage auf ihrem Grund erhält sie 7500 Dollar Pachtgebühren, jedes Jahr. "So blieb das Land im Besitz der Familie", sagt Russ Petty. Und seine Farm ist dabei noch ein kleiner Fisch beim großen Boom der Erneuerbaren in den USA.

Heute summiert sich allein die Leistung aus allen texanischen Windparks auf knapp 18000 Megawatt. Wäre Texas ein Land, läge es im internationalen Vergleich auf Platz sechs. An windigen Wintertagen decken die Texasmühlen bereits mehr als 40 Prozent des Strombedarfs. "Und es gibt hier noch viele leere Flächen für weitere große Projekte", sagt Greg Blair vom Unternehmen American Electric Power. Auf der anderen Seite des Atlantiks nimmt die Geschichte eine ähnliche Richtung. Vor der britischen Küste fiel 2016 der Startschuss für den weltgrößten Offshore-Windpark. Hornsea soll 5,4 Milliarden Euro kosten und 1,2 Gigawatt leisten. Aber nicht nur die Anlagen erreichen gigantische Ausmaße, auch die Preise sinken.